Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Meltemi tot, Nokia tot

Nach Nokias Presseaussendung vom 14.6. haben sich die Medien auf zwei Aspekte konzentriert: den erneuten Stellenabbau (10.000 Menschen verlieren ihre Arbeit) und die düsteren Aussichten auf die Ergebnisse des zweiten Quartals 2012, die auch den Aktienkurs erneut in den Keller schickten.

Die eigentliche Hiobsbotschaft steckt, von den Mainstream-Medien unbemerkt, zwischen den Zeilen:

In Mobile Phones, […] Nokia aims to further develop its Series 40 and Series 30 devices, and invest in key feature phone technologies like the Nokia Browser, aiming to be the world's most data efficient mobile browser. Early results of this innovation can be found in Nokia's latest Asha feature phones which offer a full-touch screen experience at lower prices.

Die Tragik dahinter erschließt sich nur, wenn man weiß, was in diesem Absatz fehlt: die Erwähnung von Meltemi und Qt. Bis zu dieser Presseaussendung galt nämlich: Das Qt Entwicklerframework wird die Basis für die Mobiltelefone der „Next Billion“-Strategie. Inoffiziell war längst durchgesickert, daß zusätzlich zu Qt auch alte Bekannte aus der Maemo/MeeGo-Ära an dieser Strategie beteiligt waren: Der Linux Kernel und WebKit. Zusammen mit Qt sollten sie eine zukunftssichere Basis für jene Marktsegmente bilden, die Nokia nicht exklusiv an Microsoft gebunden hatte. (Siehe dieser Artikel zu Meltemi.)

Nicht nur fehlt Meltemi in der Strategie zu den feature phone technologies. Die Standorte, an denen nun massiv Personal abgebaut wird, sind genau jene, an denen die Entwicklung für die geplanten Meltemi-Produkte stattfand (Software und Hardware). Außerdem wird Mary McDowell (liebevoll auch Mary McMental geschimpft) das Unternehmen verlassen. Unter ihrer Führung wurde Meltemi entwickelt.

Warum ist das so bitter? Meltemi war - zumindest soweit bekannt ist - das letzte Betriebssystem, das Nokia hausintern entwickelte. (S40/S30 werden zwar weitergeführt, zählen für mich aufgrund ihrer langen Geschichte aber jetzt nicht wirklich als Neuentwicklungen.) Es war zwar nicht wirklich ein 1:1-Nachfolger der legendären Maemo-Linie, die mit dem N9 endete. Technisch war Meltemi aber ähnlich genug, auch die Philosophie schien vergleichbar zu sein. Tatsächlich schreibt ein nun gefeuerter Entwickler anonym auf Tomi Ahonens Blog:

Meltemi was going to be a Smartphone (and Tablet!) OS

It was not really Meego based. Base system was OpenSUSE based + QT on top

Wenn diese Aussage stimmt, war Meltemi also zwar offiziell auf den Feature Phone Markt ausgerichtet, hatte aber auch das Potential zum Smartphone- und Tablet-OS. Das klingt sehr wahrscheinlich: Was sollte ein Betriebssystem mit diesen technischen Eckdaten davon abhalten, auch ein Tablet zu betreiben?

Aus meiner Sicht war Meltemi also immer der logische Plan B für den sehr wahrscheinlichen Fall, daß Nokia mit Windows Phone Schiffbruch erleidet. (Es ist ja nicht so, daß die Konsumenten dem Hersteller seine Lumia-Modelle aus der Hand reißen. Das Positivste, was Mr. Flop über die Verkaufserfolge sagen kann, ist: Die Leute mögen es, wenn sie es einmal in der Hand haben - aber sie kriegen es nicht in die Hände, weil die Regale voll mit Android und iOS sind.) Meltemi, selbst wenn es aus Rücksicht auf Microsoft nie oder nur eingeschränkt auf Produkten zu finden gewesen wäre, wäre das fertige System gewesen, das man nach Elop, nach der offiziellen Abkehr von Windows Phone aus dem Hut zaubern hätte können. Die Entwicklung dieses Systems vollkommen einzustellen heißt, das Schicksal des Unternehmens ohne Wenn und Aber an Windows Phone zu ketten. Genau das zu einem Zeitpunkt zu tun, zu dem der kommerzielle Erfolg dieser Plattform unsicherer denn je erscheint, ist im besten Fall mutig, realistisch betrachtet wohl eher wahnsinnig.

Was sagt die Börse zu Elops seltsamen Manövern? Die Aktie hat schon wieder mal 16% ihres Wertes verloren und liegt nun bei historischen $ 2,35. Zur Erinnerung: Vor Elops Ankündigung, von Symbian/MeeGo auf Windows Phone zu wechseln, lag der Kurs bei $ 11,73. Stephen Elop hat tatsächlich 80% des Unternehmenswertes durch strategische Fehlentscheidungen vernichtet. Das wäre nicht einmal dann gelungen, wenn man einfach gar keinen Chef installiert hätte und das Unternehmen ohne Führung weitergesegelt wäre. (Zumindest hätte man damit Zeit gewonnen und nicht so viel Kapital verloren.)

Unterm Strich heißt das: Nokia geht der Atem aus. Die für Herbst angekündigten neuen Lumia-Geräte sind eine schwache Hoffnung für das Unternehmen, die Erfolgsaussichten gering. Noch hält man sich durch den Verkauf des Familiensilbers (Patente, Vertu) über Wasser, der einträgliche Smartphone-Markt aber ist verloren. Selbst wenn Windows Phone irgendwann am Markt Fuß faßt, ist es eben ein weiteres Feature Phone System neben iOS und S40/Asha. Smartphones von Nokia wird es dann nicht mehr geben.

 
Deep_Blue meinte am :
Mein Gott Ossi
Da muss ich ja BWL studiert haben, um deine Artikel ansatzweise zu verstehen ! :-)

Kannst nicht ein paar Boobies zeigen und gut ist ? :-) 
ossi1967 antwortete am :
Boobies für den Herrn, bitte:

Alles für meine Leserschaft. :)

Mann mit Brüsten

 
Deep_Blue antwortete am :
Noch nicht ganz
aber trotzdem danke :-)

Was habe ich mir auch erwartet :-) 
ossi1967 antwortete am :
:)

Bemüht hab ich mich. :)

 
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