Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Hardware und Software



Jolla: Gewitterwolken

2015 war bisher ein wechselvolles Jahr für Jolla: Auf der positiven Seite stehen die höchst erfolgreiche Crowdfunding-Initiative für das Jolla-Tablet, die Auszeichnung dieses Tablets als bestes Tablet des Mobile World Congress, die Veröffentlichung des runderneuerten Betriebssystems „Sailfish 2.0“, die Hardware-Partnerschaft mit Intex, ein Kooperationsvertrag mit SSH und eine Richtungsentscheidung der russischen Regierung für Sailfish OS als Alternative zu den US-amerikanisch dominierten Betriebssystemen Android und iOS.

Seit der Jahresmitte stehen die negativen Nachrichten allerdings im Vordergrund: Die Auslieferung des Tablets hat sich verzögert und läuft erst seit Oktober in kleinen (bzw. kleinsten) Tranchen. Die Mitbegründer, Gesichter und Seelen der Firma, Marc Dillon und Stefano Mosconi, haben das Unternehmen im September verlassen. Eine angekündigte Trennung in ein Software- und Hardware-Unternehmen fand nicht statt. Gestern nun ist die vorläufig letzte Bombe geplatzt und wurde heute per Presseaussendung bestätigt:

Jolla steckt in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten. Die für November vorgesehene Finanzierungsrunde konnte nicht abgeschlossen werden, Schulden aus 2014 wurden fällig gestellt, es fehlt an allen Ecken und Enden. Ich kenne das finnische Recht nicht, aber wenn ich die Presseaussendung richtig lese und übersetze, dann sind sie nicht einfach nur knapp bei Kasse, sondern mitten im Sanierungsverfahren. Im Dezember wird mit einem (wie es heißt: vorübergehenden) Stellenabbau begonnen. Gleichzeitig laufen die Bemühungen für eine Restrukturierung an.

Die Nachricht kommt insofern überraschend, als Jolla (im Gegensatz zu anderen Unternehmen der Branche) vom grundlegenden Konzept her als langfristig defizitäres, strategisch vielleicht irgendwann nützliches Unternehmen aufgestellt war. Niemand, der seit der Gründung im Jahr 2011 Geld in die Firma investiert hat, hat kurzfristig Gewinn erwartet. Einfach gedachte Erklärungsversuche wie „Die Verkäufe konnten die Kosten nicht decken“ greifen also nicht: Das war im Business-Plan nie vorgesehen. Zumindest nicht für 2015.

Mir fallen nur zwei Dinge auf, aus denen sich unter Umständen Erklärungen ableiten lassen:

Erstens natürlich das zeitliche Zusammentreffen der finanziellen Probleme mit dem Abgang der Vorstände Dillon und Mosconi. Kann sein, daß die beiden das Sinken des Schiffs vorhergesehen und sich rechtzeitig abgeseilt haben. Kann aber auch sein, daß man bei Jolla selbst erst im Sommer Probleme aufgedeckt hat, für die Dillon und Mosconi Verantwortung tragen. Daß ein Teil der nun fällig gestellten Forderungen gegen das Unternehmen zum Beispiel „vergessene“ Lohnnebenkosten betrifft, die schon 2014 abzuführen gewesen wären, kann auf Fehler in der Administration zurückzuführen sein.

Zweitens hat Jolla in den letzten zwei Jahren erstaunlich oft die grundlegende Unternehmensstrategie geändert und angeblich „fixe“ Partner verloren. Zuerst wollte man ja den chinesischen Markt bedienen - das Konzept der „Other Half“ geht auf den dortigen Wunsch nach Individualisierung zurück. Ein Vertriebsvertrag mit der chinesischen Kette D.Phone war angeblich unter Dach und Fach - verkauft wurde das Gerät dort aber nie. Später erfolgte dann der Schwenk auf regionale Lösungen mit Vertriebspartnern, denen Sailfish OS mehr Zugang zum Endkunden versprach als z.B. Android. In Indien soll diese Idee gemeinsam mit Intex realisiert werden - falls Intex jetzt noch dabei bleibt. Gleichzeitig wurde intensiv an der Ausrichtung als Betriebssystem für sicherheitsrelevante Anwendungen gearbeitet. Der Vertrag mit SSH und die Annäherung an die russische Regierung waren Ergebnisse dieser Strategie. Möglich, daß hier ein Schwenk zu viel war, daß zu viel Geld und Zeit in Konzepte investiert wurde, die ein halbes Jahr später nicht mehr erfolgversprechend erschienen.

