Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

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Putsch

Nur mal so spekuliert: Wenn ich eine Regierung gewaltsam stürzen will, was mach ich dann? Ich sehe zu, daß ich möglichst alle Machthaber an einem Ort, möglichst in einem Raum erwische. In Österreich würde sich der Ministerrat anbieten. Dann sorge ich dafür, daß sie nicht mehr handlungsfähig sind und sich vor allem nicht mehr über Medien an ihre Wähler wenden können. Bis dahin hat die Öffentlichkeit noch kaum etwas mitbekommen.

Erst dann gehe ich auf die Straße, besetze Verkehrsknotenpunkte und bringe die wichtigsten Redaktionen des Landes unter meine Kontrolle, damit die Bevölkerung in meinem Sinn informiert wird.

So. Wie macht das nun - angeblich - das türkische Militär? Zu einem Zeitpunkt, an dem die politische Elite des Landes im Urlaub oder im Bett weilt, sperren die Militärs ohne erkennbares Ziel die wichtigsten Brücken İstanbuls (nicht etwa die Straßen Ankaras!) und lassen Kampfjets im Tiefflug über die Stadt brausen. Innerhalb weniger Minuten schlucken Nachrichtensender aus aller Welt den Köder und berichten live: „Putsch in der Türkei!“

Interessanterweise legen es die angeblichen Putschisten nicht einen Moment darauf an, die aktuellen Machthaber festzunehmen. Erdoğan urlaubt in Bodrum, wo sich kein Putschist blicken läßt. Sein Europaminister Ömer Çelik hat ungehinderten Zugang zu den Massenmedien und verkündet, die Lage sei unter Kontrolle. Ein paar junge Buben in Soldatenuniform müssen am Taksim-Platz in İstanbul stehen und sich von Passanten beschimpfen und schlagen lassen. Zwar schießt man pro forma auf das Parlamentsgebäude - das steht aber am Freitag in der Nacht leer.

Wäre dieser Grad von Dilettantismus den österreichischen Streitkräften passiert, man hätte es auf mangelnde Erfahrung in solchen Dingen schieben können. Diese Ausrede haben die Militärs in der Türkei nicht. Die wissen eigentlich, wie man eine Regierung los wird.

Was macht Erdoğan? Er spricht vom Putschversuch als einem Geschenk Gottes. Eine politische Säuberungswelle rollt nur Stunden nach dem angeblichen Putsch durch das Land: Ein Fünftel aller Richter wurde abgesetzt. Mitglieder des „Hohen Rats“ wurden verhaftet. Die Armee wurde politisch gesäubert. Und das ist erst der Anfang: So wird seit heute über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert. Eigentlich kommt das alles wirklich sehr gelegen für den türkischen Präsidenten und erinnert in fataler Weise an den Reichstagsbrand von 1933.

Die Frage „Cui bono?“ ist also relativ schnell beantwortet. Bleibt die Frage: Warum jetzt? Erdoğan hat ein großes Ziel, das in westlichen Medien kaum thematisiert wird, das seine türkischen Anhänger aber wie ein Mantra vor sich her tragen: 2023. Im Jahr 2023 sollen die Errungenschaften des AKP-Regimes für alle Zeiten unumkehrbar geworden sein. Zur 100-Jahr-Feier der einst laizistischen Republik soll eine Generation das Ruder in der Hand halten, die bereits zu 100% im Sinne des Führers erzogen wurde. Erdoğans Schulen, seine Massenmedien, seine Justiz, sein politisches System sollen bis dahin Menschen geformt haben, die seine Ideale verinnerlicht haben und an die nächste Generation weitergeben werden. Ein Wechsel der politischen Richtung soll unmöglich werden, selbst wenn eine Demokratie auf dem Papier bestehen bleibt.

Erdoğan hat viel erreicht auf dem Weg dorthin. Wer mit seinen Anhängern spricht erkennt schnell, in welcher perfekten Inszenierung sie leben. Wenn man sich in der abgeschotteten Informationsblase seiner Fans befindet, dann kann man nicht anders, als Erdoğan zu verehren, ja zu lieben. (Das ist eine der Gemeinsamkeiten zwischen Strache und Erdoğan.) Allerdings fehlt ein entscheidender Baustein, der die Macht sichert: die Verfassungsänderung. Die letzten Wahlergebnisse haben nicht ausgereicht, um diese Änderung im Staatssystem nach dem vom Präsidenten gewünschten Fahrplan umsetzen zu können.

Dabei wird die Zeit knapp, und das nicht nur deshalb, weil das Zieljahr näher rückt: Die Wirtschaft der Türkei ist eine einzige Blase. Hohe Schulden bei Unternehmen und Privathaushalten, eines der höchsten Leistungsbilanzdefizite der Welt, künstlich niedrig gehaltene Zinsen, eine Immobilienblase, … Dazu steigendes Mißtrauen der internationalen Geldgeber, die ihr Kapital langsam abzuziehen beginnen … Erdoğans für uns oft unverständliche Popularität gründet sich zu einem nicht unerheblichen Teil auf den enormen wirtschaftlichen Aufschwung, den das Land unter seiner Führung anscheinend genommen hat. Die moderne Infrastruktur, die neuen Einkaufszentren, ein relativer Wohlstand, das sind die Dinge, die auch weniger religiöse und weniger konservative Wähler im Zweifel für die AKP stimmen lassen. Ein Zitat aus der „Zeit“:

Seit Erdoğans Amtsantritt als Premier im Jahr 2003 hat sich das Pro-Kopf-Einkommen der Türken fast verdreifacht, eine neue, kapitalismusgläubige Mittelklasse kam zu unverhofftem Wohlstand. Die Bürger bezogen neue Häuser in Siedlungen mit Zaun und Schlagbaum. Sie speisten in den Bosporus-Restaurants, die besten Fisch, aber keinen Alkohol mehr servierten. Konsum – oft auf Kredit – wurde eine Säule der Wirtschaft. Die Türkei hatte vor einigen Jahren mit fast neun Prozent eine der höchsten Wachstumsraten der Welt. Der Wohlstand war ein Hauptgrund dafür, dass Erdoğan Wahlen gewann.

