Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Alles und noch mehr



Gemütlichkeit

Mit dem Hund auf der Couch Falls sich der eine oder andere Leser fragen sollte, was ich so alles mache, wenn ich in Linz bin:

Ich liege zwischen Hund und Couch. Und ich versuche möglichst nicht einzuschlafen, was bei den gleichmäßigen, beruhigenden Schnarchgeräuschen direkt vor meinem Gesicht gar nicht so einfach ist. Man wird da schon auch müde …


ESC 2016, das Finale: Love, Love, Peace, Peace

Love Love Peace Peace Daß da etwas ganz Großes auf uns zukommt, das hatten wir ja von der Generalprobe am Freitag schon mitbekommen. Am Samstag Abend wußten wir dann, was gemeint war: Nein, es war nicht der laut betrommelte Auftritt von Justin Timberlake. (Ganz im Gegenteil: Wär der in der Abstimmung mit drin gewesen, ich hätt ihm keinen Top-10-Platz zugewiesen.) Der Höhepunkt der Show war zweifellos „Love Love Peace Peace“, die von Måns Zelmerlöw und Petra Mede gesungene Anleitung für den perfekten ESC-Siegersong. (Unbedingt ansehen! Kurze Auftritte vergangener ESC-Größen sind da genauso mit drin wie ein uns Österreichern sehr bekanntes burning fake piano.) Genauso genial: Der anschließende Kurzauftritt von Lynda Woodruff. Wir haben Tränen gegackert. Un-glaub-lich.

Zu den Songs hab ich ja im Vorfeld bzw. während der Semifinalabende schon alles gesagt. Die kennt mittlerweile jeder. Die eigentliche Sensation war die Abstimmung, und zwar gleich im doppelten Sinn:

Erstens hat der neue Abstimmungsmodus wirklich gehalten, was die EBU versprochen hat. Erst mit der vorletzten Punktevergabe wurde klar, daß Australien den Song Contest nicht gewinnen wird. (Der Song von Down Under wurde von den Fachjurys nach oben gepusht, obwohl er absolut keine Ohrwurmqualitäten hat.) Und erst die Verlesung der letzten Punkte brachte Klarheit, daß nicht Russland, sondern die Ukraine als Sieger des Abends hervorgehen würde. Mein Herz hatte während der ganzen Abstimmung geschlagen wie die Trommeln aus „Love Love Peace Peace“ vor lauter Angst, daß tatsächlich die Australierin das Rennen machen könnte. Aufregend! Aufregend!

Zweitens haben wir eine Premiere erlebt: Zum ersten Mal, seit 2009 die 50:50-Aufteilung der Punktevergabe zwischen Publikum und Fachjury eingeführt wurde, haben wir einen Sieger, der weder beim Publikum noch bei den Jurys am ersten Platz lag. Zur Erinnerung: Es hat bisher erst ein einziges Jahr gegeben, bei dem der Gesamtsieger nicht in beiden Wertungen an der Spitze war. Das war 2015, als das Publikum Italien, die Jurys aber Schweden bevorzugten. Zumindest war der Gesamtsieger damals wenigstens in einer der beiden Wertungen vorne. Heuer hat der ESC zum ersten Mal einen Sieger, der keine der beiden Abstimmungen für sich entschieden hat - und deshalb, wie manche schon böse unken, gar kein richtiger Sieger ist.

Um den Ausgang zu verdeutlichen, hier wie üblich eine kleine Tabelle. Ich hab sie auf die ersten zehn Plätze beschränkt. :)

Rang Reihung Jury Reihung Televoting Gesamt
1AustralienRusslandUkraine
2UkraineUkraineAustralien
3FrankeichPolenRussland
4MaltaAustralienBulgarien
5RusslandBulgarienSchweden
6BelgienSchwedenFrankeich
7BulgarienArmenienArmenien
8IsraelÖsterreichPolen
9SchwedenFrankeichLitauen
10ArmenienLitauenBelgien

Ich gebs zu: Ich steh dem Sieger etwas ratlos gegenüber. Nicht deshalb, weil mir das Lied nicht gefällt. Ganz im Gegenteil. Ich mag es. Ich kann mir nur nicht vorstellen, daß es nun in allen europäischen Formatradios gespielt wird. Das paßt einfach nicht. Würden die Leute, deren Anrufe Jamala auf Platz 2 des Televotings gehoben haben, den Song auch kaufen? Schafft er es in die Charts? Und wenn nicht: Was war dann die Motivation für den Anruf?