Ich wünsch mir jedenfalls, daß sie's irgendwie doch noch dawurschteln. Es wäre einfach zu blöd, ausgerechnet jetzt zu „sterben“, wo der Höhepunkt der Entwicklung so greifbar scheint: die Verselbständigung des Betriebssystems, das erste fremde Handy mit Sailfish OS. Ich wünsche vor allem den von den Kündigungen betroffenen „Sailors“, daß sich alles zum Guten wendet. Einige von ihnen kenne ich ja entweder von online-Foren oder persönlich, die haben eine solide Karriere in diesem Geschäft redlich verdient.

Und wenns nix mehr wird: Fünf Jahre durchzuhalten, zwei Geräte rauszubringen, monatlich ein Update fürs Betriebssystem, das alles mit ca. 100 Mitarbeitern … auch das ist eine Leistung. Niemand hätte es für möglich gehalten, daß man mit so wenigen Mitarbeitern ein eigenes Betriebssystem, ein Handy, ein Tablet und eine Entwicklungsumgebung für Programmierer auf den Markt bingen kann. Das ist grundsätzlich mal nichts, wofür man sich schämen müßte.


Sailfish OS: Wie frei ist das Jolla Phone?

Sailfish OS: 19% proprietär, 81% freiDer Streit entbrennt immer wieder, seit es mobile Geräte auf Basis von GNU/Linux gibt: Wie frei ist das Betriebssystem wirklich? Wie viele offene Komponenten enthält es, wie viele Pakete stehen unter einer proprietären Lizenz? Ich kenne die Diskussion aus der Zeit der Nokia Tablets, ich kenne sie aus den Tagen der Maemo-Telefone von Nokia … und sie flammt auch jetzt in Bezug auf das Sailfish-Betriebssystem von Jolla immer wieder einmal auf.

Grundsätzlich wars mir bisher relativ egal: Persönlich steht für mich nicht im Vordergrund, wie viele Pakete unter einer freien Lizenz stehen. Mich interessiert, welche es sind, an welcher Stelle in System man also auf freie, wo auf proprietäre Elemente trifft. Bei Sailfish OS war das immer ziemlich einfach:

  • Die oberste Schicht, das User Interface und die Basisausstattung an Programmen, besteht aus einer Mischung beider Welten. Wo für Jolla eine Differenzierung geschäftsnotwendig ist, enthält die Benutzeroberfläche proprietären Code. Standardprogramme sind großteils aus rechtlichen Gründen nicht frei: Nicht alles wurde von Jolla selbst entwickelt. Hier „ganz oben“, im User Interface, kann ich geschlossenen Code tolerieren: Das ist so etwas wie die Glasur auf der Torte. Hübsch, aber nicht lebenswichtig.
  • In der mittleren Schicht, den Kernbestandteilen des Betriebssystems, findet man zu 100% freie Software. (Wobei man streiten kann, was alles zu dieser Schicht gehört: Jolla selbst zum Beispiel bezeichnet die Android-Emulation und die Synchronisation mit Microsoft Exchange als nicht-freie Bestandteile dieser mittleren Ebene; beide Pakete sind aber optional und müssen gar nicht installiert sein.) Das ist der Bereich, der für mich das Um und Auf ist. Hier findet sich alles, was der Computer - und ein Smartphone ist ein Computer - kann, inklusive aller Konfigurationsmöglichketen. Was Sailfish OS hier ausmacht ist nicht nur die freie Software auf dieser Ebene, sondern die freie Standardsoftware. Kaum etwas wurde extra zurechtgeschustert, überall findet man die aus dem Desktop-Bereich bekannten Standardlösungen.
  • Ganz unten ist der Teil des Betriebssystems, der an die Hardware andockt: der Linux-Kernel mit seinen Treibern und die für den Betrieb als Telefon notwendigen Systemelemente und Codecs. Dort findet man auch wieder eine Mischung verschiedenster Lizenzen: Zwar ist Linux, der Kernel, an sich natürlich freie Software. Der Hardware-Hersteller rückt den Quelltext für die Chip-Treiber aber nicht raus. Hier würde ich mir viel, viel mehr Offenheit wünschen - die gabs aber nie, da ist die Industrie einfach zu stark. (Tatsächlich muß man realistischerweise eingestehen, daß man auch im Desktop-Bereich gerade an der Schnittstelle zur Hardware immer wieder auf proprietäre Komponenten trifft.)