Das Fundament von Erdoğans Macht, die Wirtschaft, bekommt nun aber immer deutlicher sichtbare Risse. Die beispiellose Überschuldung der Privathaushalte und Firmen läßt sich nur durch eine vom Präsidenten selbst erzwungene Niedrigzinspolitik unter Kontrolle halten. Die Arbeitslosigkeit bei den unter 30jährigen liegt bei etwa einem Drittel. Erdoğan muß damit rechnen, daß ihm das Faß unterm Hintern explodiert - und zwar noch vor 2023. Dann wäre seine Popularität mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausreichend für einen weiteren Wahlsieg und die letzten Schritte, die ihm zu seinem Traum von der Unumkehrbarkeit der Islamischen Republik noch fehlen.

Erdoğan muß also einen Zahn zulegen. Er muß jetzt etwas unternehmen. Er muß Dinge tun, für die ihm erst das nach einer Verfassungsänderung angestrebte Präsidialsystem die Macht gegeben hätte. Die Säuberung von Justiz und Militär gehört dazu. Wie praktisch, daß der Putsch ihm freie Hand gibt dafür.


Nächtliche Demonstrantionen

Faschistisches Symbol bei Demonstration von Türken in WienWährend es der Türkei in der Nacht von gestern auf heute einen angeblichen „Putsch“ gab, ist die Wiener Polizei wieder einmal vor einer großen Herausforderung gestanden. Die Entscheidung lautete: „Wie gehe ich mit einer Großdemonstration um? Stelle ich mich schützend vor sie und geleite sie auf einer möglichst langen Route durch Wien? Oder prügle ich die Teilnehmer nieder und setze Pfefferspray ein?“

Sehen wir uns mögliche Entscheidungsgrundlagen an:

  • Wie ist die Demo politisch einzuordnen? Links? Rechts? Nationalistisch? Antifaschistisch? Gegen das Großkapital oder gegen Ausländer? In diesem Fall handelte es sich um eine Demonstration, auf der nationalistische Spruchbänder und faschistische Symbole gezeigt wurden.
  • Ist die Demo angemeldet? Nein, sie war es nicht.
  • Um welche Uhrzeit findet die Demo statt? Von kurz vor Mitternacht bis drei Uhr Früh.
  • Gibt es bei der Demonstration Aspekte, die unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung besonders erwähnenswert sind? Ja, der Demonstrationszug führt direkt beim Parlament vorbei, die Demonstranten rufen dort demokratiefeindliche Parolen.

Wir haben also eine unangemeldete nationalistisch-faschistische Demonstration zu nachtschlafener Stunde mitten in Wien. Dann ist die Entscheidung für die Wiener Polizei klar: Während die nämlich genehmigte Demonstrationen aus der linken Ecke der politischen Landschaft gerne mal mit Pfefferspray und Prügeln auseinandertreibt, ist sie bei Demonstranten aus der rechten Szene stets bemüht, ihnen eine möglichst große Bühne frei von jedweder Störung zu bieten. Das war so beim nächtlichen Aufmarsch der Identitären Stiefeltrupps in Wien, und das war auch gestern wieder so bei ihren türkischen Brüdern im Geiste.

Ich äußere ja öfter mal meine Faszination darüber, daß keiner die inhaltlichen Parallelen zwischen den rechtsextremen Strömungen unterschiedlichster Kulturkreise sieht. (Am wenigsten die leicht eingeschränkten Anhänger dieser Strömungen selbst.) Ich muß diese Aussage relativieren: Die Wiener Polizei erkennt ihre Freunde unabhängig von der Herkunft. Wer seine Hand zum faschistischen Gruß streckt, der wird geschützt - unabhängig davon, ob die Fahne dazu die deutsche oder die türkische ist.


Geburtstag, wieder einmal

Alien Die Geburtstagsfeierlichkeiten gehen weiter. „Come Together“ mit Marillenknödeln. Eigentlich hätte dieses Wochenende ihren Abschluß darstellen sollen … wahrscheinlich aber werden sie bis August verlängert. :)

Das Tier hat im Garten eine Wurfhöhle gegraben. Die war zeitweise so groß, daß der ganze Hund reingepaßt hat. Jetzt liefert sie sich mit meinen Eltern einen Zweikampf: Die Menschen graben das Loch zu, sie gräbt es wieder auf. Die Menschen legen Platten drauf, sie schiebt die Platten beiseite. Die Menschen legen zusätzlich zu den Platten ein Gitter drauf, sie verbiegt es. Bisher hat sie jede Schlacht gewonnen und ist mit dreckverschmierter Schnauze, aber stolz erhobenem Schwanz zurück ins Haus getrabt (Ätsch!). Wenn der Hormonspiegel des kleinen Mistviechs nicht langsam wieder runtergeht, ist sie in 2-3 Wochen beim Nachbarn. (Sie gräbt direkt an der Grundstücksgrenze.)

Zwischendurch bekommt sie heftige Kuschelanfälle und will unbedingt wieder 4kg-Welpe spielen: auf meinem Schoß liegen, den Kopf am Tisch, die Pfoten auf meinem Unterarm (den ich natürlich in der richtigen Position halten muß) … Die Szene, die hier am Foto festgehalten ist, hat ursprünglich aus meiner Sicht recht süß und possierlich gewirkt. Erst am Bild erkenne ich: Das sieht aus, als würde mir ein Alien seine Nachkommen in die Speiseröhre schieben. Naja, mein Gott. Solang sie sich streicheln läßt dabei. ;)

Heiß isses und kein Lüfterl regt sich. Da zieht man sich gern mal zurück und kümmert sich ums Blog. :)


Brexit: Kollektive Fahrerflucht

Nigel Farage Wenn jemand einen Autounfall verursacht und sich nachher feige aus dem Staub macht, nennt man das Fahrerflucht. Die Briten erleben das gerade auf ihrer politischen Bühne, wo die Brexit-Truppe nach dem von ihnen herbeigeführten, aber keinesfalls gewollten Austrittsvotum fluchtartig den Schauplatz verläßt:
  • David Cameron, Initiator der Volksbefragung, hat gleich am Tag nach dem Referendum seinen Rücktritt angekündigt.
  • Boris Johnson, als Camerons wahrscheinlichster Nachfolger gehandelt und prominentester Vertreter der Brexit-Kampagne, hat ausdrücklich auf die Kandidatur als Premierminister verzichtet. Er will mit den realpolitischen Folgen des von ihm herbeigeführten Brexit nichts zu tun haben.
  • Neu im Bunde: Nigel Farage, die personifizierte Anti-EU-Kampagne schlechthin, tritt ebenfalls zurück. Die EU als Sündenbock aufzubauen und die so erzeugte EU-Feindlichkeit als Steigbügel für seine persönliche Karriere zu mißbrauchen, das konnte er. Den Austritt des Vereinigten Königreichs tatsächlich politisch mitzugestalten und vor der nächsten Generation zu verantworten - nein, danke, da macht er sich lieber aus dem Staub.