Wie üblich ohne auch nur für einen Moment zu recherchieren stellen obergscheite Journalisten die These in den Raum, der gegen Russland gerichtete Text des Liedes habe die Menschen vor allem in Westeuropa dazu bewegt, für „1944“ zu stimmen.

Gegen diese These hilft eine kleine Prise Realität. Hier die grafische Darstellung des Anrufverhaltens. Je roter desto null, je dunkelblauer desto zwölf:

Die Länder also, aus denen Jamala wenige oder gar keine Punkte bekam, liegen in Westeuropa. Ihren größten Fankreis hat sie östlich des ehemaligen Eisernen Vorhangs, sogar aus Russland gabs 10 Punkte. Bei den Jury-Stimmen verhält es sich ähnlich - mit dem Unterschied, daß die Putin-Jury im Gegensatz zum russischen TV-Publikum tatsächlich nur 0 Punkte an die Ukraine vergeben durfte.

Ich hab keine wirkliche Erklärung für die Popularität des sperrigen Songs bei einem Wettbewerb, den in den letzten Jahren eingängige Ohrwürmer wie „Heroes“, „Rise Like a Phoenix“, „Euphoria“, „Satellite“ oder „Fairytale“ gewonnen haben. Vielleicht werd ich ja auch einfach nur alt. :)

Wie auch immer: Australien hat nicht gewonnen (juhu!), Russland hat die Publikumswertung für sich entschieden (juhu!), das Siegerlied gefällt mir zumindest halbwegs (auch wenn es mich noch mehr erstaunt) und - am allerwichtigsten - es war ein unglaublich spannender, lustiger und unterhaltsamer Abend.

Note to self fürs nächste Mal: Wirklich weniger Brötchen kaufen. ;)


ESC 2016: Ukraine, Russland - Politik und Details

Jamala gewinnt den ESC 2016 Und es geht los: Die ersten Kommentatoren beginnen damit, das spannende Rennen zwischen der Ukraine und Russland politisch aufzuladen. Es sei so etwas wie ein Kampf der politischen Blöcke gewesen. Russland-Gegner hätten für die Ukraine abgestimmt, Putinversteher für Russland.

Das kann man so sehen, wenn man will. Oder man schaut einfach auf die Fakten, zum Beispiel auf das Abstimmungsverhalten des russischen Fernsehpublikums:

Die setzten den ukrainischen Beitrag nämlich auf den zweiten Platz. Brave Russen übrigens: Österreich kam gleich danach auf Platz 3, Zypern auf Platz 4.

Politisch wirds erst, wenn man die russische Jury mit einbezieht: Da ihr Abstimmungsverhalten den Juroren namentlich zugeordnet wird, setzten sie die Ukraine auf den vorletzten Platz. Im freien Putinland geht eben doch nicht alles. ;)


ESC 2016: Unser Voting

Zypern: Minus One Ah! Der größte anzunehmende Unfall konnte arschknapp verhindert werden: Der Sieg des australischen Nicht-Liedes nämlich, was der übelste Ausgang eines ESC seit 2007 gewesen wäre. (Damals hat Marija Šerifović mit einer ähnlich melodiefreien Nummer für Serbien gewonnen.)