Jolla selbst hat auf der Sailfish-Homepage eine grafische Übersicht über die Lizenzsituation zusammengestellt.

Wenn mans jetzt aber doch genau wissen will - wie zählt man? Weils jetzt so früh finster wird, hab ich mir einen Moment Zeit genommen und bin nach folgender Methode vorgegangen:

Zuerst habe ich alle am Jolla Phone installierten Pakete mit Herkunft und Lizenz aufgelistet und in eine Datei geschrieben. Folgender Befehl macht das für mich:

rpm -qa --queryformat \
'%{name};%{distribution};%{license}\n' \
>> packages.csv

Am PC hab ich die CSV-Datei dann in LibreOffice importiert und zunächst alle Pakete gelöscht, die ich manuell aus dem Store oder von Openrepos.Net installiert habe. (Dabei war mir egal, ob die Programme von Jolla oder einem Drittanbieter stammen: Was optional und nicht Teil des Betriebssystems ist, fliegt raus.) Die restlichen Pakete hab ich dann, je nach Lizenzinformation, in „frei“ und „nicht frei“ eingeteilt … wobei ich mir, ganz gegen meine sonstige Art, eine tiefergehende Differenzierung zwischen „wirklich frei“ und „nur open source“ erspart habe.

Vom Ergebnis hab ich dann eine Pivot-Tabelle gezogen und siehe da: Nur 19% des Betriebssystems sind noch proprietär, die restlichen 81% tatsächlich frei. Bei den freien Lizenzen überwiegt die LGPLv2.1 mit ganz, ganz großem Vorsprung, danach kommt die GPLv2.

Natürlich ist die reine Paketzählung nur bedingt aussagekräftig: Eine quelloffener Browser wird hier genauso als ein Paket gezählt wie ein unfrei lizensiertes Hintergrundbild. Außerdem hab ich sicher auch das eine oder andere Programm mitgezählt, das ich selbst auf dubiose Weise installiert hab und das eigentlich nicht Teil des Betriebssystems ist. Bei insgesamt über 700 Paketen sollte das aber im Ergebnis keine Welten mehr bewegen: Sailfish ist frei! Zu etwa 80% jedenfalls … :)


Fairphone und Jolla

Zeitgleich mit der Early-Access-Release von Sailfish 2.0 kündigt die niederländische Firma Fairphone an, daß sie ihr für Dezember erwartetes zweites Gerät zumindest optional mit einer community version des Sailfish OS von Jolla ausstattet will.

Der Wunsch nach der Kombination Fairphone/Sailfish ist immer wieder von Kunden im Internet geäußert worden. Die Zielgruppen der beiden Unternehmen passen einfach auch recht gut zusammen. Ich bin schon neugierig, ob die angekündigte community version qualitativ und von der Popularität her über das hinausreichen wird, was bisher schon an Sailfish-Ports auf klassische Android-Hardware von Fremdherstellern zur Verfügung steht. Die Voraussetzungen sind gut: Diesmal sind es Techniker der beiden Hersteller selbst, die das Projekt vorantreiben.


Saimaa: Jollas Sailfish 2.0 jetzt auch „untenrum“

Sailfish 2.0 Saimaa Saimaa ist der größte See Finnlands. Er liegt etwa drei bis vier Autostunden nordöstlich von Helsiniki.

Saimaa ist auch der Codename der seit heute im „Early Access“-Programm verfügbaren Version 2.0.0 von Sailfish, dem Betriebssystem für mein Jolla Phone.

