Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Mobile Working: Mein neuer 26-Stunden-Tag

Die Möglichkeit, „mobil“ (also von überall aus) zu arbeiten, besteht bei uns in der Firma schon seit einigen Jahren. Auch ich hab irgendwann 2013 die entsprechende Vereinbarung unterzeichnet - und wieder vergessen. Bis wir dann diesen Herbst (temporär, wie uns versprochen wurde) in den unbeliebtesten und abgeschiedensten Standort übersiedelt wurden, den das Unternehmen in Wien zu bieten hat: ins Arsenal. Da hab ich den alten Zettel wieder rausgeholt und mir gedacht: Das versuch ich jetzt mal.

So modern und verlockend es auf den ersten Blick klingt, ganz wohl war mir zunächst nicht dabei. Immerhin muß man die Technik in den Griff bekommen, müssen Dokumente, Laufwerke, Verknüpfungen und Notizen vom mobilen Arbeitsplatz aus genauso zur Verfügung stehen wie vom Büro. Dazu stellt uns unsere IT verschiedene Optionen zur Verfügung, die man erst mal einrichten und für sich ausprobieren muß. Zuletzt will noch das bei uns besonders exzessiv verwendete VoIP-Conferencing inklusive Chat und Bildschirmfreigabe getestet werden; ohne dem geht gar nix. (Tatsächlich hats dann auch zwei Wochen gedauert, bis ich in diesem letzten Punkt erfolgreich war und endlich ein Testgespräch auf mein eigenes Handy zusammengebracht habe.)

Seither verbringe ich ungefähr zwei Arbeitstage pro Woche nicht im Büro. Wo ich mich niederlasse, hängt vom Terminplan ab. In der Regel ziehts mich in mein altes Bürogebäude oder ich bleibe ganz zuhause. Aber auch die nahe gelegenen Büros in der Antonigasse und der Hebragasse (beide bequem zu Fuß zu erreichen) sind eine Option. Flexibilität ist Trumpf. Drum heißts ja „mobile Working“, theoretisch könnte ich mit meinem Laptop auch ins Wirtshaus gehen.

Was bringts? Im besten Fall zwei zusätzliche Stunden Lebenszeit pro Tag. Jeder Berufstätige kennt das sinnlose Herumpendeln zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, die tote Zeit, in der man bestensfalls geistesabwesend aus dem regennassen Fenster starrt. Führe ich von zuhause öffentlich ins neue Büro, schlüge eine Strecke mit einer Stunde zu Buche. Macht zwei Stunden pro Tag, die ich komplett einspare, wenn ich z.B. von zuhause aus werke. Auch bei anderen Berechnungen (z.B. ins Arsenal mit dem Auto; nicht zuhause, sondern in der Hebragasse arbeiten) kommt auf magische Weise immer ein Ergebnis raus: Mein Tag wird länger. Im besten Fall um zwei volle Stunden. :)

Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Vor allem zuhause arbeite ich konzentrierter und schneller. Da bring ich Dinge weiter, die ich im Arsenal schon seit Tagen vor mir her geschoben habe. Mag sein, daß es daran liegt, daß ich allein arbeite. Ich weiß es nicht.

Natürlich hats auch andere Vorteile: Ich bin da, wenn der Briefträger eine Unterschrift will. Ich kann mir den Wocheneinkauf entspannt vom Spar liefern lassen - egal wie lang das Zeitfenster für die Lieferung ist, egal ob die Zustellung pünktlich erfolgt. Ich kann meinen ebenfalls VoIP-basierende Türkischunterricht unmittelbar nach dem letzten Bürotermin ansetzen, nicht erst 90 Minuten später (eine Stunde Fahrt, eine halbe Stunde Puffer zur Sicherheit). Sehr Arbeitnehmerfreundlich also.