Man muß sich das vorstellen: Es gibt eine Volksbefragung, in der sich beide Seiten auf derbste Art und Weise befetzen und die schließlich sogar ein Todesopfer auf Seiten der EU-Befürworter fordert. Die Befragung geht zugunsten des Brexit-Lagers aus … und statt das Votum nun (wie versprochen) rasch in die Tat umzusetzen, ziehen wichtigsten Protagonisten genau dieses Lagers der Reihe nach den Schwanz ein und beenden ihre politischen Karrieren. Ich würd mich als jemand, der auf deren Propaganda reingefallen ist, schon sehr wundern.

Ganz so neu ist das für uns Österreicher ja nicht: Auch wir sind schon einmal auf eine billige Populistentruppe hereingefallen und haben sie in die Regierung gewählt. Das war damals die FPÖ. Damals hat sich das gleiche Theater abgespielt: Kaum waren die Machtphantasien der Populisten befriedigt, wußten sie nicht mehr, was sie eigentlich wollten … Die Partei zerbröselte innerhalb kürzester Zeit, Haider mußte eine künstliche Partei auf dem Reißbrett entwerfen, um noch irgendwie handlungsfähig zu bleiben.

Das Problem ist: Zwar wiederholt sich die Geschichte laufend. Die Leut lernen aber nichts draus.


Pizzaaaa!

Die Casa Piccola war wieder mal dran. Conny, Daniel und eine Capricciosa. (Aber ohne Sardellen bitte. Und statt Schinken hätt ich gern Salami.)

Ich kann sagen: Sechs Packerl Hallorén sehen bedrohlich aus, wenn man sie aufeinanderstapelt. Da spürt man die Herausforderung. Conny hat nämlich wieder zugeschlagen und uns nicht nur (liebenswürdigerweise) Papiertaschentücher, sondern auch unsere Lieblingsschweinerei aus Deutschlands ältester Schokoladenfabrik mitgebracht, noch dazu in der exotischen Sommer-Edition. Mjamm!

Außerdem gabs ein liebes Extra als Erinnerung an das hier. Bezaubernd, wie wir aussehen!

Die Gesprächsthemen waren diesmal besonders vielfältig und einfallsreich, find ich. Klimaanlagen, Campingurlaube, Schlafwagenschaffner, Basti und der Kronprinz, Fledermäuse, Bullshit Bingo, Re-Organisationen, Du trinkst zu wenig, Katzenelektronik, handwerkliche Arbeiten in Haus und Hof (mit Sonnenbrand), Hunde in Erdlöchern und auf Ministerialräten, Uber, Dreharbeiten zu Fernsehkrimis, Türkçe öğrenmek, Binge Watching, dreckige Polo-Shirts, Zeugen Jehovas und Connys neu erwachtes Interesse an christlichem Liedgut … ich weiß gar nicht, wie uns an nur einem Abend ein so bunter Strauß an Themen überhaupt einfallen konnte. (Einen Teil davon haben wir bebildert, quasi als Diavortrag abgehandelt. So richtig multimedial.)

Ein einziges Mal war kurzes Schweigen am Tisch. Das war, wie Daniel die Fußball-EM aufs Tapet bringen wollte. Nach einem kurzen Moment der Irritation gings aber auch da weiter: Der isländische Tormann Hannes Halldórsson hat den Videoclip zum Isländischen Song-Contest-Beitrag 2012 gedreht. Außerdem hat er an „A Boy Like Her“ mitgearbeitet (einer Dokumentation über einen transsexuellen Jungen) und den Spielfilm „Leynilögga“ über zwei schwule Polizisten gedreht. Na also, das Gespräch war wieder am Laufen. ;)

Wir hatten also einen sehr unterhaltsamen Abend mit sehr feiner Pizza. Und jetzt müssen wir Hallorén vernichten. ;)


Geburtstagspäckchen abholen

Naturhistorisches Museum Eine freundliche junge Dame drückt mir ein weiteres Geburtstagsgeschenk in die Hand. Zuvor will sie meinen Ausweis sehen, danach überfällt sich mich mit einer Kamera und macht unvorbereitet ein Foto von mir. (Das kommt in die Hall of Shame: Es hat 32°, ich bin schweißüberströmt und hab noch das verknitterte Hemd von gestern an … Wie kann sie nur!)

Zum Trost hab ich mich gleich danach mit dem neuen Ding „gespielt“ und mich ins klimatisierte Kino gesetzt. (Sie nennen es dort „Planetarium“. Soweit ich mitbekommen habe, gibt es aber keine einzige Vorführung, die diesen Namen rechtfertigt. *gg*)

Das Geschenk war eine Jahreskarte fürs Naturhistorische Museum - und als Geschenkidee ziemlich genial. Nicht nur, daß der kleine Shelly in mir natürlich ganz begeistert ist von der Evolution des Menschen, von Meteoriteneinschlägen, von der Venus von Willendorf und ihrer Freundin Fanny. Das NHM liegt auch am Schnittpunkt meiner innerstädtischen Reiserouten, ein kurzer Abstecher dorthin ist also immer drin. Dazu kommt: Ich bin kein „Heute Nachmittag geh ich ins Museum und schau mir alles an“-Typ. Nach spätestens 20 Minuten hab ich nämlich Entenfüße und will wieder raus. Für diese 20 Minuten sind mir die € 10,- Eintritt zu viel, vor allem dann, wenn ich sie heute fürs Planetarium, morgen für die Stammzellen und am Tag darauf für die Steinzeitmenschen zahlen müßte.