Die wesentlich interessantere Frage aber ist: Wie ist unsere kleine, feine ESC-Party ausgegangen? Wie hat das Superexpertenteam gestimmt? Trommelwirbel, Tabelle:

Rang Land Song Punkte
Interpret
1 Zypern Alter
Ego
20
Minus
One
1 Polen Color Of Your
Life
20
Michał
Szpak
3 Russland You Are The Only
One
18
Sergei
Lasarew
3 Schweden If I Were
Sorry
18
Frans
3 Lettland Heartbeat 18
Justs
6 Frankreich J'ai
cherché
16
Amir
7 Ungarn Pioneer 15
Freddie
8 Georgien Midnight
Gold
14
Nika Kocharov &
Young Georgian Lolitaz
9 Italien No Degree Of
Separation
13
Francesca
Michielin
9 Litauen I've Been Waiting
for This Night
13
Donny
Montell
9 Ukraine 1944 13
Jamala
12 Vereinigtes
Königreich
You're Not
Alone
12
Joe and
Jake
13 Tschechien I Stand 11
Gabriela
Gunčíková
13 Niederlande Slow
Down
11
Douwe
Bob
13 Spanien Say Yay! 11
Barei
13 Armenien LoveWave 11
Iveta
Mukuchyan
17 Bulgarien If Love Was A
Crime
10
Poli
Genova
18 Belgien What's The
Pressure
8
Laura
Tesoro
18 Israel Made Of
Stars
8
Hovi
Star
18 Australien Sound Of
Silence
8
Dami Im
18 Kroatien Lighthouse 8
Nina
Kraljić
22 Deutschland Ghost 7
Jamie-Lee
22 Malta Walk On
Water
7
Ira
Losco
24 Aserbaidschan Miracle 6
Samra
24 Serbien Goodbye
(Shelter)
6
ZAA Sanja
Vučić

Da ist doch die eine oder andere Überraschung drin. ;) Irgendwie sinds doch auch verschiedene Generationen, die hier heute bei uns bei Brötchen und Chips versammelt waren. *LOL*

Die Ukraine haben wir so auch nicht vorhergesehen, allerdings liegt sie doch noch deutlich vor Australien. Recht so!


ESC 2016: Alles neu

Änderungen beim Voting Der Eurovision Song Contest 2016 wird eine Reihe von Neuerungen mit sich bringen. Die größte davon betrifft das Voting - und ist heftig umstritten.

USA und China live dabei

Nicht umstritten, sondern höchst willkommen ist die Tatsache, daß der Eurovision Song Contest zum ersten Mal in seiner 61jährigen Geschichte live von einem TV-Sender in den USA ausgestrahlt wird. 51 Millionen Haushalte können das Programm Logo TV empfangen, das wie MTV, Comedy Central und VH1 zur Viacom-Gruppe gehört. Ob das sehr große Auswirkungen auf die tatsächliche Zuseherzahlen hat, wird sich zeigen: Die interessierte amerikanische Fangemeinde hatte bereits bisher Livestreams im Netz zur Verfügung. Erschwerend kommt hinzu: „Live“ bedeutet in diesem Fall 15:00 Uhr EST bzw. 12:00 Uhr PST. Wie viele der 51 Millionen Logo-Zuseher am Samstag Nachmittag eine ihnen unbekannte europäische TV-Show sehen, bleibt abzuwarten.

Ebenfalls neu dabei: der chinesische Sender Mango TV (Hunan Television), die zweitgrößte Fernsehstation in China. Die Chinesen haben bisher eine Aufzeichnung zeitversetzt gesendet, heuer steigen sie live ein - und zwar um drei Uhr in der Früh. :)

Die neue Weltkarte des ESC sieht daher so aus (rot=Teilnehmer, orange=Liveübertragung ohne Teilnahme):

