Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Die Mahü testen

Weil sonst nix zu tun war und das Thema grad in aller Munde ist, haben wir uns aufgemacht, die neue Mariahilfer Straße mal zu begutachten. Da fühlt sich ja mittlerweile jeder zum Stadt- und Verkehrsplaner berufen, also ist es gscheit, sich direkt vor Ort eine eigene Meinung zu bilden.

Natürlich ist eins klar: Ein 30°-Tag an einem verlängerten Wochenende ist vielleicht nicht repräsentativ für die Situation. Andererseits: Es ist Samstag, also Einkaufstag, und offenbar sind wir nicht die einzigen, die extra zum „Mahü-Schauen“ da sind. Die Straße ist voll, ein Kellner berichtet von überdurchschnittlicher Frequenz. Vielleicht ist der heutige Eindruck also doch nicht ganz so weit weg von dem, was sich ab Montag hier abspielen wird.

The Good

Was sofort auffällt und überrascht: Die (auch von mir) kritisierten Begegnungszonen an beiden Enden der eigentlichen Fußgängerzone funktionieren prächtig. Das ist insofern bemerkenswert, als es die ersten in Wien sind und daher niemand Routine im Umgang mit diesen Verkehrsflächen hat. Wir haben uns in einer dieser Zonen in einen Schanigarten gesetzt und hatten so Gelegenheit, ein bißchen genauer hinzusehen. Autofahrer halten sich zu über 80% an die 20 km/h-Beschränkung. Den einen oder anderen hab ich sogar dabei erwischt, wie er aus dem immer langsamer rollenden Wagen die Auslagen angesehen hat. Drive-Through Window Shopping, ganz neu.

Radfahrer haben den Abschnitt sofort für sich erobert. Statt wie bisher ängstlich auf den äußersten 20cm der Fahrbahn zu balancieren, fahren sie selbstbewußt in der Mitte, ganze Familien auch mal nebeneinander. Stichwort Familien: Kinder! Ich kann mich nicht erinnern, jemals irgendwo in der Stadt so viele Kinder auf ihren Rädern gesehen zu haben. Auch neu: Die Fußgänger-/Radfahrer-Paarung, die jetzt gern auf die Fahrbahn ausweicht. Ein oder zwei Fußgänger sind gemeinsam mit einem Radfahrer unterwegs, der im Schrittempo neben ihnen her rollt. Sogar zwei Segway-Fahrer waren dabei. Alles geht, niemanden störts.

Fußgänger verwenden die Begegnungszone erwartungsgemäß (und gottseidank) nicht als Ersatz für den Gehsteig. Das wär nun doch reine Provokation. Was allerdings passiert: Die Straßenquerung mit dem Einkaufssackerl in der Hand erfolgt nicht mehr gehetzt und im 90°-Winkel. Stattdessen geht man auch mal den kürzesten Weg zwischen zwei Geschäften, wenn dieser sehr schräg über die Straße führt. Ein Papa hat sich mitten auf der Fahrbahn ruhig nach dem Spielzeug gebückt, das aus dem Kinderwagen geflogen kam. Vor allem aber: Ampeln, Zebrastreifen, alles Schnee von gestern. Man quert dort, wo man muß, nicht wo es der Autoverkehr diktiert.

Schließlich natürlich: heilige Ruhe! Obwohl Autos und sogar ein Linienbus fahren, ist der Aufenthalt im Schanigarten ein Genuß. Die Begegnungszone ist eine Einbahn und endet wenige Meter weiter bei der Fußgängerzone. Wer hier noch durchfährt, will in eine der zwei noch offenen Seitengassen. Es gibt öffentliche Parkplätze, auf denen sich mehr abspielt. Sogar der Taxifahrer, der uns schließlich nach dem Einkauf beim Leiner abholt, zeigt sich positiv überrascht: Schaun Sie her! Da hätt ich früher nie umdrehen können, einfach so mitten auf der Straße! Da hätten alle wie wild gehupt, nein, das hätt ich gar nicht erst probiert. Und jetzt? Der bleibt echt stehen da hinten. Na, das kann schon was werden.

Die Fußgängerzone selbst hält im Grunde wenig Überraschungen bereit. Es ist ja nicht die erste in Wien, auch wenn manche so tun. Aber auch hier fällt sofort auf: Geil! Wie ruhig es ist! Früher war die gesamte Mariahilfer Straße ein Ort, von dem man nach getaner Shopping-Arbeit möglichst schnell weg wollte, weil er Stress verursacht hat. Jetzt wirkt alles friedlich und macht Lust darauf, das Tempo zu verlangsamen und irgendwo noch einen Eiskaffee zu genießen.

