Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Efgani Dönmez und die grünen Zombies

Rund eine Woche ist die Aufregung um eine angeblich rassistische Äußerung von Efgani Dönmez, dem grünen Bundesrat, jetzt alt. Eine gute Zeit, Bilanz zu ziehen. Eine gute Zeit deshalb, weil der eigentliche Anlaß für das Gezeter seit heute Geschichte ist: die pro-Erdoğan-Demonstration in Wien, deren Ankündigung Efgani Dönmez zum Anlaß für seine von den Parteikollegen wenig goutierten Äußerungen nahm, hat heute stattgefunden.

(Warnung: Wieder einer meiner langen und sehr gscheiten Texte. Wer zwischendurch frische Luft schnappen will, sollte dies beim Profil tun, und zwar mit dem komödiantischen Dialog Türkenbelagerung von Rainer Nikowitz.)

Mich interessiert die inhaltliche Ebene dabei nur am Rande. Pro- oder anti-Erdoğan, das will ich hier gar nicht diskutieren. Mir gehts darum, was die Grünen als Partei bei der ganzen Sache für eine Figur gemacht haben. Welche Positionen haben sie vertreten, wie nachvollziehbar argumentieren sie, wie offen ist die mittlerweile so verknöchert wirkende Partei für eine neue Diskussion?

Als Startpunkt der Betrachtung nochmal Dönmez’ ursprüngliche Aussage: Er bezeichnete die türkischen Kulturvereine und NGOs, die hinter der heutigen Demonstrationen stehen, als verlängerten politischen Arm Erdoğans. Sie würden versuchen, so Dönmez, in Österreich einen konservativen, politischen Islam salonfähig zu machen, der unseren demokratischen Grundwerten zuwiderlaufe. Niemand würde diesen Menschen eine Träne nachweinen, wenn sie Österreich verließen.

In nachfolgenden weiteren Interviews griff Dönmez allgemeiner und unabhängig von Erdoğan die Frage auf, ob und inwieweit das von diesen Vereinen vertretene und beworbene politische Modell mit unserer pluralistischen Demokratie vereinbar ist (er verneint das) und wie man mit dieser Situation denn umgehen soll.

So weit, so Dönmez. Das war das Gedankenfutter, das der oberösterreichische Grünpolitiker seinen Parteikollegen hingeworfen hat in der Hoffnung, sie würden sinnvolle Überlegungen dazu anstellen. Wollen wir uns die geistigen Ergüsse der grünen Elite ansehen? Wir wollen.

