Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Von Reichtum und Umverteilung

Sozialberichte des Sozialministeriums sollten regelmäßig zu blutigen Revolutionen führen. Stattdessen reicht es für eine unverständlich formulierte Randnotiz in der Zeitung.

Im aktuellen Bericht 2011-2012 wird erstmals eine genauere Analyse der Vermögensverteilung in Österreich vorgenommen. Zusammen mit den Daten aus früheren Berichten halte ich folgende Punkte daraus für besonders erwähnenswert:

  • Es gibt in Österreich keinerlei politisches Interesse und keinen Gestaltungswillen, was Vermögensverteilung und -umverteilung betrifft. Bis 2012 hatte man nicht einmal grundlegendste Daten dazu und hätte sie aus eigener Initiative bis heute nicht. Daß die Daten überhaupt erstmals erhoben wurden (so gut es ging), ist der Bemühung der Europäischen Union zu verdanken.
  • Eigentlich sollte - bei einer theoretischen 100%igen Verteilungsgerechtigkeit - jeder österreichische Haushalt über ein Nettovermögen von rund € 265.000,- verfügen. Tatsächlich erreicht nicht einmal ein Viertel der Haushalte diesen Wert.
  • 50% der Haushalte haben durchschnittlich nur rund € 18.500,- an Nettovermögen. Die reichsten 5% dagegen haben im Schnitt € 2.571.500,- pro Haushalt angesammelt. (Dazwischen liegen 30%, die sich zur „oberen Mitte“ zählen dürfen und durchschnittlich etwa € 178.000,- Nettovermögen besitzen. Gleich danach und unterhalb der „Top 5%“ kommen die 15% der „Vermögenden“ mit € 497.000,- Nettovermögen im Schnitt.)
  • Aus dem 2010er-Bericht: Weniger als 0,5% der Österreicher sind im Besitz von mehr als einem Drittel des Geldvermögens.
  • Den ärmsten Österreichern ist ihre Position in der Statistik nicht bewußt: Als einzige Gruppe verschätzen sich die ärmsten 30% nach oben, wenn sie sich in der Vermögensskala einordnen sollen. Politisch bedeutet das, daß sie sich bei jeder Diskussion über die Umverteilung des Vermögens tendenziell eher auf der Seite sehen, der etwas weggenommen werden soll, nicht auf der Empfängerseite.
  • Die ärmsten 50% der Haushalte verfügen über nur 4% des gesamten Brutto-Vermögens in Österreich. Dem gegenüber stehen die reichsten 5%, denen 45% des gesamten Bruttovermögens gehören.
  • Ebenfalls aus dem 2010er-Bericht: Immobilienvermögen wird vererbt. Auch hier gibt es eine starke Konzentration: 40% des vererbten Immobilienvermögens geht an nur 2% der österreichischen Haushalte.

Es gibt eine Meßgröße für die Ungleichverteilung, den Gini-Koeffizienten. Der bewegt sich zwischen 0 (bedeutet Gleichverteilung) und 1 (maximale Ungleichverteilung). Laut Erhebungen der CIA liegt dieser Wert beim Einkommen in Österreich irgendwo zwischen 0,25 und 0,29. Das ist gar nicht so übel, erreicht fast skandinavisches Niveau und setzt sich deutlich von Bananenstaaten wie den USA und China (beide über 0,45) oder Botswana (über 0,6) ab. Beim Vermögen jedoch, auf das ich mich hier konzentriere, schlägt uns plötzlich ein Gini-Koeffizient von 0,76 entgegen. International gesehen ist das noch nicht mal so ein großer Ausreißer, Werte über 0,6 sind nicht unüblich. Gefunden habe ich ältere Vergleichsdaten aus Finnland (0,68), Italien (0,61), dem Vereinigten Königreich (0,66), Deutschland (0,78) und den USA (0,81), die allerdings alle über 10 Jahre alt sind.

Wichtiger als die Frage, was international üblich ist, ist aber die Frage, was für eine Gesellschaft gesund und gerade noch erträglich ist. US-amerikanische Verhältnisse will ich weder bei der Einkommens- noch bei der Vermögensverteilung haben. Es ist also wenig sinnvoll, sich unter Hinweis auf den in den USA erreichten Wert von 0,81 auf unseren österreichischen 0,76 auszuruhen.

