Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

gruenevorwahlen.at

Ich hätts nicht tun sollen. Ich hätte mir den Wahnsinn sparen sollen. Zu spät:

Als Reaktion auf das (verdient) schlechte Abschneiden der GrünInnen bei den EU-Wahlen gabs im Forum von derstandard.at wiederholt Hinweise auf etwas, das sich „Grüne Vorwahlen“ nennt. Was ist das nun wieder? Das Internet ist ein weltweites Datennetz, also war die Antwort schnell gefunden:

Grüne Vorwahlen ist ein publicityträchtiges Internet-Unternehmen (Web 2.0? Web 1.5? Keine Ahnung …). Es trommelt Leute zusammen, die aus einer kurzen Laune heraus ein bisserle mitspielen wollen, ohne sich wirklich zu engagieren. Der schnelle Fick in der Politik also. Ziel der Träume: Bei der Landesversammlung der Wiener Grünen im November wollen hunderte „Vorwähler“ die Kandidatenliste mitbestimmen - von außen, ohne Mitglied bei den Grünen zu werden. Das schmeckt natürlich denen wenig, die derzeit die Arbeit dort machen oder in anderer Weise zum gemeinsamen Wirken (hach! Hätt ich jetzt doch glatt „gemeinsamen Erfolg“ geschrieben!) beitragen. Große Keilerei also.

Das ganze funktioniert auf Basis eines völlig falsch verstandenen Punktes 5.7 des Statuts der Wiener Grünen: Dort ist festgehalten, daß auch Nicht-Mitglieder als sogenannte UnterstützerInnen wahlberechtigt sind, sofern sie mitarbeiten und mitentscheiden wollen. Die „Vorwähler“ lesen über diesen Punkt sehr großzügig hinweg und lassen die Sache mit der Mitarbeit sicherheitshalber aus. Sie schreiben nur:

Als UnterstützerIn erwirbst du das Vorwahlrecht, wirst aber weder Mitglied der Grünen noch verpflichtest du dich zu irgendwas. Du erklärst lediglich, dass du die Ziele der Grünen gut findest.

Das paßt schon mal inhaltlich überhaupt nicht zusammen. Die ganze Vorwahl-Initiative ist auf einem Konzept aufgebaut, das in deutlichem Widerspruch zum Statut der Landesorganisation Wien steht: die Grünen verlangen Mitarbeit, die Vorwähler nicht. Macht aber nichts, bei den Grünen ist im Moment niemand, dem das auffallen würde.

Was allerdings noch faszinierender ist: Die tatsächliche Mitgliedschaft, die ein wesentlich umfassenderes Stimmrecht bringt (dafür aber die Personen im Auge des Vorwahl-Wirbelsturms nicht wieder so nett ins Zentrum einer allgemeinen Aufmerksamkeit 2.0 setzen würde), unterscheidet sich de facto kaum vom Status des Unterstützers. In beiden Fällen erklärt man, mit den Zielen der Grünen einverstanden zu sein. Einziger Unterschied (in Wien): Die Mitgliedschaft wird durch einen finanziellen Beitrag angereichert, dessen Höhe aber frei festsetzbar ist. 10 Cent pro Jahr tuns also auch, wenn man unbedingt beim exclusiven Club mit dabei sein will.

Wozu die ganze Aktion gut sein soll, entzieht sich meinem Verständnis. Soeben habe ich mir die Videoaufzeichnung einer Diskussion zu diesem Thema angesehen. Ein Clown schwärmt von Scheunentoren, Menasse zitiert Erich Kästner … einzig Markus Rathmayr spricht verständlich und nachvollziehbar und versucht mehrfach zu erklären, daß es eigentlich ganz gut ist, wenn eine Bewegung sich nach außen abgrenzt, um Identität zu schaffen. No na. (Siehe auch sein Blog-Eintrag dazu.)

Ich überleg mir grad, was es für mich als Wähler bedeuten würde, wenn Parteien in eine deratige Beliebigkeit verfallen. Bei „Vorwahlen“ werden unter Umständen Kandidaten gewählt, die nicht die Unterstützung der Parteibasis haben und daher weit nicht so effizient für mich arbeiten können. Solche Kandidaten und das Programm der Partei, die gerade von Vorwählern heimgesucht wird, können weit auseinanderklaffen - abhängig davon, wie hoch der Spaßfaktor bei der Listenerstellung ist. Ute Bock als Listenerste der FPÖ Wien? Die Schottermitzi führt die KPÖ an? Alles kein Problem! Hauptsache (Zitat der Clown) wir sind subversiv, darauf kommts an.