The Bad

Es ist mir bewußt, daß der laufende Versuch eben nur ein vorläufiges Provisorium ist und sich der Aufwand für bauliche Anpassungen daher in engen Grenzen halten muß. Trotzdem hätte man mehr tun können. Beispiel: In den Begegnungszonen verschmälert sich die Fahrbahn durch den Wegfall der Parkplätze. Der gewonnene Raum wäre zumindest laut Bodenmarkierung so etwas wie eine Erweiterung des Gehsteigs. Daß diese 1½ Meter derzeit kaum jemand nutzt, ist nur zu verständlich. Schließlich ist das Wechseln vom Gehsteigniveau runter auf die Straße und dann wieder zurück irgendwie affig. Genau an dieser optischen Bruchstelle, am Randstein, sind aber alle Schanigärten aufgefädelt. Sie verengen den Gehsteig unnötig und sorgen nach wie vor für das Gedränge, das man ja entschärfen wollte. Jetzt endlich hätte man die Möglichkeit, sie etwas weiter zur Straßenmitte zu rücken oder auch zu erweitern. Ich hätte mir gewünscht, daß die Stadt den betroffenen Wirten bis zum Ende der Saison ein ensprechendes Angebot gemacht und die Änderung auf eigene Kosten gleich mit den Bodenmarkierungsarbeiten umgesetzt hätte. (Man muß ja nur den Niveauunterschied im Schanigarten ausgleichen.) Es wird nichts schlechter dadurch, daß das nicht passiert ist … es wird aber auch eine Verbesserung, die spätestens mit den Bodenarbeiten 2014 einsetzen wird, nicht schon jetzt für Passanten sichtbar. Gelegenheit vertan.

Gleiches Thema in der Fußgängerzone selbst. Man hätte zumindest pro forma so tun können, als würde man eine Fußgängerzone gestalten und nicht nur ein Experiment zur Einbahnregelung. Zwar gibt es gelegentlich zusätzliche Sitzgelegenheiten, von denen ich nicht sicher bin, ob sie vorher schon da waren, aber das ist zu wenig. Wenigstens ein Blumentopf mit Klappstuhl daneben in der Straßenmitte hätte es sein dürfen. Die Menschen brauchen etwas, was ihnen hilft, sich das fertige Bild vorzustellen.

Auch irgendwie unnötig: Die Polizisten, die einem alle drei Minuten paarweise entgegenkommen. Obwohl die Verantwortlichen hier ausgesprochen ansehnliche Exemplare ausgesucht haben, vermittelt die unerklärbare Präsenz der Uniformen doch Unwohlsein. Man hat das Gefühl, als würden die Beamten jeden Moment einschreiten, um die nicht angemeldete Shopping-Demonstration aufzulösen. (Offiziell müssen die armen Kerle dort bei 30° rumstehen, weil es angeblich zu Mißverständnissen kommt, wo man fahren darf und wo nicht. Ich habe keine solchen Mißverständnisse erlebt und würde mich auch sehr wundern, wenn alle Wiener Autofahrer über Nacht die Bedeutung der Verkehrszeichen verlernt hätten.)

The Ugly

Nix. Nix ugly. Nicht die von vielen verfluchte Busspur (wer darüber schimpft, ist noch nie über die Grenzen von Wien hinaus gekommen), nicht der Verkehr in den Seitengassen (alles ruhig), nichts fällt wirklich negativ auf.

Wie gesagt, die eigentliche Bewährungsprobe steht noch aus. Am Montag wird das Viertel wieder von allen gestürmt, die jetzt übers verlängerte Wochenende weg oder wegen der Hitze auf der Donauinsel waren. Es kann durchaus sein, daß das Konzept dann unter Druck versagt. Zumindest heute aber, an einem atypischen Einkaufssamstag, hat es sich recht gut bewährt.

 
Deep_Blue meinte am :
Ist ja klar
dass dir als Nicht Autofahrer so etwas gefällt.
Du stehst ja dann nicht stundenlang im Stau, damit ein paar Juppies ihren Kaffee Latte in einer ruhigen Fußgängerzone saufen können.

Und er Vater, der das Spielzeug seines Kindes aufhebt, einfach zauberhaft.

Fußgängerzonen in der City, ja, dort gehören sie auch hin und sind sinnvoll.
Fußgängerzonen die Verkehrsadern durchschneiden, Chaos und Stau verursachen, nein.