Allen Lesern wird aufgefallen sein, daß Jolla mit dieser Benennung eine alte Tradition bricht: Die Seen werden nicht mehr alphabetisch ausgesucht. Auf „E“ wie „Eineheminlampi“ folgt nun gleich „S“ wie „Saimaa“. Das mag damit zu tun haben, daß Saimaa den mit der Release 1.1.9 begonnenen Umbau zu „Sailfish 2.0“ nun endgültig abschließt und somit für Jolla etwas wirklich Großes ist. Da ist der Name des größten finnischen Sees gerade gut genug. :)

Mehr als 720 neue Features und/oder Fehlerbehebungen in 122 bereits vorhandenen und 3 neuen Paketen bringt Saimaa mit. Die meisten davon spielen sich „untenrum“ ab, also im technischen Unterbau des Systems. Den Großteil der im User Interface sichtbaren Neuerungen hatte die Vorgängerversion 1.1.9 ja bereits vorweggenommen. Prominente Ausnahme: Die vom Tablet her bekannten konfigurierbaren Kurzbefehle im Events Feed stehen mit Saimaa auch am Telefon zur Verfügung. Wegen des doch deutlich kleineren Bildschirms verstecken sie sich hier aber in einem Menü, das man erst herunterziehen muß.

Viel interessanter als das, was besser geworden ist, finde ich einige kleine Änderungen im User Interface seit Eineheminlampi, die in eine (aus meiner Sich) nicht so großartige Richtung laufen: Manche Dinge sehen am Jolla Phone plötzlich so aus wie auf jedem x-beliebigen Gerät mit iOS, Android oder Windows Phone. In der Liste der Accounts beispielsweise hat man bisher noch Jolla-typisch einfach irgendwie den Bildschirminhalt nach unten gezogen, um einen neuen Account hinzuzufügen. Eine Geste, die auch ein Grobmotoriker wie ich im gehen und mit dem Billa-Sackerl in der Hand zusammenbringt. Jetzt gibts stattdessen einen drögen Button unter der Liste mit einem Plus-Symbol. Den muß man erst mal treffen, wenn man das Telefon in einer Hand hält und dabei herumspaziert. Ich bin mir 100%ig sicher (werde es aber nie belegen können), daß diese Änderungen mit den neuen Partnern im Jolla-Ökosystem zusammenhängen. Wenn z.B. Intex in Zukunft Telefone mit Sailfish OS vertreibt, möchte es vielleicht - anders als die Jolla-Gründer - bewußt möglichst ähnlich zu den am Markt befindlichen Produkten werden, um sich Supportanfragen zu ersparen. Ich bin sehr gespannt, wohin die Reise in dieser Beziehung noch gehen wird.

Wie immer steht ein vorbildliches Changelog zu Saimaa online. Danke, Sailors! :)


Gnome 3.16

Noch ein Update! Nachdem gerade erst mein Jolla Phone ein neues Betriebssystem verpaßt bekommen hat, sieht nun auch mein Desktop-PC wieder leicht verändert aus: Meine Distribution Gentoo hat die von mir hauptsächlich verwendete Desktop-Umgebung Gnome in der Version 3.16 als stabil freigegeben, das Update hat sich also gestern Abend noch auf meiner Festplatte breitgemacht.

Als stabil freigegeben ist der wichtige Punkt im oberen Satz: Veröffentlicht wurde Gnome 3.16 bereits vor einem halben Jahr. Allerdings richtet sich so eine Veröffentlichung nicht in erster Linie an Endanwender, sondern an Distributionen. Diese müssen Abhängigkeiten auflösen, das System in ihrer speziellen Konfiguration testen und schließlich freigeben - was bei Gentoo eben erst jetzt passert ist. Aufgrund dieser langen Vorlaufzeit enthält Gnome 3.16 jetzt nichts, was mich wirklich überrascht. Man hat alles schon in den ersten Testberichten gelesen. Allerdings ist es ein Unterschied, ob man vom „optischen Feinschliff“ nur in einem Artikel liest oder ihn dann tatsächlich am eigenen Monitor erlebt. Kleine Details sowohl bei Animationen als auch bei der Darstellung helfen bei der Orientierung und machen den Desktop einfach freundlicher und übersichtlicher.

Ansonsten spielen sich die für den Benutzer sichbaren Änderungen eher innerhalb einzelner Basisprogramme ab. Der Bildbetrachter, das Kartenprogramm, der Dateimanager, die Virtualisierungsboxen … überall Neuerungen. Dazu kommt die Vorschau auf noch unfertige Programme, die künftige Versionen bereichern sollen. Systemweit ist für mich in erster Linie die optimierte Benachrichtigungsfunktion relevant.

Den Programmierern einfach glauben muß man, daß sich viele Änderungen unter der Haube abgespielt haben: So soll die Wayland-Unterstützung deutlich besser geworden sein, auch ins Toolkit GTK und in die Entwicklungswerkzeuge hat man neue Funktionen integriert.

