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Open Data: Petition gegen Wiener Linien

Seit 2010 kämpfen Politik und Medien gegen die unhaltbaren Zustände bei den Wiener Linien an: Dort werden nämlich die aus öffentlichen Geldern finanzierten Fahrplan- und Echtzeitdaten weitgehend unter Verschluß gehalten. Die Auswahl der Unternehmen, die darauf Zugriff erhalten, ist intransparent und willkürlich. Immer wieder werden einzelne Programmierer mit einer vollen Breitseite juristischer Drohungen zum Aufgeben gezwungen, wenn sie versuchen, diese Daten für mit hilfreichen, kostenlosen Programmen aufzubereiten.

Zum ersten Mal seit 2010 gibt es nun wieder eine konkrete politische Initiative, die diesen Mauscheleien ein Ende setzen könnte - und ich werde sie unterstützen! Eine Petition auf wien.gv.at von Robert Harm fordert:

Die Stadt Wien möge […] beschließen, dass die Datenbestände der Wiener Linien wie z.B. Echtzeitinformationen, Haltestelleninfos oder Linienpläne auch nach Open Data-Prinzipien (d.h. va. maschinenlesbar, Verwendung einer offenen Lizenz wie zB CC-BY) den Bürgern zur Verfügung gestellt werden.

Ich hab mich extra für die Bürgerkarte in Form der Handy-Signatur angemeldet, um die Petition online unterzeichnen zu können (Erfahrungen dazu in einem extra Artikel). Angeblich soll es aber ab nächster Woche auch irgendwie möglich sein Seit heute ist es auch möglich, „offline“ zu unterschreiben.

Anlaß für die aktuelle Petition ist die übliche Vorgehensweise der Wiener Linien: Ein noch in Entwicklung befindliches, aber bereits auf Google Play erhältliches Programm zur Abfrage der öffentlichen Daten wurde von den Anwälten der Wiener Linien mit Klagsdrohungen aus dem Verkehr gezogen. Genau so hat es 2010 begonnen, wie ich zum ersten Mal mit dem Thema konfrontiert wurde. Ein kurzer Rückblick, der auch erklärt, warum mich die Sache so sehr ärgert und bewegt:

Anfang 2010 habe ich für mein damaliges Handy, das Nokia N900, das Programm OpenQando verwendet. Da die Wiener Linien ein Nischenprodukt wie das N900 nicht unterstützten, war OpenQando für mich die einzige Möglichkeit, bequem an Echtzeitinformationen über die von mir benutzten Straßenbahnlinien zu bekommen. Es war ein extrem gut gemachtes Stück Software.

Im Mai 2010 hat mich der Programmierer von OpenQando angeschrieben: Ich möchte doch bitte den begeisterten Artikel über das Programm aus meinem Blog entfernen. Die Wiener Linien hätten ihm rechtliche Konsequenzen angedroht, wenn er die Entwicklung nicht einstellt und alle Hinweise auf die Software aus dem Internet löscht. Den Artikel dazu gibts noch hier.

Einige Monate später, im September 2010, wurde der damalige Landtagsabgeordnete Marco Schreuder auf die Situation aufmerksam und verfaßte ebenfalls einen Artikel dazu. Wichtiger noch: Er brachte gemeinsam mit seiner grünen Fraktionskollegin Puller einen Antrag ein, der die Situation im Sinne von „Open Data“ klären sollte. ÖVP und FPÖ stimmten den Grünen zu, nur die damalige SPÖ-Mehrheit schmetterte den Antrag ab.

Wien-Wahl, rot-grüne Koalition, Regierungsübereinkommen. Im Novenber 2010 bekannte sich die grundsätzlich mauernde SPÖ im Regierungsübereinkommen mit den Grünen unter der Kapitelüberschrift „Open Data, Open Government“ zumindest dazu, die Möglichkeiten und etwaige Risiken von „Open Data“ und „Open Government“ - also der freie Zugang zu bestimmten öffentlichen (nicht personenbezogenen) Daten in für Menschen und Maschinen lesbarer Form - für Wien zu erörtern. Das war kein großer Schritt vorwärts, aber wenigstens war die Tür einen Spalt offen. Ich habe berichtet.