Weltkarte des ESC

Änderungen beim Voting

Seit 2012 diskutiert und heuer erstmals umgesetzt wird eine Änderung im Voting-System, die größte seit der Einführung des berühmten „douze points“-Schemas 1975. Bisher wurden die Publikumsstimmen aus dem Televoting und die Punkte der Expertenjurys jeweils für jedes Land zusammengezählt und dann gemeinsam verlesen. Die 12 Punkte waren also das gemeinsame Ergebnis von Televoting und Jury. Vorteil: Das System ist einfach und durchschaubar. Ein Land, eine Wertung. Nachteil: Zwar versucht die EBU durch die Reihenfolge der Stimmabgabe die Spannung möglichst lang aufrecht zu erhalten. Meist aber steht der Sieger fest, bevor noch alle Teilnehmer ihre Wertung bekannt gegeben haben. Außerdem gehen Publikums- oder Jurylieblinge gerne mal in der gemeinsamen Wertung unter und erhalten gar keine Punkte.

Im neuen System ist alles ein bißchen komplizierter, laut EBU aber auch spannender: Was zuerst - wie gewohnt - von den Sprechern der einzelnen Teilnehmerländer verlesen wird, sind ausschließlich die Punkte der Expertenjurys. Das Televoting ist dabei überhaupt noch nicht berücksichtigt. Nach diesem Durchlauf steht also fest, wer bei den Jurys gut angekommen ist. Das ist nicht notwendigerweise der Sieger das Abends, denn der braucht noch die Publikumsstimmen. Diese werden nach dem Jury-Durchgang von den Gastgebern Måns und Petra verlesen, und zwar gleich als Summe für jedes Land. Dabei beginnt man mit dem Teilnehmer, der am wenigsten Punkte erhalten hat, und arbeitet sich zur Spitze vor. Laut EBU bleibt so die Spannung bis zuletzt erhalten. (Ich bin mir da nicht so sicher: Wenn, anders als 2015, Jury- und Publikumsvoting übereinstimmen, kann sich die Verlesung der Publikumsstimmen als sehr langatmige und am Ende sinnlose Farce erweisen.)

Die EBU jedenfalls sieht Erklärungsbedarf für den neuen Abstimmungsmodus und hat ein kurzes Lehrvideo online gestellt. :)


ESC 2016: Wettquoten, persönliche Favoriten

Minus One für ZypernEinen Tag vor dem Finale gibts nochmal die Wettquoten der Buchmacher und meine persönlichen Favoriten. Es ist ja schon eine Zeit her, daß ich solche Dinge das letzte Mal veröffentlicht habe.

Die Wettquoten

Die Quoten vom 13. Mai, 16:00 Uhr. Die Pfeile geben übrigens nicht den aktuellen Trend an, sondern die Veränderung zur letzten Veröffentlichung hier am 9. April.

Rang Land Song
    Interpret  
1 Russland You Are The Only One
    Sergei Lasarew  
    (Berechnend und professionell konstruiert. Gelungen.)  
2 Australien Sound Of Silence
    Dami Im  
    (Man sehnt sich nach silence. Ganz übel.)  
3 Ukraine 1944
    Jamala  
    (Seltsam. Was ja nicht per se schlecht ist.)  
4 Frankreich J'ai cherché
    Amir  
    (Juhu-uhuhu…)  
5 Schweden If I Were Sorry
    Frans  
    (Selbstverliebter Teenie-Herzschmerz. Professionell gemacht, gewinnt mit der Zeit.)  
6 Armenien LoveWave
    Iveta Mukuchyan  
    (Paßt ins Radio.)  
7 Malta Walk On Water
    Ira Losco  
    (Bemühte Mittelklasse. Untere Mittelklasse.)  
8 Italien No Degree Of Separation
    Francesca Michielin  
    (Lieb gemacht, aber irgendetwas fehlt.)  
9 Niederlande Slow Down
    Douwe Bob  
    (Irgendwann halt ich bis zum Ende durch. Versprochen. 😴)  
10 Österreich Loin d'ici
    Zoë  
    (Anrufen fürs eigene Land nicht möglich. ☺)  

Meine persönlichen Favoriten

Meine Favoriten haben sich durch das Ausscheiden einiger Länder in den Semifinalshows ebenfalls verändert. (Außerdem ist die letzte Veröffentlichung noch länger her als bei den Wettquoten: 6. März. Auf dieses Datum beziehen sich die Pfeile.)