Und wenn du es ruhig haben willst, musst du nach Amstetten ziehen. 
ossi1967 antwortete am :
Ganz versteh ichs ja nicht

Du tust ja so, als wäre die Mariahilfer Straße bisher eine pulsierende Verkehrsader gewesen, durch die der gesamte Individualverkehr mit 70 km/h durchgebraust wäre und die jetzt abgeschnitten ist.

Tatsächlich ist doch kein Mensch bisher auf die Idee gekommen, die Mariahilfer Straße als Verbindung von A nach B zu verwenden, weil sie schon bisher völlig verstaut war. (Ich hab zwar kein Auto, kann mir dadurch aber öfter mal ein Taxi leisten und kenne die Situation auch von der Autofahrer-Seite.) Die paar armen Deppen, die sich in die Mahü reinverirrt haben, waren die, die dort unbedingt mit dem Auto einkaufen wollten und auf einen Parkplatz gehofft haben. Das waren ganze 8% (acht Prozent!) der Kunden. Heißt: 92% der Kunden dort sind Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel, Radfahrer oder Fußgänger. Für wen wird man die Straße also sinnvollerweise optimieren? Na eben.

Daher: Ja, natürlich gefällt mir die Mariahilfer Straße jetzt, weil ich nicht mit dem Auto durchfahre, sondern (wie 92% der anderen auch) ohne Auto hinkomme. Und genau dafür ist das ja auch gemacht worden. (Der Hinweis steckt im Wort Fußgängerzone.)

Wien hat mit Abstand die geringste Anzahl an PKWs pro 1.000 Einwohner, nämlich nur 394. (Österreich-Schnitt ist 537 PKW pro 1.000 Einwohner.) Die Zahl geht auch immer weiter zurück, weil man ohne Auto einfach immer besser zurecht kommt: Man steht eben in Öffis nicht - wie Du - stundenlang im Stau, sondern fährt zügig durch die Stadt. Es wird also langsam Zeit, die derzeit zu fast 100% aufs Auto abgestellte Verkehrspolitik bzw. Stadtplanung anzupassen und die Interessen jener 60%-Mehrheit stärker zu berücksichtigen, die ohne Auto unterwegs ist.

 
Deep_Blue antwortete am :
Du hast teilweise recht
die Fahrerei auf der Mariahilfer war eine Qual.

Es geht mir mehr um die Querungen vom 7 in den 6 Bezirk und weiter stadtauswärts.

Jetzt bleiben nur mehr die Hauptverkehrsadern Gürtel und Zweierlinie und die sind eh schon überlastet.

Und du gibts genau die grüne Politik weiter, von den Autofahrern kräftig kassieren und ihnen gleichzeitig das Autofahren verleiden.

Es wird schön langsam Zeit für Neuwahlen. 
ossi1967 antwortete am :
Ach, tu doch nicht jammern

Es zwingt Dich ja niemand, Deine gute Laune im Auto zu verlieren. Geh auf die Mariahilfer Straße, trink einen Caffè Latte (oder eine Bananenmilch, so wie ich, weil mir die Latte zu prollig-schnöselig ist) und genieße die Aussicht auf die Passanten. :)

So geht das nämlich. So muß Leben! ;)

(Und wenns mehr Querungen braucht, werden welche kommen. Das merkt man dann ja eh. Da muß man sich nicht im Vorfeld schon so gesundheitsgefährdend aufregen. *gg*)

 
schlosser antwortete am :
off topic, but important:
Ich versteh nicht ganz: Café Latte ist prollig-schnöselig. Mhh. Wenn jetzt zwei Handtascherl-Tucken am Nachbartisch auch Bananenmilch trinken, dann ist das Deiner Logik nach 'tuckig-handtaschig'. *Ich* meine: Jeder soll doch trinken was ihm/ihr SCHMECKT. Und nicht die optische/menschliche Gedankenverknüpfung ein Ausschlussgrund dafür sein, es NICHT zu trinken.
Denn sonst darfst irgendwann mal GAR NIX MEHR trinken. ;-) 
ossi1967 antwortete am :
Vernetzt denken

Du mußt das Silodenken aufgeben und die Dinge vernetzter sehen, Herr Schlosser. (Mei, das klingt so super! Man merkt ganz deutlich: Ich bin wieder im Büro angekommen, auch sprachlich.)

Erstens tust Du nix, nie nicht, was einfach nur so für sich allein steht. Deine Mimik beeinflußt Deine Stimmung, die wieder Deine Mimik beeinflußt. Dein Gwand und Deine Brille beeinflussen, wie die Leut auf Dich zugehen (und welche Leut auf Dich zugehen). Der von Dir gewählte Schanigarten beeinflußt, welche Gespräche Du hörst und wie Du die Welt siehst. Etc., etc., etc.