Und der Arbeitgeber? Warum kommt mir der so entgegen? Aus seiner Sicht tut er das gar nicht. Büroarbeitsplätze kosten Geld, und zwar auch dann, wenn die jeweiligen Mitarbeiter im Urlaub sind, krank, auf einem externen Seminar oder auf Sabbatical. Wirtschaftlich sinnvoller ist es, wie eine Fluggesellschaft gleich mit Ausfällen zu kalkulieren und die Büroarbeitsplätze quasi zu überbuchen. Damit das auch richtig reibungslos funktioniert, werden die Angestellten zur räumlichen Flexibilität eingeladen. Das ist für beide Seiten von Vorteil.

 
raini meinte am :
Working Home
Das klingt doch toll! Seit Jahren arbeite ich ja schon zu Hause im eigenen Atelier und spare mir die Fahrzeit von uns in die Schottenfeldgasse, wo ich früher mein Büro hatte. Zur Weihnachtszeit war die Fahrt oft sogar noch länger als deine angegebenen 2 Stunden, aber im Schnitt kommt das schon hin. Man hat also tatsächlich mehr freie Zeit zur Verfügung.

Das Arbeiten zu Hause birgt aber auch einige Gefahren. So habe ich mir anfänglich fix vorgenommen, mich jeden Tag in der früh so zu kleiden, als führe ich ins Büro zu den Kollegen. Aber nach 5 Jahren hat sich die Jogginghose tatsächlich durchgesetzt und so schlurfe ich jetzt in bequemen Latschen und viel zu langen und wallenden Oberteilen vom Schlafzimmer ins Büro. Derart bequem gekleidet lässt es sich wesentlich besser arbeiten. Ich habe ja zum Glück keine Videokonferenzen. Ich schaue also quasi manchmal wirklich aus wie ein Nerd. Erst der entsetze Gesichtsausdruck von meines lieben Cousins Ehefrau hat mich aufgerüttelt, als ich ihr erzählt habe, dass ich sogar zu faul mit, mich in Jeans zu schmeißen, wenn ich kurz zum Hofer einkaufen gehen. So viel Energieaufwand für ein Packerl Milch zahlt sich nicht aus. Aber sie war dermaßen schockiert über mich, dass ich mir gleich ein paar Jogging-Pants gekauft habe. Das ist eine Mischung aus bequemer Jogging-Hose im Look einer ordentlichen Bundfaltenhose. Ich habe sozusagen die Quadratur des Kreises gefunden. Sehr schön und bequem das ist.

Was aber noch viel wichtiger ist: Man wird ein bisschen Leutfremd wenn man gar allzulange alleine arbeitet. Mir ist das mal passiert, dass ich nach Stunden konzentrierter Arbeit vorm Monitor zum Hofer gegangen bin. Ich habe nicht damit gerechnet, dort auf Menschen – M E N S C H E N - zu treffen. Als mich plötzlich eine Bekannte begrüßt hat, die ich vom Hundespaziergang kenne, war ich so aus der Fassung, dass ich ihr und ihrem Mann ganz förmlich die Hand geschüttelt habe, mit offenem Mund lediglich ein krächziges "ääääääähhhhhhh" von mir geben konnte und dann gleich wieder zurück in die Sicherheit meiner eigenen 4 Wände geflüchtet bin. Arbeiten zu Hause hat wirklich seine Vorteile.

Was in den letzten 14 Jahren aber immer war ist: Das Büro ist pünktlich um 9 Uhr geöffnet. Auch wenn es mich noch so sehr ins Bettchen zieht, weil der Abend vorher etwas zu lange gedauert hat … diese Goldene Regel ist selbst im Jogginghosen unumstößlich! So wie die Regeln der Haarpflege. Das hat immerhin schon Elle Woods in Natürlich Blond gewusst :-) 
ossi1967 antwortete am :
Leutfremd

Leutfremd klingt lustig. Ja, so gaaaanz ohne Kontakt zu meinen Kollegen würd ichs nicht wollen, obwohl das natürlich auch alles Menschen sind - mit all den damit verbundenen Nachteilen. Für mich heißt "mobile working" ja auch nicht notwendigerweise zuhause arbeiten, sondern eben nicht im Arsenal arbeiten. In der Lassallestraße zum Beispiel bin ja dann auch "mobile", aber eben unter Menschen.

