Julian Schmid: Das Ende der grünen Hoffnungen
Obwohl ich Peter Pilz politisch nahe stehe: Nicht sein Ausscheiden hat meine kurzzeitig aufgekeimten Hoffnungen in eine aus Überzeugung wählbare grüne Partei zunichte gemacht. Bei aller Heldenverehrung muß man ja doch zugeben: Nach 31 Jahren darf es auch einmal zu Ende gehen. Nein, es waren die Stimmen für Julian Schmid, die mir alle Illusionen geraubt haben. Wie ist eine Partei inhaltlich und politisch einzuordnen, die sich bei einer Kampfabstimmung Pilz-Schmid mit so deutlicher Mehrheit für Schmid entscheidet?
Um das zu beantworten muß man ausführen, wer Julian Schmid ist. (Daß man das überhaupt erklären muß, ist Teil des Problems: Niemand kennt ihn. Aus gutem Grund.) Schmids politische Karriere begann in der Schülervertretung als Mitbegründer der Liste „FARBLOS - Unabhängige SchülerInnen“. Der Name ist Programm und zieht sich durch Julian Schmids völlig unauffällige, eben „farblose“, Politkarriere. Nach dem Motto „Nur keine Feinde machen, nur nirgendwo anecken“ hat er sich hochgedient und sitzt seit 29.10.2013 als (damals) jüngster Abgeordneter im Nationalrat. Ja, seit 2013 schon. (Jetzt sind einige doch verblüfft, stimmts?)
Ich bin ein politisch interessierter Mensch. Ich kann nicht behaupten, daß Schmid mir in seiner Funktion als Abgeordneter gar nicht aufgefallen wäre. Mit folgenden Leistungen ist er mir in Erinnerung geblieben:
- Bei seiner Amtseinführung trug er einen Kapuzenpulli und bezeichnete das als
bewußtes Statement
. (Man muß das nicht verstehen.) - Auf einem vom österreichischen Werberat als sexistisch eingestuften Plakat verspricht er, bedeckt von Lippenstift-Kußmündern,
Öffi für alles
zu sein. - Die Kronen Zeitung veröffentlichte ein Foto von ihm, mit dem er halb nackt
sexy Urlaubsgrüße
ausrichtet.
Gut, das ist aber nur meine Einschätzung. Über 55% der Grünen Delegierten ihn gewählt, also muß er wohl innerparteilich einen besseren Ruf haben. Wofür also steht Julian Schmid politisch?
Gabi Moser, die die ganze Zeit über mit ihm im Nationalratsklub der Grünen war, beantwortet die Frage im ORF-Report mit Das weiß ich nicht
und einem irritierten Achselzucken. Ähnlich die Antwort eines anderen Klubkollegen, Harald Walser, in der gleichen Fernsehsendung: Naja, da fragen Sie am besten Julian Schmid selber.
Die einzige, die den selbstverliebten Dauergrinser aus Kärnten zu verteidigen versucht, ist Ulrike Lunacek: Sie hält ihm zugute, daß er Schüler durch Parlament geführt und so für Politik interessiert habe. Ein Fremdenführerjob also für € 8.000,- im Monat.
Und Julian Schmid selbst? Was hält er für seine politische Qualifikation? Er ist nicht in die Politik gegangen, um eine Spaßbremse zu sein, sagt er. Und er ist irgendwie „für die Jungen“. Und er macht ganz viel auf Social Media. Er spricht sehr viel von Schülern und Erstwählern. Daß er selbst auf die 30 zugeht und damit in einem Alter ist, in dem das Image des Berufsjugendlichen peinlich rüberkommt, hat er noch nicht verstanden. Er verläßt sich auf das breite Grinsen, das er immer dann aufsetzt, wenn irgendwo eine Kamera (meist seine eigene) in der Nähe ist und meint weiterhin, daß ein Kapuzenpulli ein paar Jahre kaschieren kann.
Warum ist das alles nun so übel? Warum verbeiße ich mich so in Julian Schmids Schwächen, die mich seit 2013 auch nicht weiter gestört haben?
Weil ich im Mai anläßlich des Rücktritts von Glawischnig-Piesczek geschrieben habe:
Mit vollem Recht wurden die vergangenen Wahlkämpfe in den Medien als „Wohlfühlkampagnen“ kritisiert. Nur nicht anecken, nur nicht Stellung beziehen, nur niemanden verschrecken. […]Ob nun also Lunacek im Juni als Spitzenkandidatin bestätigt wird oder nicht, scheint mir nebensächlich zu sein. Viel wichtiger ist es, daß die Partei ihre Richtung korrigiert. Es darf nicht mehr passieren, daß die eigenen Internetauftritte beherrscht werden von Wellness im Park und Urban Gardening in Währing. […] Es muß endlich prononciert linke Politik gemacht werden. […]
Wenn Glawischnig-Piesczek als Teil der bürgerlichen Seitenblicke-Gesellschaft beschimpft wurde, war das nicht in erster Linie Kritik am oberflächlichen Narzissmus und Hedonismus, den das TV-Format propagiert. Es war vor allem auch Kritik daran, daß sie als Repräsentantin einer Partei, die eigentlich links sein sollte, sich selbst vor den Kameras als priviligierte Upper-Class-Lady zumindest inszenierte.