  • Eva Glawischnig-Piesczek ist die Chefin und muß daher so etwas wie der Schlaubi unter den Grünen sein. Ihr Kommentar: Dönmez’ Aussagen seien inakzeptabel und widersprächen Grünen Positionen. Glawischnig-Piesczek wörtlich: Ich erwarte mir von ihm eine Distanzierung. Das ist ja interessant. Glawischnig-Piesczek geht überhaupt nicht auf das Thema ein und sagt im Wesentlichen: „Darüber redet man nicht.“
  • Pointierter formuliert es Georg Prack, Landessprecher der Wiener Grünen. Der junge Mann ist bisher unter meinem Radar durchgeflogen, hat aber dank seines intellektuell hochwertigen Argumentationsstils gute Chancen, mein neuer Lieblingsgrüner zu werden: Fuck you, richtet er seinem Parteifreund kurz und knackig aus. Welche Position er damit genau zum Thema der Vereinbarkeit des politischen Islam mit westlich-demokratischen Grundwerten bezieht, bleibt für den durchschnittlichen Wähler unklar. (Übrigens: Von ihm hat Glawischnig-Piesczek keine Distanzierung verlangt, sein saftiges Fuck you findet sie auch nicht inakzeptabel. Soviel zum aktuellen Wertesystem der Grünen … so viel zu „Was darf ein zugewanderter Türke bei uns sagen, was geht bei einem ethnisch unverdächtigen Österreicher durch?“)
  • Was hält der Nachwuchs vom politischem Islam und seiner Verbreitung in Österreich? Wie diskutieren Junge Grüne, GRAS und GAJ das von Dönmez in den Ring geworfene Zukunftsthema? Auch die GRAS fordert die Grünen auf Dönmez auszuschließen und sich auf ihre Grundsätze zu besinnen! So jemand kann die Grünen nicht nach außen repräsentieren!, verweigert Victoria Spielmann die Diskussion. Irgendwie neben der Spur, aber Hauptsache empört ist Anita Fa von der GAJ Wien: Efgani Dönmez fiel bereits in der Vergangenheit durch sexistische und homophobe Aussagen auf, die in der Grünen Partei eigentlich nichts zu suchen haben. […] Daß ein Ausschluß aus der Partei nicht bereits passiert ist, ist bedauernswert und zeigt, dass sexistisches und homophobes Gedankengut noch immer Platz bei den Grünen hat. - Ja, Frau Fa will offenbar irgendwie mitspielen, hat aber das Thema nicht begriffen. Wie wärs mit „Sexismus und Homophobie im konservativ-politischen Islam“? Anyway. Auch bei den Kids keine Bereitschaft, auf das Thema einzugehen.
  • Er muss sich vollinhaltlich von seiner Aussage distanzieren, fordert Maria Buchmayr, die grüne Landessprecherin in Dönmez’ politischer Heimat Oberösterreich. Mehr hat die Frau nicht zu sagen. Paßt somit eh gut in ein konservatives Werteschema.
  • Pilz for the rescue! Peter Pilz beweist als erster (mittlerweile aber nicht mehr als einziger) Grünpolitiker Hirn und nutzt es auch. Er bezieht sich wieder auf den Anlaß der Debatte - die heutige Demonstration. Dazu meint er, man solle sich bei den Staatsbürgerschaftsverfahren das Engagement heimischer Erdoğan-Sympathisanten sehr genau ansehen und bei einem Entscheid berücksichtigen - weil die Anhänger des türkischen Premiers, in ihrer Heimat ja die Unterdrückung der Demokratie fördern wollen. Das ist gar nicht so weit hergeholt, wie es zunächst klingt. Das Staatsbürgerschaftsgesetz fomuliert: Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden […] nur verliehen werden, wenn […] er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist. Auch der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser kann Dönmez’ Diskussionsanregung etwas abgewinnen. Er will über autoritäre und extreme Tendenzen unter Migranten diskutieren können - und zwar genauso wie die Grünen das stets auch bei Österreichern mit zweifelhaftem Gedankengut machen. Na also, geht doch!

Bleibt die Frage: Warum sieht die Bilanz so negativ aus? Warum haben anscheinend nur Pilz und Steinhauser das Thema überhaupt aufgenommen und sind bereit, es zu diskutieren? Die Antwort könnte in einem genialen, unbedingt lesenswerten Artikel liegen, den Walter Wippersberg auf dasfaschblatt.at veröffentlicht hat. Er schließ mit den Worten:

Freilich kommen die „Anregungen“ von Efgani Dönmez und Peter Pilz zu ungünstiger Zeit. Die Grünen haben gerade einen Wellness-Wahlkampf gestartet, und sie müssen sich - ja ja, ich weiß! - vor allem auch um die Radlfahrer kümmern. Da paßt halt die Diskussion eines demokratiepolitisch wichtigen Themas so gar nicht recht dazu. Also überläßt man es wieder einmal den schrecklichen Vereinfachern rechts außen.

Wahre Worte, gelassen ausgesprochen. Genau das ist es. Ich würds nur vom Wahlkampf lösen und den Grünen als generelle Diagnose stellen: Sie laufen wie Zombies durch die aktuelle Politik, gefangen in kaum noch erinnerbaren Träumen aus der Zeit vor ihrem Tod, unfähig, neue Ideen zu entwickeln oder Themen aufzugreifen. Wenn sie jemanden innerhalb ihrer Reihen als Lebenden identifizieren, weil er etwas tagespolitisch Brisantes und Wichtiges aufs Tapet bringt, fletschen sie die Zähne und wanken mit ausgestreckten blutigen Fingern auf ihn zu … Es wäre langsam hoch an der Zeit, diesen kalten Hirntod zu überwinden.