Rang Land Song
    Interpret  
1 Zypern Alter Ego
    Minus One  
    (Schönes von G:son)  
2 Russland You Are The Only One
    Sergei Lasarew  
    (Berechnend und professionell konstruiert. Gelungen.)  
3 Frankreich J'ai cherché
    Amir  
    (Juhu-uhuhu…)  
4 Schweden If I Were Sorry
    Frans  
    (Selbstverliebter Teenie-Herzschmerz. Professionell gemacht, gewinnt mit der Zeit.)  
5 Lettland Heartbeat
    Justs  
    (Justs bekämpft einen Song, der vielleicht nicht übel wäre.)  
6 Spanien Say Yay!
    Barei  
    (Das schwedische Lied kommt diesmal aus Spanien?)  
7 Georgien Midnight Gold
    Nika Kocharov & Young Georgian Lolitaz  
    (Aus irgendeinem Grund funktioniert das.)  
8 Ungarn Pioneer
    Freddie  
    (Sieht besser aus als es ist. Trotzdem OK.)  
9 Polen Color Of Your Life
    Michał Szpak  
    (Besser gut gestohlen als schlecht komponiert.)  
10 Ukraine 1944
    Jamala  
    (Seltsam. Was ja nicht per se schlecht ist.)  

ESC 2016: Voting Sheet Finale

Petra und MånsDas Voting Sheet für den Eurovision Song Contest 2016 ist fertig. Juhu! (Fast hätt ich gesagt: „In Farbe und bunt“, aber bei meinem Drucker sind die Farbpatronen ausgegangen.)

Voting Sheet fürs Finale des Eurovision Song Contest 2016 (PDF)

Viel Spaß damit!

(Wie immer gilt: Fehler bitte rechtzeitig melden. *gg*)


ESC 2016: Semi 2 - gottseidank vorbei

Der mit dem Wolf tanzt Das zweite Semifinale des Eurovision Song Contest 2016 war nun sicher kein Ruhmesblatt für den Wettbewerb. Damit meine ich keineswegs die Gestaltung der Show oder den Ausgang. (Obwohl …) Nein: Es hat einfach kaum jemals in der Geschichte des ESC eine so passiv-aggressive Aneinanderreihung teilweise einschläfernder, teilweise unbeholfener Songs gegeben. Und das Schlimmste ist: Ein paar der allerschlechtesten werden wir am Samstag wieder hören dürfen.

Aber, wie gewohnt, die Schrecklichkeiten der Reihe nach, bevor wir uns dann den wenigen Höhepunkten („Come Together!“) zuwenden:

Wie schon im ersten Semifinale haben zu 90% die Länder den Finaleinzug geschafft, denen es von den Buchmachern vorhergesagt war. Beim Verlesen der Ergebnisse mußte ich nur die vor mir liegende Liste abhaken. Einziger Ausreißer diesmal: Litauen mit „I've Been Waiting for This Night“ ist unerwartet weiter. Dafür mußte Weißrussland („Help You Fly“) den von den Buchmachern versprochenen Platz räumen.

Auch nicht wirklich schön: Gleich drei der Songs, die ich mit nur zwei und drei Punkten abgestraft habe, sind im Finale dabei. Konkret sind das das völlig melodiefreie „Made Of Stars“ aus Israel, das nervtötende „Goodbye (Shelter)“ aus Serbien und das eintönig-laute „Sound Of Silence“ aus Australien. (Ich hasse es, wenn ein Lied so überhaupt gar keine Dynamik hat. Gesang sollte doch auch ein klein bißchen was mit Gefühl zu tun haben. Und vor allem mit Melodie. Beides fehlt hier.) Schlechter war wirklich nur mehr die Schweiz, deren Sängerin erkennbar drauf gschissen hat und drei Minuten lang einfach irgendwas getan hat auf der Bühne. Ein Punkt.