Ich will diese Beliebigkeit nicht. Ich will dieses „Heut klick ma hin und zeigmas denen und dann gemma auf Xtube“-Verständnis nicht, die Verfreizeitung von Politik. Ich will, daß engagierte, denkende Menschen sich zusammentun und gemeinsam ein Programm entwickeln, zu dem sie stehen. Ich will, daß diese Menschen dann (und nicht irgendjemand sonst) darüber abstimmen, wer ihr Programm am besten in der täglichen Arbeit als gewählter Mandatar vertritt.

Alles andere will ich nicht. Dieses Video zu sehen war erschreckend. So wirds erst recht nichts mit mir als Wähler.

 
erikhuemer meinte am :
ah geh, Du willst die Grünen einfach nicht wählen. :-)
die Grünen verlangen Mitarbeit, die Vorwähler nicht. Macht aber nichts, bei den Grünen ist im Moment niemand, dem das auffallen würde.

stimmt nicht. Im Gegenteil ist das das Hauptargument, der grünen "apparatschiks" gegen die Vorwähler. Der Parteispitze ist es aber peinlich, von den Vorwählern Engagement und grüne Gesinnung zu verlangen.

Zu den Europawahlen was zu schreiben, hab ich mir bisher verkniffen, ich bin zu angefressen. Das einzige, was mich tröstet ist, dass das BZÖ nicht reingekommen ist und die ÖVP mit dem Wählervotum noch unverschämter umgeht. Aber das is eine andere Geschichte ... 
ossi1967 antwortete am :
Hauptargument?

Ich weiß nicht … Zumindest in den wenigen von mir durchgeblätterten Stellen (darunter eben auch dieses Video) kam dieses rein formale Argument der fehlenden Mitarbeit überhaupt nicht vor. Höchstens mal auf einer inhaltlichen Ebene in der Diskussion (so à la „Ja aber wir machen die Arbeit und Ihr nicht, also wollen auch wir allein bestimmen.“), aber nicht als formales K.O.-Kriterium, um die Diskussion von vornherein abzudrehen. Das könnte man ja: „Sorry, was Ihr wollt, ist im Statut nicht vorgesehen. Ihr habt da was falsch verstanden. Danke fürs Interesse und baba.“

Angfressen macht mich bei den EU-Wahlen höchstens, daß die Grünen nicht noch stärker abgewatscht wurden - und vor allem, daß Glawischnig-Piesczek das Debakel allen Ernstes in müde-abgedroschenem Politikersprech in einen Arbeitsauftrag umdeutet, wo es doch ein klares Kündigungsschreiben war. (Aber daß es als solches nicht angekommen ist, hab ich nachm ersten Satz von „Lady Hiob“ Sburny im TV schon gemerkt. Die kleben fest, allesamt.)

ÖVP … meine Güte. Wenn juckts. Und das BZÖ: Ich muß Dir ehrlich sagen, die haben wenigstens ein Profil. Sie sind nicht meins, aber ich weiß, wofür sie stehen. Damit haben sie den GrünInnen derzeit schon mal was voraus.

P.S.: Und um das auch noch anzuprechen: Nein, ich will sie nicht wählen. Derzeit nicht. Was zu ⅓ an tlw. hoffnungslos veralteten Inhalten und zu ⅔ an den Personen liegt.

 
erikhuemer antwortete am :
tja, wer twittert ist klar im vorteil. :-D 
erikhuemer meinte am :
jetzt wird gesinnungsgeprüft.
schau mal hier: http://www.gruenevorwahlen.at/2009/06/es-ist-soweit-jetzt-wird-gesinnungsgepruft/

Irgendwie scheine ein par leute nicht zu vestehen, was eine Partei ist. 
ossi1967 antwortete am :
Tendenziös, unsachlich: nicht vertrauenswürdig

Allein die Wortwahl (Gesinnungsprüfung, Gesinnungskommittee) zeigt: Hier gehts um Stimmungsmache und Polemik. Konstruktiven Geist seh ich da nirgendwo mehr.

Die Antwortmails der Grünen, soweit ich sie zitiert gefunden habe, sind auf Basis des nun zu Tode gerittenen Punktes 5.7.1 fast zwingend. Sie enthalten nicht die Spur einer Gesinnungsprüfung, sondern erfragen lediglich die Bereitschaft zu der vom Statut verlangten Beteiligung, zur Mitarbeit. Dies nicht ganz zu Unrecht: Die Vorwähler lassen diesen Aspekt in ihrem Aufruf ja bewußt aus. Mitarbeit stellt ja aber wohl das zentrale Kriterium überhaupt für den Status als Unterstützer dar. Was daran jetzt verwerflich sein soll (Liebe Grüne, was hat euch da geritten?) versteht keiner.