Juli 2012: In einem Online-Chat fragte eine Journalistin von derstandard.at den Aufsichtsratsvorsitzenden der Wiener Linien, Eduard Winter, nach dem Stand der Dinge. Winter leistete sich eine ungeheuerliche Entgleisung: Die Wiener Linien hätten, so sagt er, bzgl. Open Data die Befürchtung, daß hier möglicherweise kriminelle Energie frei werden könnte - zum Schaden unserer Fahrgäste. Informationen über die aktuellen Busverspätungen als sicherheitskritische Geheiminformation, die vor Terroristen geschützt werden muß? Unfaßbar.

März 2013: Fast genau drei Jahre nach dem N900-Skandal wiederholen nun die Wiener Linien die gleiche juristische Einschüchterungstaktik mit einem anderen Programmierer, einem anderen Programm. Diesmal ist es Robert Harm, Vorstand des Open-Data-Vereins Open3, der darauf regiert und eine Online-Petition auf Basis des Gesetzes über Petitionen in Wien einbringt.

Wenn ich das Gesetz richtig verstanden habe, ist bei Erreichen der Hürde von 500 Unterschriften eine Behandlung im Petitionsausschuß vorgesehen, mehr nicht. Der Ausschuß kann sich noch formale Gründe ausdenken, die gegen die Weiterbehandlung der Eingabe sprechen. Im besten Fall spricht er eine Empfehlung über die weitere Vorgangsweise aus und die Petition ist durch den für Petitionen zuständigen amtsführenden Stadtrat schriftlich gegenüber der Einbringerin bzw. dem Einbringer zu beantworten. Mit anderen Worten: Es besteht keinerlei Verpflichtung, die Eingabe in irgendeiner Weise ernsthaft und inhaltlich zu diskutieren. Trotzdem zahlt es sich auf jeden Fall aus, das Instrument zu nutzen: Es muß den Verantwortlichen klar werden, daß sie der Öffnung der durch Steuermittel finanzierten Daten der Wiener Linien nicht durch bloßes Aussitzen entkommen können. Wie auch immer der Vertrag zwischen den Wiener Linien und Fluidtime (die Firma hinter dem einzigen autorisierten Programm „Qando“) aussieht: Die Details müssen an die Öffentlichkeit. Zahlen die Wiener am Ende der Fluidtime etwas dafür, daß sie über ihren eigenen Datenbestand nicht frei verfügen dürfen? Wie viel hat die Entwicklung von Qando bisher gekostet? Hätte man sich das nicht alles sparen können, indem man einfach nur die Daten freigegeben hätte?

 
Deep_Blue meinte am :
Es muss ja
einen Grund geben, warum sich die Wr. Linien so vehement wehren.

Hast du da eine Idee ? 
ossi1967 antwortete am :
Cui bono?

Natürlich hab ich keine Idee. Mit dem öffentlichen Beschuldigen sollt man ja auch eher vorsichtig sein. :)

Man kann sich natürlich die Frage stellen, wem die derzeitige Konstellation nützt bzw. wer am ehesten was zu verlieren hätte, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern:

Die Wiener Linien investieren derzeit in die Datensammlung und bezahlen eine externe Firma dafür, als Monopolist das einzig verfügbare Programm zur Darstellung dieser Daten zu entwickeln und zu warten.

Wenn die Daten stattdessen offen zur Verfügung stehen, müssen die Wiener Linien nicht mehr zwangsweise Steuergeld zur Programmentwicklung beitragen. Sie können sich, sobald alternative Software zur Verfügung steht, auf die Bereitstellung der ohnehin intern gesammelten Daten zurückziehen.

Das sind die Rahmenbedingungen.

 
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