Ach ja, mein traditioneller Gruß an die Zombies, Diskussionsverweigerer, Märchenwaldbewohner, versteinerten Politiker_innen von gestern, insbesondere an den geschätzten Herrn Prack:

Fuck You!

 
Hase II (Gast) meinte am :
Kolumne
Schon mal daran Gedacht, deine Gedankenexperimente an ein Magazin wie das Profil zu schicken? Ich bin sicher, da könntest du noch ein schönes Körbelgeld nebenbei verdienen. :-) Diese Zusammenfassung bringt es wirklich gut auf den Punkt: Wahlkampf ist … und so wie die Rechten mit Stammtischparolen ihre Wählerschickt einzufangen versuchen, müssen natürlich auch die LInken mit "Friede, Freude, Eierkuchen"-Parolen ihre Wähler ködern. Da passt so eine Diskussion einfach nicht ins Konzept. Und als Wähler wird es immer schwieriger, sich zu entscheiden. Wie gut sind eigentlich die NEOS? *gg* 
ossi1967 antwortete am :
NEOS, Profil, Wahlkampf,...

Profil … Ich weiß nicht. Eine Zeitung sucht sich ihre Kommentatoren ja nicht deswegen aus, weil sie was extrem Schlaues zu sagen haben (so wie ich), sondern weil sie als Personen bekannt sind. Sprich: Man kriegt eine Kolumne, wenn man ein Selbstvermarkter ist und schon einen bekannten Namen mitbringt. Und davor grausts mir, so tief will ich nicht sinken.

NEOS? Weiß ich erst recht nicht. Stellenweis klingen die Ansätze im Programm ja recht OK, andererseits … das tun sie bei den Grünen auch. (Oder hätt man nach dem Lesen des grünen Parteiprogramms vermuten können, daß sie Erdoğan unterstützen und eine Diskussion über Grundwerte der Demokratie per „Fuck You!“ abwürgen?). Der Unterschied ist, daß bei den Grünen die Dodln schon im Rampenlicht stehen und bekannt sind, die aus den guten Absichten oft schlechte Politik machen. Bei den NEOS siehst halt jetzt mal nur die guten Absichten. Wenn man sich aber (und ich weiß, jetzt werd ich oberflächlich) die Fotos der Typ_innen (die NEOS verwenden den Tunten_Underscore) auf ihrer Homepage anschaut, wird einem anders. Junge ÖVP reloaded, sag ich nur. Da können sie mir 100x von mehr Europa und besserer Bildungspolitik und so die Ohren vollsäuseln … (sagt eigentlich irgendeine Partei, sie will schlechtere Bildungspolitik?) - In der Realität werden sich diese Leute dann auch dran messen müssen, wie sie zu Dingen stehen, die sie nicht explizit im Parteiprogramm festgehalten haben. Und allein wenn ich mir deren Lebensläufe durchles: Ich bezweifle, ob sinnvolle Vermögenssteuern und eine Verminderung der systembedingten Umverteilung von unten nach oben mit denen drin ist. Eher im Gegenteil: Wenn solche Typ_innen was von „Leistungsträgern“ schreiben, weiß man eh schon, was es geschlagen hat. Eher Finger weg also.

Wahlkampf ist ja sowieso unnötig. Wer extra erst eingeladen und überzeugt werden muß, hat sein Wahlrecht in meinen Augen eh schon verspielt. Die Leut hatten 5 Jahre Zeit, sich eine Meinung zu bilden. Wenn sie das jetzt aufgrund irgendwelcher Plakate und Kugelschreiber tun (oder überhaupt erst wenigige Stunden vor der Wahl „ausm Bauch heraus“), dann gehören sie vom demokratischen Prozess ausgeschlossen.

