Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Wahlanfechtung: Die FPÖ am Weg zum Modell Führerstaat

H.C. StracheAm 23.5. hab ichs vorhergesagt: Van der Bellens knapper Vorsprung von nur 31.000 Stimmen zwingt die FPÖ geradezu zur Anfechtung. Jetzt also ist es so weit. Und: Eigentlich ist das gut so.

Gut ist, daß die im Umfeld der Wahl bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten vom verfassungsmäßig zuständigen Organ behandelt werden. Sie sind ernst zu nehmen und nicht von unqualifizierten Schreihälsen auf Facebook, in den Gratiszeitungen oder auf rechten Websites für Propaganda und Opfermythen zu mißbrauchen.

Gut ist, daß in diesem Zusammenhang das Institut der Briefwahl endlich breit diskutiert wird. Es wurde 2007 auf Wunsch der ÖVP ins Wahlrechtsänderungsgesetz reklamiert, als Preis für die von der SPÖ gewollte Senkung des Wahlalters. Als einzige Partei gegen das gesamte Paket gestimmt hat damals die FPÖ, und das zumindest bezüglich der Briefwahl aus gutem Grund: Das Ausfüllen des Wahlzettels unter Papas Aufsicht am heimischen Küchentisch entspricht nun einmal nicht dem Grundsatz der geheimen Wahl. Aus. Basta. Da gibts nichts zu deuteln und zu argumentieren. Die Briefwahl ghört weg. (Öffentlich diskutiert wurde das Thema 2007 deshalb nicht, weil das Gesetz im Eilzugstempo durchgepeitscht wurde. Außerdem sind die Menschen - insbesondere die FPÖ-Wähler - von abstrakten Diskussionen über Dinge wie „Grundsätze der Verfassung“ schnell überfordert. Das ändert sich erst, wenn es um etwas Konkretes, für sie Greifbares geht; eben um Hofer oder Van der Bellen.)

Gut ist auch, daß ein so knappes Wahlergebnis kontrolliert wird. Wenn irgendwelche Vollhonks von der FPÖ als Wahlbeisitzer für die ordnungsgemäße Auszählung unterschreiben und sich die Partei dann nachher bemüßigt fühlt, gegen die Aussagen ihrer eigenen Leute Zweifel anzumelden, dann muß das Untersucht werden.

So gesehen also alles gut.

Alles gut? Mitnichten.

Was brandgefährlich (und leider nur zu durchschaubar) ist, ist die Inszenierung. Der FPÖ unter Strache geht es ganz offensichtlich kein bißchen um das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl. Das Ziel ist, den Staat und seine Institutionen zu diskreditieren, das Vertrauen in die Republik und ihre Organe zu erschüttern. In einer ersten Schlacht hatte die extreme Rechte gezielt das Vertrauen der Unterschicht in jede Art von Medien zerstört. Mit gezielten Lügen, manipulierten Bildern oder aus dem Zusammenhang gerissenen, uralten Videos wurde eine parallele Facebook-Realität geschaffen. Diese steht in fast allen Lebens- und Politikbereichen in krassem Gegensatz zur tatsächlichen Wirklichkeit und den bei weitem nicht so aufregenden Berichten, die seriöse Medien über sie liefern müssen.

In der Folge vertrauen viele Menschen keiner einzigen Informationsquelle mehr sondern nur mehr dem, der sie das Mißtrauen gelehrt hat: Strache. „Die belügen euch“, sagt der. „Ich bin die Wahrheit und das Licht“, verspricht er. Damit hat er bei seinen Jüngern das Informationsmonopol.

Nun gehts in die nächste Runde: In die zweite Schlacht ziehen die Faschisten nicht mehr gegen Kronen Zeitung, ORF und Presse. Die zweite Schlacht richtet sich gegen die Organe der pluralistischen, demokratischen Republik. „Die da oben lügen euch an!“, „Die da oben fälschen Wahlen!“, „Die da oben richten sichs, wie sie es brauchen!“ - „Glaubt ihnen nicht!“, „Habt kein Vertrauen in Justiz und Verwaltung!“ … „Glaubt mir, ich bin die Wahrheit und das Licht!“

„Ich bin die Wahrheit und das Licht. Ich bin euer Führer.“ - Es gibt keinen Zweifel darüber, was die FPÖ bezweckt. Sie will nicht die Ungereimtheiten bei der Bundespräsidentenwahl geklärt wissen. Sie will den Führerstaat.

 
Wolfi (Gast) meinte am :
Ja,...
... sehr treffend geschrieben und analysiert.
Da passt ja diese Meldung von heute wunderbar dazu: http://orf.at/stories/2344324/

Grausliche Bagahsch, grausliche. 
ossi1967 antwortete am :
Etablierte Parteien

Ja, Rattenfänger_innen eben, der Strache und die Petry. Besonders interessant finde ich ja, daß offenbar die AfD innerhalb kurzer Zeit den Narrativ von den etablierten Parteien (als abwertende Bezeichnung für alles Demokratische) wörtlich übernommen hat. Das find ich deswegen so witzig, weils ja bei der relativ jungen AfD sogar ausnahmsweise paßt. Die FPÖ hingegen ist über 60 Jahre alt. 20% ihrer „Lebenszeit“ hat sie auf Bundesebene Regierungsverantwortung getragen (die Minderheitsregierung Kreisky unter FPÖ-Duldung gar nicht mitgerechnet). Und ausgerechnet diese Uralt-Partei bezeichnet andere (die teilweise gerade erst gegründet wurden und niemals in Regierungen waren) als „etablierte Parteien“? Da merkt man, für wie deppat die FPÖ ihre Anhänger hält - und wie Recht sie damit hat!

 
Deep_Blue meinte am :
Nur kurz
Im Großen und Ganzen hast du recht.
Die Briefwahl gehört abgeschafft und die Wahlanfechtung der FPÖ ist vollkommen entbehrlich, da sich an dem Ergebnis nichts ändern wird.

"das Vertrauen in die Republik und ihre Organe zu erschüttern" ...........

Das geschieht nicht erst jetzt durch die Wahlanfechtung, sondern ist schon lange durch diese unfassbaren Schlampereien im Zuge der Wahl geschehen.
Und da sind blaue Funktionäre nicht ausgenommen.

Und das weder die FPÖ noch die linke Reichshälfte Interesse daran hat, die "Gräben zuzuschütten" steht ja wohl auch außer Diskussion. Beide Seiten versuchen jetzt politisches Kleingeld daraus zu schlagen.

Führerstaat - a so ein Blödsinn. 
ossi1967 antwortete am :
Nö, Hasi. Nö.

Weder durch Unregelmäßigkeiten bei der Wahl noch durch die Anfechtung an sich ist das Vertrauen erschüttert. Die unfassbaren Schlampereien sind gar so unfaßbar nicht, zumindest nicht die, die ich kenne. Und die Möglichkeit einer Anfechtung sollte im Gegenteil ja das Vertrauen ins System stärken.

Was das Vertrauen in Justiz und Verwaltung erschüttert ist die Art und Weise, wie das Theater von blauer Seite inszeniert und begleitet wird. Und das braucht sich niemand anderer zurechnen lassen.