So aber: Eis essen auf der Mahü, runter zur U2 und quasi ein Mammut streicheln, während ich auf die U-Bahn warte. Das ist durchaus eine feine Sache. Herzlichen Dank dafür! :)


Juhu, wir wählen wieder

Wir wählen wieder. Zwei Bundespräsidentenwahlen in einem Jahr sind einfach zu wenig. Man muß die Demokratie schon wirklich auskosten, wenn man schon Zeit Gelegenheit dazu hat. :)

Ob man sich drüber freuen freuen soll? Das hängt davon ab, ob man die Frage an das Herz oder an den Verstand richtet:

Der Verstand sagt: Rechtsstaatliche Bedenken dürfen nicht leichtfertig beiseite gewischt werden, nur weil die Verletzung von Formalvorschriften in diesem einen Fall ohnehin keine konkreten Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatten. Es ist überdies wichtig, daß das von den Freiheitlichen so sehr in den Dreck gezogene politische System der zweiten Republik Stärke zeigt, indem es einfach funktioniert. Vor allem die Kritik des VfGH an der Praxis der vorzeitigen Veröffentlichung von Wahlergebnissen ist ein für mich persönlich sehr befriedigender Aspekt der Entscheidung. Es war geradezu beschämend, wie in den letzten Jahren bereits Stunden vor Wahlschluß großteils richtige Ergebnisse über SMS, Twitter und sonstige Kanäle verteilt wurden in der Absicht, Menschen bei schlechtem Abschneiden „ihrer“ Partei nochmal besonders zur Stimmabgabe zu motivieren.

Es gibt einen Punkt, in dem mein Verstand mit den Ausführungen der Verfassungsrichter nicht einverstanden ist: Das System der Briefwahl an sich findet der VfGH nicht bedenklich. In dieser Frage würde ich die Truppe um Gerhart Holzinger gern nochmal etwas besser informieren und aufklären. :)

Das Herz sagt natürlich: Himmel noch eins! Die Stichwahl im Mai war wie das Frankenburger Würfelspiel. Dieses Land ist gerade nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Eine Wiederholung wird an der grundsätzlichen Ausgangslage von 50:50 nichts ändern. Obs wieder Van der Bellen wird oder ob diesmal Hofer die Nase vorn hat, das wird dann von vielen kleinen Details entschieden: von der Wahlbeteiligung, vom Einfluß der VfGH-Entscheidung selbst, von kurzfristigen innenpolitischen Entwicklungen, … Österreich kann ein zweites Mal Glück haben. Es hat aber noch niemandem gut getan, sein Glück zu oft herauszufordern.

Die Wiederholung erscheint umso unnötiger, wenn der Verfassungsgerichtshof wörtlich sagt:

Der VfGh hält jedoch ausdrücklich fest, dass keiner, der von ihm einvernommenen Zeugen Anhaltspunkte für tatsächliche Manipulationen wahrgenommen hat.

Es geht also ums Prinzip. Mein Kopf sagt: Das ist gut so, Prinzipien sind wichtig. Mein Herz sagt: Autsch, das hätts jetzt nicht gebraucht.

Wie dreckig der Wahlkampf jetzt schon wieder von Seiten der Rechtsextremen geführt wird, zeigt ein kleines Gustostückerl aus dem Internet: Unmittelbar nach der Stichwahl hat die nationale Brut zum Mord an Van der Bellen aufgerufen und dabei seine vollständige Wohnanschrift genannt. Jetzt verteilt sie ein (gefälschtes) Schreiben im Internet, wonach er wegen Demenz unter Sachwalterschaft gestellt werden soll. Das Schreiben erweckt den Eindruck, als sei es beim Wiener Bezirksgericht Innere Stadt eingegangen. Es enthält gefälschte medizinische Diagnosen über Van der Bellens geistige Gesundheit ebenso wie die Behauptung einer Krebserkrankung und einer regelmäßigen Chemotherapie. Das ist es also, was sich das rechtsextreme Hofer-Lager unter einer demokratischen Auseinandersetzung vorstellt. Viel Spaß, wenn wir die Truppe wieder an der Macht haben.

(Ein beunruhigender Gedanke ist, daß die Wahl von jener Partei angefochten wurde, deren Vertreter durch ihr Fehlverhalten auch die Gründe für die erfolgreiche Anfechtung gesetzt haben. Wenn das Schule macht, stehen uns lustige Zeiten bevor: Bei jeder Wahl werden die Wahlhelfer von den Parteizentralen angewiesen, Formfehler zu begehen. Ist das Ergebnis knapp, benutzt man genau diese Formfehler als Vorwand für eine Anfechtung.)


Brexit: Wer will eigentlich raus?

Das Affentheater, das sich derzeit im Vereinigten Königreich (und in der Rest-EU) rund um den Brexit abspielt, ist an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten. Ich finds fantastisch, wie offensichtlich hier plötzlich die Interessenslagen werden.

Zur Ausgangslage: Wir haben ein Referendum, das bei einer Wahlbeteiligung von 72% einen Sieg der EU-Gegner mit 52% brachte. Das sind 37% der Wahlberechtigten. Für den EU-Austritt waren vor allem die Alten (*räusper* also die Altersgruppe 50+), die Ungebildeten und die Einkommensschwachen. Wichtig: Das Referendum ist in keiner Weise rechtlich bindend, weder für das Parlament noch für die Regierung. Es entfaltet keine Wirkung. Allerdings hat Premier David Cameron ausdrücklich versprochen, das Ergebnis der Abstimmung zu achten und sofort umzusetzen. Es war ein klares Bild in den Köpfen aller Briten: Stimmen sie für den Brexit, bringt Cameron den Brief nach Brüssel noch am nächsten Morgen zur Post. Insofern ist das Brexit-Votum zwar nicht rechtlich, aber politisch bindend. Könnte man glauben, denn:

Gleich am Tag nach der Abstimmung meldete sich Titanic-Kapitän Cameron zu Wort und kündigte an, dieses zu brechen. Er selbst, so erklärte er, werde das Ergebnis des Referendums nicht wie versprochen umsetzen. Das soll seinem Nachfolger überlassen bleiben, womit er beim Thema war: Er tritt zurück. Das aber auch nicht gleich, sondern irgendwann. Den Oktober visiert er mal an, aber wer weiß das schon so genau.