 
Deep_Blue meinte am :
Auf den Punkt
Hase II hat es schon auf den Punkt gebracht.

Die sehen jetzt ihre Chance an den Futtertrog zu kommen und sich ihre Taschen voll zu stopfen.
Und dafür schmeisst man schon mal seine Prinzipien über Bord.

Ist übrigens bei jeder Partei so, die Gier ist die stärkere Macht :-) 
Hase II (Gast) antwortete am :
Und wenn die Futtertröge erreicht sind ...
... dann malen wir alle Straßen, Gehsteige und Radwege mit Fingerfarben an, helfen den Salafisten beim Klöppeln von Ganzkörperschleiern und verabschieden uns in einem Gemeinschaftsritual bei einem "Loslassen leicht gemacht"-Seminar von den Grundwerten unserer Gesellschaft. Na jo ... 
ossi1967 antwortete am :
LOL

Ich seh diesen Text schon auf einer Bühne … :)

Wobei das mit dem Anmalen der Staßen ja wirklich ein Sündenfall der Wiener Grünen war. Auf sachlicher Ebene kann man sich drüber streiten, obs nur irgendeine unnötige Aktion war oder eine ganz besonders teure und unnötige. Aber so auf der Meta-Ebene wars doch der Punkt, an dem sie für jeden sichtbar von der ernsthaften Sachpolitik in den inhaltsleeren Aktionismus abgeglitten sind. Nach dem Motto: „Ich war schon zu lang nicht mehr in der Zeitung, schnell, was könnt ma denn machen heut?“

Peinlich.

 
Hase II (Gast) antwortete am :
Rot
sind ja jetzt schon einige Radabschnitt (z.B. am Ring, dort wo der Radweg die Nebenfahrbahn kreuzt). Das finde ich auch gut und sinnvoll, weil es die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auf eine potentiellen Gefahrenstelle lenken soll. Deswegen gleich ALLE Radwege ausgerechnet GRÜN einzufärben, ist wohl - wie du sagt - eine reine Medien-Verarsche nach dem Motto: Wir brauchatn wieder amoi a Headline … Und die Medien steigen auch prompt drauf ein. Auch eine eigene Betrachtung wert.

Das Grundthema bei der Wahlentscheidung bleibt ja trotzdem: Bleibe ich zu Hause oder wähle ich einfach das geringste Übel?? Mittlerweile müsste man sich ja noch dazu die Frage stellen: Wer von den Politikern macht am wenigsten kaputt? Visionen und Ideen sucht man ja vergebens. Und wie Format berichtet, ist die Fortführung der GroKo ja eh schon beschlossene Sache. Die Roten bekommen endlich den EU-Kommissar, dafür die Schwarzen der ORF Generaldirektor. Dass die Grünen darüber so irritiert sind, dass sie an der Realität vorbei diskutieren, wundert mich da eh nicht :-) 
ossi1967 antwortete am :
Nicht wählen ist eine Blankounterschrift

Nicht wählen (oder weiß wählen) geht schon mal gar nicht. Das ist sowas wie eine Blankounterschrift, die dann jede Partei nach Belieben verwenden kann. Natürlich gehts im Moment nur mehr nach der Taktik des geringsten Übels. Man muß sich einfach ansehen, wen oder was man nicht will … und dann halt den Rest unterstützen. :(

(Wobei ich ja auch zugeben muß: Es ist ja auch nicht alles schlecht. Die Straßenbemalung find ich nur peinlich, aber z.B. die Umsetzung der Kurzparkzonen war eine gute Sache. Die ganzen weltfremden Koruns und Glawischnig-Piesczeks bei den Grün_innen sind a pain in the ass, das stimmt. Aber sachpolitisch brauch ich nicht lang überlegen, wenn ich zwischen einer ÖVP oder den Grünen wählen muß. Internet-Services wie wahlkabine.at helfen auch immer wieder bei der Entscheidung - siehe dieser ausführliche Fred mit Ergebnissen der ganzen Blogprominenz. *gg*)