Ganz klar zeigt die schrittweise Veränderung, wie konsequent die Gnome-Entwickler an ihrem Weg festhalten … und wie sehr sich das auszahlt. Waren die ersten Versionen der Gnome 3.x noch ein bißchen unrund und mehr eine Andeutung von Ideen, ist der Gnome Desktop heute einfach mein absoluter Liebling in der GNU/Linux-Welt. Vor allem im direkten Vergleich mit Ubuntus Unity auf meinem Laptop, das sich seit Jahren kaum verändert hat und wie eine Kreuzung aus Windows 95 und OSX aussieht, ist Gnome 3 eine wahre Erlösung. Gut gemacht! Ich freu mich auf 3.18. ;)


Sailfish 2.0: Eineheminlampi

Sailfish 2.0Eineheminlampi heißt ein See ca. 4 Autostunden nordöstlich von Helsinki. Eineheminlampi ist auch der Codename des neuesten Sailfish-Updates, das technisch die Versionsnummer 1.1.9 trägt, aufgrund der vielen tiefgreifenden Änderungen im User Interface aber vom Marketing bereits als „Sailfish 2.0“ bezeichnet wird. Jolla hat das lang erwartete Update heute für die Kunden im „Early Access“-Programm freigegeben. (Tatsächlich haben eine ganze Menge von Jolla-Usern schon letzte Woche damit geprahlt, daß sie über einen zwar inoffiziellen, mittlerweile aber recht gut dokumentierten Weg an Eineheminlampi herangekommen sind. Es gibt also bereits Berichte und Screenshots zu dieser Release.)

Das vorbildliche Changelog (mit Verweisen zu den jeweils relevanten Einträgen im öffentlichen MER-Bugzilla) listet diesmal über 2.000 Fehlerbehebungen und neue Features in 150 alten und 6 neu hinzugekommenen Paketen. Mein Jolla wirkt jetzt tatsächlich wie in völlig neues Handy. Nicht nur sind ganz essentielle Elemente des User Interface bei Sailfish 2.0 anders (und wenigstens großteils besser) als zuvor, es wirkt auch alles flüssiger und schneller. Das kann natürlich raffinierte Täuschung sein und an den schicken neuen Animationen liegen, die nicht mehr so sehr nach 2013 riechen. Vielleicht hat man die Möglichkeit der mit 1.1.7 erstmals eingeführten neuen Toolchain aber auch einfach gut ausgenutzt, um echte Geschwindigkeitsvorteile zu erzielen.

Das große Highlight sind natürlich die Veränderungen in der Benutzerführung. Die zu beschreiben ist aber schwer. Dafür sind die Videos besser geeignet, die sicher in den nächsten Tagen auftauchen werden. (Eine noch sehr frühe Preview-Version vom MWC zeigt dieses Video. Ebensfalls aus der Zeit vor der heutigen offiziellen Veröffentlichung stammt dieser Artikel.)

Für mich interessant sind der endlich deutlich sinnvoller gestaltete Event Screen, die lange versprochene Nutzung von Ambiences als „Profile“ (stumm, extralaut, normal, …), die Umstellung des bei Videoaufnahmen verwendeten Codecs auf H.264, überhaupt das Upgrade des gesamten GStreamer-Frameworks auf die Version 1.0 und der Zugriff von Android-Applikationen in das normale Sailfish-Benachrichtigungssystem (LEDs und Signaltöne).

Weniger gelungen (und online auch schon heftig kritisiert) ist die ohnehin vorab angekündigte Abkehr von den Wischgesten auf den aktive Covers. Statt für die Funktionen „Pause/Play“ bzw. „Nächstes Lied“ einfach über das Cover zu wischen, muß man nun die entsprechende Symbole wie kleine Buttons antippen. Das mag am größeren Tablet noch klappen, führt am Telefon aber zu Fehlbedienungen und widerspricht dem UI-Konzept. Begründet hat Jolla diesen Schritt damit, daß die horizontalen Wischgesten nun dem Wechsel zwischen Home- und Event-Screen vorbehalten sind. Das ist kein überzeugendes Argument: Niemand sagt, daß man ausgerechnet von einem Cover aus den Schirm nach rechts oder links ziehen muß. Von den Rändern aus ginge das genauso gut. Mal sehen, ob sich daran noch etwas ändert.