Die anderen Finalisten wurden von mir mit jeweils sieben oder mehr Punkten bedacht, insofern paßts. Weil ich auch keinen einzigen Favoriten in diesem Finale hatte, kann ich mich nicht drüber beklagen, daß irgendwer nicht weitergekommen ist. Das Ausscheiden Irlands („Sunlight“) find ich ein bißchen unverständlich, mehr aber nicht.

Wir sind beim Positiven:

Petra Mede und Måns Zelmerlöw sind die heroes of the night. Ich weiß nicht, wer denen die Texte schreibt, aber dieses Moderatorenduo ist einfach unterhaltsam. Hier wird kein noch so billiges Eurovisionsklischee ausgelassen. (Die Eröffnungsnummer hätt ich gern als Buch, bitte!) Wenn das schwedische Fernsehen so schlau war, sich die besten Pointen für Samstag aufzuheben, dann wird das nochmal ein riesengroßer Spaß. Allein wie Måns Zelmerlöw böse knurrt, weil man ihn und seinen Plüsch-Wolf nicht nackt auf die Bühne läßt … das nimmt man ihm sogar ab.

Überhaupt, Måns: Ausgerechnet zwischen Dänemarks angestaubtem Bubischlager „Soldiers of Love“ und dem von Russland so heftig kritisierten „1944“ stellt er sich plötzlich zu einer völlig unüblichen Zwischenmoderation auf die Bühne. Sein Text:

Lots of songs about love here tonight. That was Denmark with „Soldiers Of Love“ and before that we heard Bulgaria with „If Love Was a Crime“ and you know what, love still is a crime in many parts of the world and I long to see the day when that is no longer the case.

Nach so viel Meckerei muß ichs nochmal herausstreichen: Bis auf die drei oben erwähnten Haßkandidaten sind alle Finalisten bei mir persönlich im oberen Punktebereich angesiedelt, die auf meinem Voting-Sheet eher mittleren Punkteränge sind ausgeschieden. Das ist ja auch nicht so übel - selbst unter der Prämisse, daß ich mich angesichts des schlechten Starterfelds zu freundlicher Punktevergabe wirklich zwingen mußte.

Über zwei Songs freu ich mich am meisten: „Midnight Gold“ aus Georgien war schon in den Anfangswochen der heurigen Song-Contest-Saison kurz mal unter meinen Favoriten, mit einem Ausscheiden im Halbfinale hab ich aber so sicher gerechnet, daß ich den Song komplett aus den Augen verloren hatte. Ich nähere mich wieder an. ;)

Ebenfalls wieder für mich entdeckt habe ich das sperrige „1944“ aus der Ukraine. Es zeigt, daß man auch mit einer kraftvollen Stimme gefühlvoll singen kann, wenn man einen guten Song zur Verfügung hat und die Stimme auch einzusetzen weiß - sogar als Frau. (Und nein, das ist jetzt gar nicht bösartig: Es sind halt tatsächlich immer nur Frauen, die mit belanglosen Melodien drei Minuten lang das Mikrofon totbrüllen.) Im enttäuschenden Umfeld des heutigen Abends konnte sich der emotionale Song voll entfalten. Zwar versteh ich immer noch nicht, warum er als potentieller Sieger gehandelt wird - gefallen tut er mir aber schon.

Noch ein positiver Punkt: Hans-Georg hat mir den Weg gewiesen. Ich konnte endlich auf einem Sender schauen, auf dem weder der unfähige Andi Knoll noch riesengroße Twitter-Inserts die Laune vermiesen. Juhu! :)

Überraschend an diesem Song Contest ist, daß ausgerechnet die sechs Fixstarter die Schwächen des heutigen Semifinalabends am Samstag wieder ausgleichen werden. In den letzten Jahren waren diese Fixstarter eher die, die schwache Songs auf die Bühne gebracht haben. Heuer sind vor allem Schweden, Frankreich und Spanien um gute Stimmung bemüht. Da kann man einen jaulenden Gnom aus Israel schon mal wegstecken. ;)


Zoë: From Zero To Hero

Loin d'iciNoch vor dem ersten ESC-Semifinale hatten weder Buchmacher noch Journalisten den österreichischen Song „Loin d’ici“ am Radar. Wenn es nach den Wettquoten gegangen wäre, hätte Zoë den Finaleinzug verpaßt und wäre am Mittwoch wieder heimgefahren.