Wie ein Nerd auszusehen ist sicher nicht das Schlimmste, was einem passieren kann. Das macht männlich, jung und sexy, jedenfalls im Vergleich zu A&F. :)

Wenn ich dann zuhause bin, halt ich das auch konsequent durch. Ich war an diesen Tagen noch nie draußen. Milch liefert der Interspar, das Abendessen der Burger King... Wenn ich dann am Abend Kurs hab und der Murat mich fragt, wie ich den Tag verbracht hab, ist er jedes einzelne Mal völlig fertig. Der checkt das überhaupt nicht, daß man nicht zumindest mal kurz um den Block geht. Daß man das überhaupt aushalten kann im Kopf. :)

Und 9:00 Uhr: Ja! Das ist bei mir genauso! Wenn ich im Büro sein muß (egal in welchem), dann ist halt Gleitzeit und es schert mich nicht, wenn ich auch mal erst um halba zehne antanz. Aber wenn ich zuhause arbeite, muß ich unbedingt spätestens um 9:00 online sein und den Büro-Desktop vor mir haben. Sonst hab ich gegen mich selbst verloren. ;)

 
schlosser meinte am :
@Hase2: Solang...
...Du mir abends nicht auch die Hand schüttelst und mich mit einem "äääääh" begrüßt, ist alles gut. :-))
Den "Sackelpicker-Look" find ich sexy - und man muß auch nicht viel vornerum aufknöpfen, wenn man.... ääääähhh... naja, weißt eh. *LOL*

Und außerdem: Ich lüfte Dich ja eh aus z'mittag...jeden Tag... für fast eine Stunde. Das ist doch eh mehr Bewegung, als der Ossi offenbar in einer ganzen Woche macht. *gacker*

@Ossi:
Ich kann mir sowas "Flexibles" schwer vorstellen, ehrlich xagt. Brauchst Du keine Bene-Ordner, in die Du reinguckst? Alles ist bei Dir im Combjudda drinne? Und wenn Du neue Arbeit kriegst, musst Du dann nur per Mail gebrieft werden? Oder geht das dann auch per Videoschaltung?
Mein Gottchen... ich bin da ja hoffnungslos analog, offenbar! Meine Federn und Schlüssel passen ja auch nicht durch die Email-Kabel durch. *g* 
ossi1967 antwortete am :
Bene-Ordner????

Ach Dü lübö Zoit! Das ist so 1970er. Nö, Hase, sowas hab ich nicht. Wenn ich von einem Büro ins andere übersiedle, sind die einzigen Dinge in meinem Übersiedlungskarton die Schlafmaus, das Sandmännlein, die Zahnbürste (mit Zahnseide und Zahnpasta), zwei Kaffeehäferln in Reserve und eventuell ein paar Schachteln Nespresso-Kapseln. (Du weißt ja, im Büro muß ich das Zeug ja trinken. *gg*). Jetzt, im Arsenal, hab ich nicht mal mehr diese Dinge. Wenn wir Anfang Jänner vom 3. in den 4. Stock übersiedeln, heißt das nur: Am Vortag vom 3. Stock heimgehen, am nächsten Tag in der Früh im 4. Stock auf den neuen Arbeitsplatz setzen.

Alles, was ich wirklich zum Arbeiten brauch, ist im Netz. Was würde ich denn auf Papier brauchen und zu welchem Behufe? Wenn ich eine neue Arbeit krieg, schreibt mir mein Chef: Kümmerst du dich um das Thema bitte? Und dann ghörts mir. Da werden keine Bene-Ordner durch Wien geschleppt. *LOL*

 
schlosser antwortete am :
*wiiiiieher!* - Man rufe nach dem Buhufe! :-)
Zahnseide im Büro? How kinky! ;) 
ossi1967 antwortete am :
Ja, die Zahnpflege hat Tradition

Diese Dinge schlepp ich seit Jahrzehnten durch jede Übersiedlung für den Fall, daß ich mal direkt vom Büro zum Zahnarzt muß.