Das war eine klar formulierte Erwartungshaltung nicht nur an Lunacek und Felipe, sondern an die Partei an sich: linke, kantige Politik statt sanft und inhaltsleer in alle Kameras zu lächeln. Am Bundeskongress in Linz hat sich mit der Abstimmung Schmid gegen Pilz genau diese Frage gestellt: Pilz steht für kantige, konkrete, linke Politik. Schmid verbringt seine Zeit damit, sich vor Kameras in Pose zu werfen und sein gekünsteltes Grinsen auf Selfies im Internet zu posten. Es war die Partei, die sich entschieden hat. Das Drama ist nicht, daß sie sich gegen Pilz als Person entschieden hat. Das Drama ist, daß sie sich für Schmid als Repräsentanten genau jener inhaltsleeren Wellness-Politik entschieden hat, die ich schon unter Glawischnig-Piesczek so sehr abgelehnt habe.
Du hast es behauptet, aber nie belegt. Wenn man Dinge behauptet, die so weit vom gemeinsamen Verständnis aller Politikinteressierten sind (siehe zB hier und hier), dann sollte man sie lieber belegen statt nur wiederholen können.
Natürlich stehen die Grünen links. Das hat sich in Linz auch nicht geändert, man hat ja kein neues Programm beschlossen. Man hat nur Menschen gewählt, die diese linke Politik gerne mal behübschen und glattbürsten, wenns der Like-Maximierung auf Facebook dienlich ist.
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Worten.
Wir haben ein Kommunikationsproblem. Ich weiß nicht, worüber Du sprichst. Wenn die Partei ein linkes Parteiprogramm hat (das scheinst Du ja nicht grundsätzlich abzustreiten), wie kann sie dann nicht links sein? Das Parteiprogramm definiert ja die Position einer Partei. Und auch daß die Partei als links wahrgenommen
wird, wie Du selbst schreibst, sollte Dir zu denken geben. Oder bist Du grad am „Lauter Geisterfahrer!“-Trip? ;)
Vielleicht in Gesellschaftspolitischen Fragen aber nie nicht in wirtschaftspolitischen.... ;)
Was Du mir sagst heißt in etwa:
Wenn Du am Schreibtisch ganz an der rechten äußersten Kante einen Zettel für die NR-Partei hinlegst, die für Dich wirtschaftlich „am rechtesten“ ist … und an der linken Kante einen Zettel für die, die Deiner Meinung nach am weitesten links steht … und wenn Du dann die anderen dazwischen legst unter Berücksichtigung der Abstände zueinander … Dann liegen bei Dir die Grünen auf der rechten Seite des Schreibtischs?
Ich hab grad eine Diskussion mitverfolgt mit jemandem, der allen erklärt, daß die Evolutionstheorie erwiesenermaßen falsch ist, weil keine ihrer Voraussagen jemals eingetreten ist bzw. erwiesen werden konnte. So ähnlich kommt mir die Diskussion um die links/rechts-Positionierung der Grünen vor. Natürlich kann man bzgl. der Evoutionstheorie darauf hinweisen, daß sie aufgrund ihres Charakters den Status einer Theorie nie verlieren wird, kaum jemals endgültig zu beweisen sein wird. Das ist aber etwa anderes als zu sagen, sie sei erwiesenermaßen falsch. Genauso ist es beim grünen Zettelchen am Schreibtisch. Man kann drüber diskutieren, ob es ganz an der linken Kante liegt oder ein bißchen mehr in der Mitte. (Wobei dann eben wirklich interessant wär, wer links davon liegt.) Genauso wie man drüber streiten kann, wer die äußerst rechte Position inne hat, die ÖVP oder die NEOS. Aber anzunehmen, daß die Grünen im aufgespannten Parteienbogen rechts der Mitte liegen, ist kaum mehr ernst zu nehmen.
Ich kapier nicht ganz was du mir sagen willst.
Ich hab die grünen nicht als "rechts" bezeichnet, sondern nur gesagt, dass die grüne Wirtschaftspolitik nicht "links" ist.
Ja. Da dürften wir jetzt die Grenzen verbaler Kommunikation erreicht haben. (Wobei mein Beispiel mit den Zettelchen am Schreibtisch schon nonverbalen Workshop-Charakter hatte.) Die Wirtschaftspolitik ist halt entweder auf der linken oder auf der rechten Seite der Skala angesiedelt. (Außer Du schaffst es, den Abstand zwischen der äußerst linken Partei und den Grünen so zu konstrieren, daß die Grünen exakt am Bleistiftstrich in der Mitte landen.)