Gerade diese wehleidige und aufgesetzt-verwunderte Reaktion läßt das ganze Vorwahlprojekt wie eine Gruppe verzogener Gören erscheinen, die partout nicht einsehen wollen, daß man sie nicht gratis ins Kino läßt - obwohl sie doch extra gesagt haben, daß sie den Film auch bestimmt ganz toll finden werden. Vor diesem Hintergrund erscheint der ursprünglich so heftig kritisierte Spruch Ich bin Vorwähler, weil ich in meinem Penthouse sitze und mir fad is. nachträglich in einem sehr realistischen Licht.

Einen sehr, sehr guten Kommentar zum Thema insgesamt gibts übrigens hier. Zitat:

ich weiß schon, was mich an der aktion letztendlich doch so stört [...].

Es ist dieses "sich-das-schild-'basis'-in-einigermaßen-pathetischer-PR-emphase-umhängen", mit dem ich nicht zurecht komme. Es ist eine wohl ungewollte unhöflichkeit gegenüber den vielen aktivistInnen, die die tatsächliche und nicht die behauptete basis darstellen; die abwertung von anderen, während mensch selbst sich als aktivistisch, verantwortlich und politisch engagiert präsentiert.

Lesenswert.

 
Deep_Blue meinte am :
Schön !
Das es noch Menschen gibt, dich sich um eine 10 % Partei Sorgen machen.

Raucht Hasch, versteckt illegale Asylanten, macht Randala bei Demos und wählt grün.

Das Leben kann doch sooo schön sein :-)) 
ossi1967 antwortete am :
Strafrecht schau owa!

Raucht Hasch, versteckt illegale Asylanten, macht Randale

Aufruf zu strafbaren Handlungen in meinem Blog?!? ;)

Ansonsten: Mach mit bei diesen „Vorwahlen“. Ich glaub, Du wärst genau der richtige für eine Aktionen, die die Grünen handlungsunfähig machen soll. *gg*

 
ottivgrau meinte am :
das statut verlangt den willen zur zukünftigen mitarbeit und nicht, dass man schon bisher mitgearbeitet hat. meines wissens hat bisher kein einziger vorwähler erklärt, nicht mitarbeiten zu wollen. soviel zu ihrem einzigen argument. der rest ist polemik und unterstellungen. 
ossi1967 antwortete am :
Machs Dir nicht zu leicht

Das Statut spricht von mitarbeiten und mitentscheiden wollen. Die Vorwahlen kommunizieren genau das Gegenteil:

Man habe keine Verpflichtungen. Außerdem sei die Mühsal des Hingehens am 15. November ohnehin schon Mitarbeit genug, mehr sei nicht zu tun. Wenn man überhaupt wo mitmachen wolle, so heißt es in der entsprechenden FAQ, so doch bitte bei den Vorwahlen selbst, nicht bei den Grünen.

(Insofern ist, wenn ich mich wiederholen darf, völlig klar, daß genau der Wille zur zukünftigen Mitarbeit von den Grünen jetzt hinterfragt wird: Man weiß ja schließlich, daß die Leut von einer Website kommen, wo sie bewußt falsch informiert wurden.)

Man fragt sich schon, wie viel Unverschämtheit und Realitäty Distortion dazu gehören, wenn man eine solche Aktion (zur Erinnerung: Ziel ist eine feindliche Übernahme am 15. November mit der absoluten Mehrheit der Stimmen) als „Unterstützung“ verkaufen möchte.

Daß man nach dem Durchlesen der Vorwahlen-Homepage selbst auch in zynische Polemik verfällt, ist hoffentlich verständlich. (Zumindest fällts schwer ernsthaft zu bleiben.) Das Niveau an Propagandasprech, bösartiger Verleumdung und Tatsachenverdrehung, das dort geboten wird, habe ich aber bei weitem noch nicht erreicht.

 
erikhuemer antwortete am :
Ganz im Gegenteil!
Helge hat schon bei der ersten Präsentation gesagt, dass es keine inhaltliche und personelle Agenda gibt. #GrüneVW organisiert nur, dass Unterstützer beim der Landesversammlung über die Gemeinderatsliste mitstimmen können.

Aber es war von vorneherein nicht vorgesehen, die Grünen finanziell oder sonst wie zu unterstützen, im Gegenteil, es wurde Werbung dafür gemacht, dass das nicht notwendig sei.

Die Grünen bekleckern sich nicht übermäßig mit dem Vorwurf professionell zu agieren, aber: Die Behauptung, in Blogs, Facebook und Twitter freundlich (?) über die Grünen zu lästern sei schon Unterstützung genug, kann man diskutieren, aber wirklich ernstnehmen kann ich das nicht. 
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