Erstens kommt es anders und zweitens wenn sie singt. Noch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch haben die Wettquoten ordentlich angezogen. Statt irgendwo zwischen Platz 20 und Platz 30 liegt Österreich nun in den Top 10: Platz 9, Tendenz weiter steigend.

Noch schöner allerdings ist etwas ganz anderes: Zwar ist der Sieg beim Eurovision Song Contest eine Sache, die sich gut im Lebenslauf eines Komponisten macht. Wirklich bringen tut er aber nichts außer einer Umarmung von Måns Zelmerlöw (naja, das ist schon was) und einer Trophäe in Form eines Mikrofons: Es gibt kein Preisgeld. Verdienen tut man als Teilnehmer nach wie vor an den Downloads und CD-Verkäufen, die der Auftritt vor 200 Millionen Zusehern natürlich ordentlich ankurbeln soll - so der Plan.

Diese Verkäufe setzen normalerweise erst nach dem Finale so richtig ein. In Schweden, dem heurigen Auge des ESC-Hurrikans, ist die Sache aber anders. Die Fans dort kaufen die Songs jetzt schon. Weil die klassische Apple-Zielgruppe und die ESC-Hardcore-Fans weitestgehend deckungsgleich sind, kann man die schwedischen iTunes-Charts als glaubwürdigen Indikator betrachten. Und die sehen derzeit so aus:

Außer Konkurrenz, aber immer noch im Rennen:

  • Platz 44: „Heroes“, Schweden 2015

¹) Frankreich hat seinen Beitrag 2x in den Charts, in einer englischen Fassung und im zweisprachigen Original. Beide Fassungen in Summe liegen also besser als Platz 55.

Mit einem Wort: Die Kassen im Hause Straub (Komponisten sind Zoë und ihr Vater Christof) klingeln derzeit lauter als die von Dimitris Kontopoulos und Philip Kirkorov, die den derzeitigen Buchmacher-Favoriten komponiert haben. (Zumindest bezüglich der Verkäufe in Schweden.)

Bedeutet das etwas für Samstag? Wird Zoë die neue Conchita? Nein. Zwar war bei Conchita 2014 wirklich exakt der gleiche Effekt zu beobachten: Die Quoten lagen noch eine Woche vor der Show im Keller und gingen erst nach dem ersten Semifinale nach oben. Allerdings hatte das alles damals eine völlig andere Dimension: Die Buchmacher hatten sie bald auf den ersten Plätzen, nicht nur gerade mal so in den Top 10. Und während Zoë beim Semifinale unbestreitbar eine der begeistertsten Publikumsreaktionen hervorgerufen hat, ist damals bei Conchita schlicht das Hallendach weggeflogen, weil die Leute so hingerissen waren. Aber, wie gesagt, unterm Strich kommts darauf nicht an. Unterm Strich muß die CD vermarktet werden. Und das scheint zu gelingen.


ESC 2016: Semi 1 durchwachsen

Zoë beim ersten Semifinale Grab your towels, it's time to come together! Mit dieser schlüpfrigen Anspielung auf das durchaus zweideutige Motto des heurigen Eurovsion Song Contest eröffnete die unvergleichliche Petra Mede die Show. Nun: So viel Gelegenheit, die Handtücher dann auch zu benutzen, ergab sich in den anschließenden zwei Stunden gar nicht. Tatsächlich gehörte die Moderation mit den eingebauten „Europe“- und „Final Countdown“-Gags schon zu den wenigen Höhepunkten des Abends.