Wer Camerons Nachfolger als Premierminister wird, ist offen. Sehr gute Chancen rechnet sich Boris Johnson aus. Der parteiinterne Machtkampf zwischen den zwei früheren Weggefährten hat die Brexit-Kampagne überhaupt erst befeuert. Der frühere EU-Befürworter Johnson ist aus taktischen Gründen in das Lager der EU-Gegener gewechselt, um Cameron aus der Downing Street zu vertreiben. Das zumindest ist ihm jetzt gelungen. Was den von ihm selbst beworbenen EU-Austritt betrifft, gibt sich Johnson aber plötzlich reichlich zugeknöpft. Es bestehe kein Grund, am status quo etwas zu ändern, sagte er am Tag nach dem Referendum. Das Austrittsschreiben nach Artikel 50 der Lissabon-Verträge sollte man jedenfalls noch nicht abschicken. Ähnlich äußerten sich mittlerweile eine Reihe von Brexit-Befürwortern, die als Cameron-Nachfolger im Gespräch sind. Faktum ist: Irgendjemand muß den Brief abschicken. Wenns Cameron nicht tut und seine möglichen Nachfolger sich damit die Finger auch nicht schmutzig machen wollen - was passiert dann?

Zum Schreien komisch: Die prominentesten Vertreter des Brexit-Lagers verarschen ihre Anhänger mit einem breiten Grinser im Gesicht. Nigel Farage zum Beispiel hat in einem TV-Interview erklärt: Ja, natürlich hat man zwar im Brexit-Lager damit geworben, daß im Falle eines EU-Austritts 350 Millionen Pfund wöchentlich an zusätzlichem Budget für das staatliche Gesundheitssystem NHS frei würden. Allerdings ist das leider falsch. Schön, wenn es die Menschen trotzdem gegen die EU eingenommen hat. Nächstes Beispiel: Der Parlamentsabgeordnete und Brexit-Befürworter Daniel Hannan. Er gibt nach geschlagener Schlacht zu: Das Thema mit der Einwanderung aus der EU war wohl für viele Menschen wichtig, wenn nicht sogar entscheidend. Allerdings werden alle enttäuscht sein, die hier einen Zusammenhang mit einem Austritt aus der EU sehen. Auch nach dem Brexit, sagt Hannan nun offen, wird die Immigration weitergehen.

Vor diesem Hintergrund fühlen sich die Wähler verschaukelt. Nicht nur hat Cameron den versprochenen Austritt aus der EU nicht auf Schiene gebracht, schlimmer noch: Die Brexit-Befürworter selbst haben ihre Argumente als Lügen enttarnt, die meisten von ihnen wollen nun selbst den „roten Knopf“ nicht betätigen. Innerhalb weniger Tage hat eine Petition zur Wiederholung des Referendums 3 Millionen Unterschriften gesammelt. (Ab 100.000 Unterschriften muß eine solche Petition im Parlament behandelt werden.)

Zusammengefaßt: Der Brexit findet in den Schlagzeilen statt. Tatsächlich tut sich auf absehbare Zeit gar nichts. Zumindest nicht im Inselreich.

Anders in Brüssel und an den anderen Schaltstellen der EU:

Dort ist ein wahrer Wettkampf darüber ausgebrochen, wer die lästigen Briten am schnellsten und am unhöflichsten zum Austritt drängen kann. Kein Wort wird darüber verloren, daß man doch vielleicht noch … und eventuell nochmal … und das Referendum war doch nicht bindend … Nein: Am besten noch gestern möchten die EU-Institutionen das Schreiben haben, mit dem der ohnehin langwierige Austrittsprozess in Gang gesetzt wird. Denen kann es gar nicht schnell genug gehen.

Das alles vermittelt nicht das Eindruck, als ob es das Vereinigte Königreich ist, das eine ungeliebte EU verlassen möchte. Ganz im Gegenteil: Auf den Inseln wird gezögert und gezaudert. Ein Austrittsschreiben, das spätestens seit Freitag in Brüssel liegen sollte, wird sicher nicht vor Oktober überhaupt erst formuliert - falls man es denn schreibt. Stattdessen zeichnen die Ereignisse das klare Bild einer EU, die sich endlich von London trennen, quasi aus dem Vereinigten Königreich austreten möchte. Rausschmeißen kann man die Briten nicht, das ist in den Verträgen nicht vorgesehen. Daher klammert man sich jetzt umso verzweifelter an die Hoffnung, daß der verbliebene öffentliche Druck unmittelbar nach der Abstimmung den Prozess nach Artikel 50 doch noch erzwingen kann. In vier Monaten, wenn Cameron weg ist und die Erinnerung an die Brexit-Kampagne verblaßt, kann es zu spät sein. Da erinnert sich nicht mal mehr die Daily Mail, daß es ein Referendum gegeben hat.


6° glücklicher

Draußen: 33,6° (im Schatten)

Drinnen: 27,6°

Dieses Klimagerät war doch eine der besten Anschaffungen. Vor allem senkts nicht nur die Temperatur, sondern auch die Luftfeuchtigkeit.


Geburtstagswunsch: Brexit

Keep calm and bye bye England Noch ist mein Geburtstag ja nicht vorbei. Die letzten Feierlichkeiten liegen noch vor mir. Daher interpretiere ich auch das heutige „Brexit“-Referendum als Geschenk der Briten an mich. Und daher kann das Ergebnis nur lauten:

Raus! Befreit endlich die EU von diesen Blockierern. Spätestens seit Thatcher 1984 ihre finanziellen Sonderwürschteln durchgeboxt hat, hängt das Vereinigte Königreich wie ein Klotz am Bein der europäischen Integration. Wer weiß, wie viel weiter wir schon wären, wenn die Briten 1975 bei ihrer ersten Abstimmung zu diesem Thema nicht mit so großer Mehrheit für den Verbleib in Europa gestimmt hätten.

Es gibt politische Beobachter, die bei einem „Brexit“ genau das Gegenteil erwarten: Eine Stärkung EU-kritischer Strömungen quer durch den Kontinent und eine Welle weiterer Plebiszite, an deren Ende eine deutlich geschwächte EU stehen könnte. Richtig ist, daß die Nationalisten ihre Chance wittern werden. Möglich ist auch, daß dem Austritt der Briten einer der Ungarn und Polen folgt. Die Frage ist nur: Schwächt es die auf abendländische Werte gegründete politische Gemeinschaft, wenn ausgerechnet jene Staaten sich verabschieden, die diese Werte ohnehin nicht teilen? Macht es nicht im Gegenteil stärker und handlungsfähiger, wenn interne Machtkämpfe und der ständige Zwang zum Kompromiß zwischen den Extremen wegenfallen?