Wie gesagt - ich bin sehr zufrieden und habe eher das Gefühl, mir ein neues Telefon runtergeladen zu haben als nur ein Betriebssystem Update. Jolla hat die seltsame Versionsnummer (1.1.9 für eine „2.0“-Version?) damit begründet, daß Eineheminlampi erst die erste Hälfte der für „Sailfish 2.0“ ursprünglich geplanten Änderungen beinhaltet. Na dann … Es bleibt spannend! :)


c't über meine Jolla Tastatur

Dirk van LeersumIm renommierten Hardwaremagazin c't aus dem Haus Heise gibt's jetzt einen fünfseitigen Artikel über Dirk van Leersum und sein Abenteuer, eine crowdfinanzierte Hardware-Tastatur für das Jolla Phone zu bauen.

Fünf Seiten lang ist die Geschichte nicht nur wegen der Fotos und Grafiken, die sie auffrischen. Es ist die Schilderung der vielen Probleme und Rückschläge, die ihren Platz braucht. Probleme und Rückschläge, von denen ich bisher nichts wußte und die man dem fertigen Produkt auch nicht ansieht.

Mein Respekt vor Dirk, Kimmo und Andrew ist gerade nochmal ziemlich gestiegen.


Jolla findet drei Partner in Indien

Sailfish für Indien Wenn alles gut geht, kann Jolla im dritten Quartal 2015 zeigen, ob seine Idee vom „Betriebssystem für lokale Services“ aufgeht oder nicht. In einer heute veröffentlichten Pressemitteilung werden die Gerüchte der letzten Tage rund um Intex bestätigt. Gleichzeitig aber (und das ist viel wichtiger) steigen mit Snapdeal und Times Internet zwei zusätzliche Partner für Jolla in den Ring, die dem Sailfish-Ökosystem einiges an Gewicht verleihen können.

Intex, der Hardwarepartner, ist eine Art indisches Samsung und baut TV-Geräte, Waschmaschinen, Audio-Equipment, diverses IT-Zubehör und eben Smartphones. Es ist der zweitgrößte Smartphone-Hersteller des Subkontinents und konnte mit seiner auf Android basierenden Produktpalette etwa 10% Marktanteil erreichen. Der Jahresumsatz beträgt € 500 Millionen. Jolla hat sich also nicht unbedingt mit einem kleinen Start-Up ins Bett gelegt.

Wie die Hardware von Intex tatsächlich aussehen wird, steht nicht fest. Die Jolla Presseaussendung läßt vermuten, daß gleich mehrere Modelle in unterschiedlichen Preissegmenten angeboten werden. Angaben, die auf den in diesen Tagen auf dem MWC in Shanghai präsentierten Vorzeigegeräten von Intex basieren, sind aber ziemlich sicher falsch: Es handelt sich um Referenzgeräte von Jolla, die nur das Betriebssystem demonstrieren sollten. Was das Intex-Telefon wirklich kann, werden wir mit etwas Pech erst ab Oktober erfahren.

Wenig überraschend wieder mit an Bord ist Snapdeal, der größte Online-Händler Indiens. Auch das ist ein wirklich großer Partner: Amazon kann am indischen Markt mit Snapdeal nicht mithalten. Schon bisher waren Jolla und Snapdeal in einer engen Kooperation, Snapdeal hatte die exklusiven Vertriebsrechte für das Jolla Phone in Indien. Auf den neuen Intex-Modellen soll diese Rolle erweitert werden: Snapdeal bekommt einen Platz im sogenannten „Partner Space“. Diese Seite der Sailfish 2.0 Benutzeroberfläche ist Jollas zentraler Baustein auf dem Weg zur Weltherrschaft: (Vertriebs-)Partner sollen hier ihren direkten Kanal zum Kunden erhalten. (Tatsächlich ist dieses Konzept auch im derzeitigen Jolla Phone verbaut. Außer für eine Angry Birds Edition wurde es aber, soweit ich informiert bin, nie verwendet.)

Der letzte im Boot ist das Medienunternehmen Times Internet, das zur The Times of India Group gehört. Times Internet betreibt nicht nur eine Reihe von großteils unterhaltungs- und lifestyleorientierten Webportalen (wie Indiatimes), sondern auch ein soziales Netzwerk und den Musik-Streamingdienst Gaana. Zumindest die Integration von Gaana in den Partner-Space hat Times Internet in der Presseaussendung von Jolla in Aussicht gestellt.