Funktioniert Umverteilung von Vermögenswerten? Ist das nicht ein linksextremes Konzept, eine gescheiterte kommunistische Träumerei? Kurze Erinnerungshilfe: Es war die keineswegs kommunistische CDU, die mit Wirtschaftsminister Ehrhard und Kanzler Adenauer 1952 das Lastenausgleichsgesetz erfand. Es gilt als einer der Grundpfeiler des deutschen Wirtschaftswunders und hat größere Vermögen mit - festhalten! - 50% (in Worten: fünfzig Prozent) besteuert, zahlbar in Raten über einen Zeitraum von 30 Jahren.

Natürlich sind die Voraussetzungen heute andere, die Not der Armen nicht vergleichbar mit der Nachkriegszeit. Aber: Wir haben eine Krise, und die Frage nach der politischen Vertretbarkeit von exzessivem Reichtum auf Kosten der Gemeinschaft ist längst gestellt. In der taz zum Beispiel berichtet Mathias Geffrath über einen Vorschlag, die aktuelle Witschafts- und Schuldenkrise über eine einmalige, europaweite Abgabe von (ohnehin vergleichsweise geringen) 30% auf die Vermögenswerte zu bewältigen. Diejenigen, die aus dem Finanzsystem der letzten Jahrzehnte Gewinn geschlagen haben, sollen für die katastrophalen Folgen bezahlen. Mathias Geffrath stellt dazu trocken fest: Eine 30%ige Vermögenssteuer klingt für uns heute so absurd, daß nicht einmal ausgewiesen linke Organisationen sie fordern würden. 1952 war es die konservative CDU, die eine viel stärkere Umverteilung auf den Weg brachte. Was ist mit unserer Gesellschaft zwischen 1952 und 2012 passiert? Sind wir so sehr nach rechts gerutscht, so entsolidarisiert, daß ehemals konservative Witschaftspolitik heute sogar den Linken zu radikal scheint?

 
Deep_Blue meinte am :
Mein Gott Ossi
da brauchst du einen Sozialbericht (der sicherlich auch noch getürkt ist) um zu erfahren, dass die Politk nicht gewillt ist, die Vermögensverhältnisse zu ändern ?

Wenn du in ihrer Position wärst, würdest du gegen deine Brieftasche arbeiten ?

50% der Haushalte haben durchschnittlich nur rund € 18.500,- an Nettovermögen.

Hahaha, schön zu wissen, dass ich zu den anderen 50 % gehöre :-) 
ossi1967 antwortete am :
Das glaubst Du nicht wirklich?

Du glaubst, daß die paar Politiker das Kraut fett machen in der Statistik? Da hast Du Dich getäuscht.

Das mit den durchschnittlichen € 18.500,- Nettovermögen bei den unteren 50% ist eben genau das: nur ein Durchschnittswert. Die Grenze zwischen den unteren 50% und den oberen 50% liegt bei einem Nettovermögen von rund € 76.000,-.

 
Deep_Blue antwortete am :
Ich meinte, dass kein politischer Wille da ist, irgendetwas zu ändern.

Ist ja logisch, die gehören ja auch zur sogenannten Oberschicht. 
ossi1967 antwortete am :
Du gehst davon aus,

… daß alle Menschen (incl. Politiker) immer nur das tun, was zu ihrem eigenen Vorteil ist. Das entspricht nicht meiner Erfahrung.

PS: Und wenn Du die aktuelle Medienberichterstattung verfolgst weißt Du auch, daß z.B. der arme Strasser Ernstl als einer der einflußreichsten schwarzen Politiker nur ein Privatvermögen von € 30.000,- hat. Da ist er ja mitten drin in den unteren 50%! (Es sei denn, die Angaben wären nicht richtig, aber das kann ich mir bei einem Mitglied der FP/VP-Koalition überhaupt nicht vorstellen.)

 
schlosser meinte am :
Topaktuell!
Du bist ja mit Deinen Postings TOPAKTUELL, wie man am Ausgang der Gemeinderatswahlen in Graz erkennen kann! ;)


(Über eine inhaltlich bezugnehmende Meinungsäußerung meinereiner denke ich noch nach. Es ist Montag, acht Uhr. Noch keinen zweiten Kaffee gehabt. *gg*) 
ossi1967 antwortete am :
Graz?

Wieso Gra- ah, ach so. Wegen Adenauers CDU und der ÖVP. Beide schwarz. OK.

(Du kannst Dir zwei Kaffee am Tag leisten? Aha. *gg*)

 
schlosser antwortete am :
Nein.
Wegen der 20 Kommunisten-Prozente! 
ossi1967 antwortete am :
Zusammenhang?

Da fehlt mir jetzt der inhaltliche Zusammenhang … Sind die so reich in Graz? Obwohl: Würd ja wieder nicht in die Haushaltsstatistik fallen.

 
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