Richtig ist, daß mit dem Austritt der extremen Nationalisten die unmittelbare Kriegsgefahr mitten in Europa wieder präsent ist. Nachdem uns die EU die längste Friedensperiode der Geschichte gebracht hat (gerade weil sie immer wieder Kompromisse zwischen weit auseinander liegenden Standpunkten zu finden gezwungen war), wäre ein Krieg zwischen europäischen Staate wieder denkbar. Überbewerten würde ich diese Gefahr nicht: Gerade die politisch instabilen Schurkenstaaten im Osten sind NATO-Bündnispartner. Was problematisch werden könnte ist die jahrhundertealte Bruchstelle zwischen Irland (das kein NATO-Mitglied ist) und dem Vereinigten Königreich. Gerade der Brexit könnte den alten Konflikt neu befeuern, wenn die bisher gut versteckten Grenzen wieder sichbar und Handelshemmnisse spürbar werden. Aber auch hier gilt: Wär ich gezwungen zu wetten, würd ich nicht auf Krieg setzen.

Wer mir also eine Freude machen möchte heute auf den britischen Inseln, möge dafür stimmen, daß ein geeintes Europa sich endlich vom Biritish Empire lösen kann. Rauswerfen kann Brüssel die Briten ja nicht.


Geburtstag: Der Bär

Geburtstagsbär So ist muß das sein! Der traditionelle Geburtstagsbär, das traditionelle Geburtstags-Spruchband, dazu ein feiner Espresso … und Päckchen! Dritter Tag des Geburtstags-Wochenendes. :)

In Geschenkpapier verhüllt waren Stammzellen, Dinosaurier, geekiges aus dem Comicbuchladen (woher sonst *LOL*) und ausgesprochen schräge Literatur aus Linz. Ich bin sehr gespannt auf die nächste Pizza! 🍕🖖😁


Geburtstag: Das Abendessen

Weiter gehts im Geburtstagswochenende: Das Abendessen beim Plachutta gehört unbedingt dazu. Eigentlich gibts da seit Jahren eine exakt festgelegte Speisefolge. Irgendwie aber hab ich mich so jung und frisch und spontan und wild gefühlt, daß ich das alles über den Haufen geworfen hab:

Statt Gänseleberpastete, Lungenbraten und Kräm Brülle mußten mir die verdutzten Kellner Basilikumschaumsuppe mit Parmesancroutons, Filetspitzen mit Schwammerlrahmsauce und Nockerln und schließlich Mousse von der Pralinenschokolade servieren. Zu allem Überfluß gabs dann auch noch einen völlig neuen Kellner („You rang?“). Das sind dann auch wieder genug Veränderungen für dieses Mal. In weiterer Folge wünsche ich den traditionellen Bären. ;)


Geburtstag: Es geht los!

Geburtstagsfeier in Linz Während in Finnland die ersten geladenen Gäste ihr personalisiertes Jolla C entgegen nehmen, beginne ich mit den heurigen Geburtstagsfeierlichkeiten:

Marillenknödel (supermjamm!) gibt's, weil die Torte für Sonntag eingeplant ist. Die ersten Päckchen können geöffnet werden: Neben dem Unvermeidlichen (Song Contest, eh klar *gg*) gibts mehr oder weniger auch für mich ein Jolla C (drum hab ich das zeitliche Zusammentreffen am Beginn erwähnt) und etwas, was vor allem meine Kollegen im Büro sehr freuen wird. Tanja, der Kampf ist entschieden! Diese Waffe ist zu mächtig! *LoooL*

Bei all dem liegt der Hund um mich rum und genießt die Sonne, die übrigens nach einem eher trüben Vormittag auch pünktlich zur Bescherung herausgekommen ist. So fängt ein Geburtstagswochenende an! :)


OÖ: Schwarz und Blau schüren Haß und Neid

Es ist dies die traurige Fortsetzung des Artikels „Die dreckige Politik der ÖVP“ vom Februar: In Oberösterreich hat die ÖVP heute das soziale Netz für jene Menschen durchschnitten, die aufgrund der von der ÖVP selbst verantworteten Gesetzeslage ins Land geholt wurden. Erst Asyl gewähren, dann verhungern lassen lautet die Devise. Die Verordnung, die dazu heute im Landtag beschlossen wurde, ist dabei inhaltlich ein Sieg der ÖVP. Von der reichlich bizarren Formulierung her kann die FPÖ sie blendend an ihre Klientel verkaufen, die sich ja reichlich wenig um tatsächliche Fakten schert. (Was ich übrigens heute beim Mittagessen mit meiner Familie erleben durfte. Fremdschämfaktor 180. Es war zum Unter-den-Teppich-Kriechen.)

Was man getan hat und warum?

Was hat man gemacht? Unter dem Vorwand, die Finanzierbarkeit des Sozialsystems erhalten zu müssen, hat man die Mindestsicherung von € 914,- auf € 520,- gekürzt. (Das Argument ist hanebüchen. Ich wiederhole mich, aber einige habens noch immer nicht begriffen: Die Mindestsicherung macht 1% des Sozialbudgets aus. Sie ist ganz sicher keine Stellschraube, die aufs Gesamtsystem Einfluß hat.)

Hat man die bedarfsorientierte Mindestsicherung für alle gekürzt? (Wegen der Finanzierbarkeit des Sozialsystem warats.) Nein. Die Kürzung gilt nur für jene, die sich aufgrund eines positiven Asylbescheids in Österreich aufhalten, die also gerade erst aus der staatlichen Grundversorgung gefallen sind und exakt gar nichts haben.