Wenn alles so viele Konsequenzen hat, schadets nicht, wenn man hin und wieder mal bewußte Entscheidungen einstreut, die sich an den eigenen Werten orientieren.

Wenn ich also schon wie die ärgste Shopping-Queen ausgerechnet in der Mariahilfer Straße und ausgerechnet vor dem Michele (!) gesehen werde, dann will ich nicht auch noch an einem Caffè Latte zutzeln dabei. Das ist einfach ganz schlecht fürs Karma. Da denkt dann einer schlecht von mir, wenn er mich zufällig sieht, und schenkt mir womöglich nix mehr zum Geburtstag, weils ihm so graust. Nenenenenenene.

(Außerdem weiß man ja auch nicht, was das mit einem selber macht, wenn man in so einer Gegend achtlos eine Latte bestellt. Stichwort Mimik und Stimmung …)

Außerdem ist die Latte nicht schnöselprollig, weil die Schnösels sie so viel saufen. Da gabs ja Ende der 1990ern bei der Erfindung der Schnöselprolls keinen Grundsatzbeschluß, der das in irgendwelchen Geheimstatuten verankert hätte. Nö, so ein Caffè Latte hat was Schnöseliges an sich, drum umschwirren ihn diese Prolls so wie Motten das Licht. Und wahrscheinlich ist gar nicht das Getränk an sich der Schnösel-Köder, sondern der Name. „Caffè Latte“ klingt halt gar so viel schicker beim Bestellen als a kleiner Brauner oder a Obi gspritzt.

Insofern hab ich wenig bedenken, daß aus der Bananenmilch jemals was werden könnt. Und wenn, dann nur was Liebes. Bananenmilch klingt ungefährlich und hat gutes Karma. :)

 
schlosser antwortete am :
Ach, Du spielst mal wieder Morla, die allwissende Müllhalde. *lool*
Geh, kumm oba von der Hirnwixerei...! :)
Trink an Latte, wenn er da schmeckt und mach ka Dokteroarbeit draus! :))

Ich weiss nicht, ich weiss nicht... Aber im Grunde trinke ich, worauf ich grad Gusto habe und denke dabei nicht, ob's *gut fürs Karma* ist... *loool*... Man kann sich ja auch wirklich kompliziert richten im Leben, Haserl. :)

Be free!!! :)) 
ossi1967 antwortete am :
Das erzählst Du mir gerade jetzt?

Sorry Hase, aber das ist jetzt aufglegt: Du selbst hast da heut einen Film gedreht, der Dir selber nicht gefallen hat, weil Du ein bestimmtes Getränk getrunken hast. Überleg mal, was allein das in Deinem hübschen Köpfchen alles angestellt und ausgelöst hat an Selbstbild, vermutetem Fremdbild, Wirkung … Es kann schon sein, daß Du vorher nicht drüber nachdenkst. Das bedeutet aber noch nicht, daß Du nicht mit den von mir beschriebenen Auswirkungen konfrontiert bist.

Und generell: Jeder von uns hat bzw. vertritt Werte im Leben. Ein Leben, in dems nur mehr um „Ich mach das, worauf ich jetzt grad Lust hab“ ginge, wäre ja wert- und sinnlos. Insofern kann man ja gar nicht anders, als seine Handlungen mit dem persönlichen Wertesystem abzugleichen. (Ob das jedes Mal bewußt passiert, ist eine andere Frage.)

 
schlosser antwortete am :
Nein, nicht wirklich.
Der Film, respektive meine SMS, war persiflierender Natur in Reaktion auf die offene Schublade von Dir. ;-)

Und : Ja, auch *ich* vergleiche mehrmals täglich meine Handlungen und Denkweisen mit meinem Wertesystem. Klaro. Aber bei *wichtigen* Dingen im Leben.

Ned bei an Glasl griebene Bohnen und g'schäumter Mülch. *lol* 
ossi1967 antwortete am :
Schublade

Die Schublade war ganz allein Deine, nicht meine. Genau das mein ich ja.

 
schlosser antwortete am :
Neneneneneneneeeeee...
Das Schublädsche hast schon selber aufg'macht, sweety! :) 
ossi1967 antwortete am :
Du und Dein Äffchen

Du immer und Dein Äffchen im Kopf. Was Du Dir alles einbildest.

springendes Äffchen im Kopf von Homer Simpson

Macht ja nix, weils per SMS war, ist ja alles dokumentiert. Es spielt keine Rolle, was Du dazudichtest - eben weil auch Dein hübscher Kopf sogar anscheinend Banales wie das Getränk mit Deinem Wertesystem abgleicht. Drum dreht er solche Filme. :)

 
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