Das Negative zuerst: Rausgeflogen sind mit Bosnien & Herzegowina, Island, Griechenland und San Marino gleich vier Länder, die ich persönlich gern ein zweites Mal im Finale gehört hätte. Ein zweites Mal hätte ich sie unter anderem deshalb gern gehört, weil sie dem gräßlichen Trend des Jahres 2016 etwas entgegenzusetzen hatten: der kalten, seelenlosen, glattgebügelten Stimmbandakrobatik. Dafür sind im Finale die zwei Songs, die von mir die wenigsten Punkte erhalten haben: Malta mit dem unerträglichen „Walk On Water“ sowie Aserbaidschan mit der uninspirierten Meterware „Miracle“. Auch Kroatien (ebenfalls weiter mit „Lighthouse“) ist nicht wirklich mein Liebling, wurde aber von mir nicht ganz so schlecht bewertet wie Malta und Aserbaidschan.

Ganz schlimm: Der vertrottelte Einfall der ARD, rund 25% des Bildes mit irgendwelchen (ohnehin kaum lesbaren) Social-Media-Einblendungen zu verdecken. Das ging so weit, daß man von der Tanzperformance während des Telefonvotings nur den Bühnenhintergrund sah. Die Körper der Tänzer wurden vollständig von den überflüssigen Inserts verdeckt. Wer immer dafür verantwortlich ist, hat morgen seinen Schreibtisch zu räumen. Unfähiges Pack.

Ebenfalls übel: Das Ergebnis spiegelt zu 90% die Wettquoten wider. Abgestimmt wurde fast genau so, wie es die Wettquoten vorhergesagt haben. Übel ist diese Übereinstimmung mit den Wettquoten deshalb, weil sie dem Wettbewerb natürlich viel von seiner Spannung nimmt. Der einzige Ausreißer ist - Österreich! „Loin d'ici“ hat sich entgegen aller Vorhersagen ins Finale geschwindelt. Das Bauernopfer dafür war Island, das die Buchmacher eigentlich sehr sicher auf dem 6. Platz des heutigen Abends gesehen hätten. Und mit Österreich und „Loin d'ici“ finden wir eine schöne Überleitung zu den positiven Seiten des ersten Semifinalabends:

Ja, ich gebs zu, ich hab mich für Zoë gefreut. Zwar mag ich den Song immer noch nicht besonders. (Erinnert sich noch jemand? Ich konnte auch „Rise Like A Phoenix“ nicht leiden.) Im Umfeld des ersten Semifinales aber war er wie eine wohltuende Wärmelampe nach einem kalten Wintersturm. Die leichte Fröhlichkeit, das Sich-Nicht-Kümmern um den Zeitgeist, das unbefangene Tralala zwischen Heulbojen und Musical-Dramas - das hat mich für einen Moment verstehen lassen, warum die Fans in Stockholm den Song so lieben. Ja, das Straub-Mäderl ist verdient weiter. Und natürlich macht so ein Song-Contest-Finale auch mir mehr Spaß, wenn man von Wien aus nicht nur als unbeteiligter Zaungast zusieht. :)

Wirklich schön am Ergebnis: Zypern ist weiter. Auch wenn kein Mensch dem Song „Alter Ego“ auch nur einen Platz in der ersten Hälfte zutraut, sind sie doch meine heimliche Liebe heuer. Genauso freue ich mich natürlich über Russland mit „You Are The Only One“, obwohl der Finaleinzug von Sergei Lasarew nun wirklich niemanden überrascht hat.

Weiter gehts am Donnerstag mit dem zweiten und deutlich schwächeren Semi. Wenn die Buchmacher auch da so treffsicher sind, erwartet uns da ein Overkill an langweiligen Heulbojen. Spannend werden könnte nur, ob die Ex-Großmacht Irland die Qualifikation schafft: Nick Byrne steht mit seinem Song „Sunlight“ nämlich quotentechnisch ebenso an der Kippe wie Zoë heute.