Glaubt man selbst an das Märchen von Kollaps des Sozialsystems? Nein. Die Bundes-ÖVP gibt offen zu, worums wirklich geht: Die Attraktivität Österreichs als Zielland für Flüchtlinge muss gesenkt werden, sagt ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in diesem Zusammenhang. Das also ist die wahre Intention. Grundsätzlich wär das für sich allein noch nichts Verwerfliches - es ist halt einer von vielen möglichen Standpunkten in der Debatte. Verwerflich, ja geradezu grauslich ist es aber, wenn die Partei, die im Bund seit 1987 und auf Landesebene seit 1945 ununterbrochen an der Macht ist, einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen für die gegenwärtige Immigrationswelle verantwortet, weil sie sich willigere Arbeitskräfte verspricht, andererseits aber den ins Land geholten Billigarbeitern die Sozialhilfe verweigert.

Ein kleiner (aber für die ÖVP wesentlicher) Nebenaspekt der Neuregelung ist in der öffentlichen Diskussion völlig untergegangen: Der sogenannte „Jobbonus“. Die Rechnerei ist kompliziert, unterm Strich läuft diese Neuregelung aber darauf hinaus, daß der Steuerzahler die von Unternehmen bezahlten Niedrigstlöhne noch stärker subventioniert als bisher. Derzeit wird ein Niedriglohn-Bezieher maximal bis zur Obergrenze der Mindestsicherung „aufgestockt“. 60% aller Bezieher von Mindestsicherung sind solche „Aufstocker“. In Zukunft wird mit Aufschlägen und Deckelungen gerechnet, sodaß unterm Strich bei noch niedrigerer Lohnzahlung ein höheres Einkommen für den Arbeitnehmer herausschaut, finanziert durch den Steuerzahler. Die Wirtschaft freuts, und geht's der Wirtschaft gut, kommt uns meistens das Abendessen hoch.

Was verkauft man den Wählern?

Vor allem die FPÖ, die den Schwarzen hier den Steigbügelhalter gemacht hat, nutzt die eigentümliche Konstruktion der Verordnung für massive Propaganda an „ihre Leute“. Auf nur mehr € 365,- habe man die Mindestsicherung für die pöhsen Ausländer gekürzt, jubelt der oberösterreichische FPÖ-Chef Haimbuchner. (Es ist bezeichnend für die Widerwärtigkeit seiner Anhänger, wenn man bei ihnen punkten kann, indem man sich als noch gewissenloser darstellt, als man ist.) Die Differenz zwischen den von der FPÖ verkauften € 365 und den in den Medien genannten € 520,- erklärt sich durch ein angebliches „Bonussystem“ für erfolgreich Integrationsbemühungen, das nochmal bis zu €155,- bringt. Haken an der Sache aus Sicht der betrogenen FPÖ-Wähler: Dieser „Bonus“ muß nicht erarbeitet werden. Man nimmt die Voraussetzungen einfach als gegeben an und beginnt die Auszahlung mit dem Höchstbetrag. Erst wenn der Mindestsicherungsbezieher böse war und z.B. eine ihm zumutbare Arbeit nicht angenommen hat, kann der Bonus fallen. Was natürlich niemand weiß: Schon nach dem alten System war in diesem Fall eine Kürzung auf 50% möglich, in Ausnahmefällen sogar die komplette Streichung der Mindestsicherung.

Was kommt am Stammtisch an?

Normalerweise beziehe ich mein Wissen über die Meinung an den Stammtischen ja ausschließlich aus den Facebook-Auftritten rechtsextremer Polit-Hetzer und aus den Meldungen von Herrn Blue. Heut aber hatte ich - naja, „Glück“ irgendwie. Aus quasi journalistischer Sicht. Menschlich wars ein Schlag in die Magengrube. Ich durfte nämlich auch beim Mittagessen live miterleben, wie der Stammtisch die Neuregelung beklatscht. Folgende - räusper - „Argumente“ habe ich teils hier, teils da gesammelt:

  • Für was brauchen die € 914,- im Monat, die zahlen ja nicht einmal Miete. - Ja, eh. Sobald ein Asylwerber den positiven Bescheid in der Hand hat und damit aus der staatlichen Grundversorgung fällt, werfen in ganz Oberösterreich Vermieter ihre Luxusdomizile auf den Markt und prügeln sich darum, sie gratis anbieten zu dürfen. (Kleines Detail am Rande: Im unwahrscheinlichen Fall, daß jemand wirklich keine Wohnungskosten zu tragen hat, fallen generell 25% der Mindestsicherung weg. Das gilt unabhängig vom Bundesland.)
  • Die haben ja gar keine Ausgaben, nicht einmal ihr Essen müssen sie bezahlen - Das also verstehen die Leut unter bargeldloser Bezahlung: Asylbescheid an der Billa-Kasse herzeigen und schon ist alles gratis. Mal ernsthaft: Geht's noch? Wie reimt man sich sowas zusammen?
  • Was wollen sie denn noch? Die kriegen alle gratis Handys! - Ich glaub dazu gabs vor gefühlten 150 Jahren schon eine A1-Presseaussendung. Unglaublich, wie langlebig der Facebook-Schwachsinn ist.
  • Ein österreichischer Mindestpensionist bekommt viel weniger, der kommt nie auf € 914. - Doch, kommt er. Sogar auf mehr, auf € 1030,- nämlich. Auch wenns zunächst nicht so klingt (die kleine Pension mit Ausgleichszulage wird überall mit € 882,78 angegeben): Pensionsauszahlung ist nun mal 14x pro Jahr, Mindestsicherung gibt's nur 12x. Runtergebrochen aufs Kalendermonat haben die Pensionisten um über € 100,- mehr.
  • Egal für wen, € 914,- wären sowieso zu hoch für jemanden, der nicht arbeiten will. - Die Frage stellt sich nicht. Wer nicht arbeiten will, fällt zurück auf € 457,-. 50% Abschlag bei Verweigerung einer zumutbaren Tätigkeit. Weil 60% der Mindestsicherungsbezieher erwerbstätig sind und nur „aufstocken“ müssen, liegt der durchschnittlich ausbezahlte Betrag bei € 320. Das gedankliche Festkrallen an € 914,- im Monat (was für die meisten mangels besseren Wissens bedeutet: € 914,- 14x im Jahr) ist ein Ergebnis der haßerfüllten FPÖ-Hetze, die Mindestpensionisten gegen Mindestsicherungsempfänger kämpfen läßt.