Was mich persönlich an der Sache verwundert ist die Größe der Partner: Jolla mit seinen immer noch nur rund 100 Mitarbeitern hat drei Mitstreiter gefunden, die zu den größten des Landes gehören. Das alles spielt sich in einem Markt von über einer Milliarde potentiellen Konsumenten ab. Die EU, Jollas bisheriges Zielgebiet, ist nicht einmal halb so groß. Es wird also jetzt wirklich, wirklich ernst und ich bin sehr gespannt, ob die Idee aufgeht und die Intex-Geräte von den Konsumenten angenommen werden.


Jolla: Björnträsket

Sailfish 1.1.7 Björnträsket Björnträsket ist ein See etwa eine Autostunde östlich von Helsiniki. Sein schwedischer Name (der so etwas wie „Bärensumpf“ bedeuten soll) hängt wahrscheinlich mit der starken schwedischen Minderheit in Finnland zusammen.

Björnträsket ist auch der Name des neuesten Betriebssystem-Updates für mein Jolla Phone. Es trägt die Versionsnummer 1.1.7 und wurde heute im Rahmen des „Early Access“-Programms freigegeben.

Die unmittelbar sichtbaren Verbesserungen konzentrieren sich diesmal auf die Unterstützung für Android-Programme. Wie weit sie sich im System breit machen dürfen, kann nun in der Systemsteuerung individuell pro Programm geregelt werden. Daneben werden Verbesserungen bei Bluetooth Audio und beim Zertifikatsmanagement als Highlights genannt. Ebenso werden endlich verschiedene Layouts für Hardware-Tastaturen unterstützt.

Über 450 Verbesserungen in mehr als 100 Komponenten sorgen unter der Haube dafür, daß das Gesamtsystem wieder ein Stück runder und besser läuft. (Die eine oder andere Vorbereitung auf Sailfish 2.0 ist natürlich ebenfalls dabei.) Besonders hervorzuheben ist dabei das Update der Toolchain, das eine Neuinstallation von vielen Programmen auch dann erforderlich macht, wenn sich an ihnen ansonsten gar nichts geändert hat. Ein detailliertes Changelog gibt es auf TJC.

Daß Björnträsket ausgerechnet diese Woche erscheint, hängt mit Sicherheit auch mit dem Mobile World Congress in Shanghai zusammen, der heute eröffnet wurde. Jolla hat für diese Messe Neuigkeiten bezüglich des Sailfish Lizenzgeschäfts angekünigt; gerüchteweise ist der indische Hersteller Intex Jollas neuer Partner für den dortigen Markt, der doppelt so groß ist wie die EU. Wenn diese Gerüchte stimmen, soll das neue Gerät morgen präsentiert werden.


Jolla: Zellteilung

Während die kürzlich erst aufgekommenen Gerüchte über Sailfish am Yota Phone von Yota Devices vorsichtig relativiert werden, überrascht Jolla selbst heute mit einer folgenreichen Pressemitteilung:

Die ohnehin kleine Firma teilt sich. Jolla wird die Softwareentwicklung behalten, ein neu zu gründendes zweites Unternehmen führt die Hardwareproduktion fort - mit der Zielgruppe der besonders auf Sicherheit und Privatsphäre bedachten Kunden, heißt es. (Eine Information darüber, wie die beiden Firmen heißen werden und ob irgendeine Klammer sie organisatorisch verbinden wird, enthält die Aussendung nicht.)

Auch wenn die Ankündigung zunächst alle überrascht hat: Bei genauer Betrachtung erscheint der Schritt fast zwingend. Jolla bemüht sich um Hardware-Partner, die Sailfish OS auf ihren Geräten einsetzen. Es ist schwierig, das Vertrauen dieser Partner zu erlangen, wenn man gleichzeitig Konkurrenzprodukte auf den Markt bringt. Eine vom Gerätegeschäft unabhängige Softwarefirma steht diesbezüglich besser da.

Wenn ich die Presseaussendung richtig gelesen habe, soll es Ende nächster Woche weitere Infos zum Lizenzgeschäft geben. So lang halt ich durch. :)