Ich zerbrech mir noch den Kopf darüber, wie Teile der hier zitierten Facebook-Propaganda bei mir zhaus zu Leuten kommt, die nichtmal Internet haben. Meine derzeitige Theorie: Die Kronen Zeitung mit ihren sogenannten „Leser“-Briefen einerseits und die stille Post im Freundeskreis andererseits. Irgendein Sohn von einem Freund der Friseurin wird ja wohl Facebook lesen … Die Antwort auf meine Frage nach der Quelle der Gratishandy-Behauptung war jedenfalls reichlich dubios. *schauder*


MyTaxi: Wie man Stammkunden vergrault

MyTaxi-Icon MyTaxi hat es tatsächlich geschafft, mich nach zwei Jahren aus dem Kundenstamm des Unternehmens zu vertreiben und aus mir einen Uber-(Test-)Kunden zu machen. Wie sie das angestellt haben? Kundendienst! Die Antwort des Hamburger Unternehmens auf meine Anfrage in Bezug auf die letzte Gutscheinaktion war so unfreundlich, beleidigend und desinteressiert, daß ich mir nach eine kurzen Nachdenkpause gedacht hab:

Die machen mit mir seit Anfang 2014 rund € 800,- Umsatz pro Jahr in einer Branche, die seit Ewigkeiten von einem eklatanten Überangebot und mangelnder Nachfrage gebeutelt ist. Wenn ich mein Geld schon beim Fenster hinaus werfe - muß ich das dann ausgerechnet bei der Firma tun, die mir auf den Kopf scheißt? Noch dazu, wo ich ja mit jeder Fahrt neu entscheiden kann, wem ich mich anvertraue? Nein, ich muß nicht.

Ich habe mein Mißfallen in meiner Antwort (die in Kopie an die Wiener Niederlassung in der Lazarettgasse ging) zwar zum Ausdruck gebracht. Ich habe den Herrschaften erklärt, daß ich das schnoddrige „Ist mir wurscht“-Schreiben ihrer Kundendienst-Mitarbeiterin nicht akzeptiere, daß ich eine zivilisierter formulierte Antwort auf Augenhöhe erwarte und daß ich bis dahin kein Geld mehr rüberwachsen lassen werde. Große Hoffnungen diesbezüglich hege ich aber nicht: Der Kundendienst von MyTaxi war auch bei einfachen Geschäftsfällen immer schon eine einzige Katastrophe. Es würde mich wundern, wenn die einen funktionierenden Beschwerdeprozess hätten, wenn schon die Grundlagen nicht funktionieren. Jedenfalls herrscht jetzt mal seit einer Woche Funkstille, weder Hamburg noch die Lazarettgasse sind der Situation gewachsen.

Dabei geb ich zu: Ich würde wahrscheinlich nicht halb so empfindlich auf die Frechheiten aus Hamburg reagieren, wenn ich nicht selbst seit Jahrzehnten im Kundendienst tätig wäre. Ich weiß, wie's geht. Ich weiß, was tolerierbare menschliche Fehler sind und was grobe Schnitzer. Früher schon habe ich mich immer entsetzlich aufgeregt, wenn einer meiner Mitarbeiter aus bloßer Borniertheit die klaren Vorgaben ignoriert hat, die bei der Kundenbindung helfen. (Nach dem Motto: Ich erwarte ja nicht von ihm, daß er wissenschaftliche Arbeiten über zwischenmenschliche Kommunikation verfaßt - aber er soll die vorgegebenen Formulierungshilfen verwenden.) Der Ärger über die eigenen Mitarbeiter hat sich im Lauf der Zeit auf jeden übertragen, der im Kundendienst beschäftigt ist und seinen Job nicht ordentlich erledigt.

Kostenlose Ratschläge also aus dem Kundendienst von Radio Austria, Datakom, Telekom Austria und A1 an die Freunde von MyTaxi:

  • Wir erklären dem Kunden nicht, daß er zu blöd ist. Wir denken es uns hin und wieder, zugegeben, lassen diese Gedanken aber bei der Formulierung unserer Mails möglichst weg.
  • Wenn wir in Mails auf Geschäftsbedingungen oder ähnliche Rechtstexte Bezug nehmen, kopieren wir sie unverändert oder verweisen per Link auf das Original. Wir verwenden keine umformulierten Varianten, die dem Original in wesentlichen Teilen wie z.B. dem räumlichen Geltungsbereich widersprechen. Das wirkt unseriös.
  • Wir halten uns an Informationen aus dem CRM-System und lassen den Kundenwert in die Bearbeitung eines Geschäftsfalles mit einfließen. So verhindern wir, daß wir in einem Streit um Minimalbeträge Kunden verlieren, die uns diesen Betrag in 3-4 Tagen wieder hereingebracht hätten.
  • Wir sagen dem Kunden auch nicht, daß er uns egal ist, daß wir mit ihm nichts zu tun haben wollen und daß er sich an irgendeine andere Firma wenden soll, falls er eine Frage zu unserem Service hat. In Sachen „langfristige Kundenbindung“ kommt das oft nicht so gut rüber.

Tja. So ist das nun. Ich glaube zwar nicht daran, daß der Markt grundsätzlich immer alles regelt und daß der Konsument durch sein Kaufverhalten Macht ausübt. In diesem Fall gebe ich mich aber gerne dieser Illusion hin und mache das, was dem momentanen Objekt meines heiligen Zorns am meisten schadet: Ich fahre mit Uber. (Sorry Herr K., Herr A., Frau G., Herr T., Herr H. und alle anderen Taxifahrer, bedanken Sie sich in der Lazarettgasse.) Ja, Uber ist böse und unmoralisch und eigentlich würde ich das nie verwenden. Ich erlaube es mir aber derzeit vorübergehend mit folgender Ausrede: Nachdem MyTaxi für mich weggefallen ist, teste ich die Alternativen. Auch die „Apps“ der klassischen Wiener Funkzentralen kommen nach längerer Pause wieder zum Zug. Es würde mich also nicht wundern, wenn im Lauf der nächsten Wochen hier ein Testbericht mit Vergleichstabelle auftauchen würde. ;)


ÖBB: Sonderbehandlung für Ausländer

Bei der Einfahrt in den Bahnhof St. Pölten:

Der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung links. Exit on the right hand side.

Es gibt fast jedes Mal was zu schmunzeln.