Flexibilität ist Stillstand
"... daß zu viel Flexibilität auch Stillstand bedeuten kann." - Mit diesem unschuldigen Nebensatz stellt Moderatorin Tita von Hardenberg in der Anmoderation des Beitrags "Ewig jugendlich" (polylux, 13.10.2003) alles in Frage, was uns heute heilig ist.
Ist nicht Stillstand Rückschritt? Ist nicht gerade immer höhere Flexibilität das Credo hochbezahlter Management-Gurus? Ist nicht Flexibilität in allen Lebenssituationen, beruflich und privat, längst ein Wert per se, ein unhinterfragtes Charakteristikum dieser Zeit?
Richtig ist: Wer flexibel ist, wer bereit ist, immer neue Ziele zu akzeptieren und sich auf immer neue Rahmenbedingungen einzulassen, fängt immer wieder bei Null an. Es gibt keine Zeit zur Weiterentwicklung, zur Vertiefung, keine Chance zur Ausbildung hervorragender Fähigkeiten.
Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern in hohem Maße Flexibilität abverlangt, beschäftigt ein Heer von Dauerlehrlingen, die nie auch nur annähernd Meisterhaftes vollbringen werden.
Der polylux-Beitrag "Ewig jugendlich" hatte einen anderen, viel konkreteren Inhalt. Es gehört allerding zu den vielen Qualitäten dieser Sendung, Gedankenfutter dieser Art ganz nebenbei zu liefern.
Ist nicht Stillstand Rückschritt? Ist nicht gerade immer höhere Flexibilität das Credo hochbezahlter Management-Gurus? Ist nicht Flexibilität in allen Lebenssituationen, beruflich und privat, längst ein Wert per se, ein unhinterfragtes Charakteristikum dieser Zeit?
Richtig ist: Wer flexibel ist, wer bereit ist, immer neue Ziele zu akzeptieren und sich auf immer neue Rahmenbedingungen einzulassen, fängt immer wieder bei Null an. Es gibt keine Zeit zur Weiterentwicklung, zur Vertiefung, keine Chance zur Ausbildung hervorragender Fähigkeiten.
Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern in hohem Maße Flexibilität abverlangt, beschäftigt ein Heer von Dauerlehrlingen, die nie auch nur annähernd Meisterhaftes vollbringen werden.
Der polylux-Beitrag "Ewig jugendlich" hatte einen anderen, viel konkreteren Inhalt. Es gehört allerding zu den vielen Qualitäten dieser Sendung, Gedankenfutter dieser Art ganz nebenbei zu liefern.
ossi1967, am in Alles und noch mehr
sehpferd meinte am :
„Ein unhinterfragtes Charakteristikum“ und ein bisschen Denkfutter zurück
Mich wundert schon etwas, wenn sich jemand hinter wertlosen, aber monströs klingenden Worthülsen wie „ein unhinterfragtes Charakteristikum dieser Zeit“ verstecken muss.
Beweglich, also „flexibel“ zu sein, ist eine menschliche Eigenschaft, die zunächst zeitlos ist. Eigentlich ist ja gemeint, bei „einem unvorhergesehenen Verlauf eines Problems“ beweglich zu reagieren, also nicht starr auf einen bereits bekannten Lösungsansatz zu bestehen und damit möglicherweise zu scheitern.
Nun bringt allerdings die neue Zeit mit sich, dass Probleme selten gleichförmig sind, sondern von uns verlangen, mit Bedacht, aber eben dennoch beweglich zu reagieren – neu ist dies auch nicht gerade: Diese Eigenschaft wird von Kaufleuten seit Jahrtausenden verlangt.
Die Behauptung, ein Unternehmen, das von seinen Mitarbeitern „in hohem Maße“ Flexibilität verlange, degradiere das Personal zu ewigen Lehrlingen, ist völlig abwegig. Der Meister zeigt sich, im Gegenteil, darin, Beweglichkeit bei Augenmaß zu bewahren: das gilt für einen Handwerksbetrieb ebenso wie für ein Unternehmen. Was in diesem Artikel steht, ist, mit Verlaub, völlig abwegig, weil aus den Fingern gesogen. Über das Thema nachzudenken würde sich freilich lohnen: aber dann bitte nicht mit diesem oberflächlichen „Husch-Husch-Journalismus“, lieber Oskar Welzl.
Beweglich, also „flexibel“ zu sein, ist eine menschliche Eigenschaft, die zunächst zeitlos ist. Eigentlich ist ja gemeint, bei „einem unvorhergesehenen Verlauf eines Problems“ beweglich zu reagieren, also nicht starr auf einen bereits bekannten Lösungsansatz zu bestehen und damit möglicherweise zu scheitern.
Nun bringt allerdings die neue Zeit mit sich, dass Probleme selten gleichförmig sind, sondern von uns verlangen, mit Bedacht, aber eben dennoch beweglich zu reagieren – neu ist dies auch nicht gerade: Diese Eigenschaft wird von Kaufleuten seit Jahrtausenden verlangt.
Die Behauptung, ein Unternehmen, das von seinen Mitarbeitern „in hohem Maße“ Flexibilität verlange, degradiere das Personal zu ewigen Lehrlingen, ist völlig abwegig. Der Meister zeigt sich, im Gegenteil, darin, Beweglichkeit bei Augenmaß zu bewahren: das gilt für einen Handwerksbetrieb ebenso wie für ein Unternehmen. Was in diesem Artikel steht, ist, mit Verlaub, völlig abwegig, weil aus den Fingern gesogen. Über das Thema nachzudenken würde sich freilich lohnen: aber dann bitte nicht mit diesem oberflächlichen „Husch-Husch-Journalismus“, lieber Oskar Welzl.
ossi1967 antwortete am :
Eben. Mit Bedacht.
Niemand hat je bezweifelt, daß Flexibilität eine zunächst zeitlose menschliche Eigenschaft ist. Und, ganz objektiv betrachtet, nicht einmal eine schlechte.
Das Eingangszitat lautet ja nicht "... daß Flexibilität Stillstand bedeutet". Es lautet "... daß zu viel Flexibilität auch Stillstand bedeuten kann."
Das Stichwort haben Sie im Kommentar ja selbst geliefert: "... mit Bedacht, aber eben dennoch beweglich zu reagieren." Mit Bedacht also. Und genau daran mangelt es, so empfinde ich es zumindest.
Flexibilität ist ein Werkzeug, das uns erlaubt, auf sich ändernden Rahmenbedingungen zu reagieren. So wie ein Schirm mir erlaubt, trotz Regen trocken zur Arbeit zu gelangen. Was mich irritiert ist die aus meiner Warte überproportionale Bedeutung, die der persönlichen Flexibilität in unserer Zeit beigemessen wird:
Menschen begeben sich bewußt in neue Lebenssituationen, um "ihre Flexibilität zu bewahren". Nicht um Einkommen, Lebensqualität oder Gesundheit zu erhöhen, nein, ausschließlich "um die Flexibilität zu bewahren".
Bewährte Strukturen werden aus nichtigen Anlässen, meist nur aufgrund persönlicher Eitelkeiten, zerstört und neu geordnet. Dem Einwand, daß dadurch auch langjährige Erfahrung verloren geht, begegnet man stereotyp mit der "Erfordernis der Flexibilität", die "unsere Zeit" (unsere?) nun eben mit sich bringe. Es wäre ja, heißt es dann, ohnehin fatal, in alten Strukturen zu verharren, Stillstand sei ja gleichbedeutend mit Rückschritt.
Das ist es, was gemeint ist, wenn nun provokant der sattsam bekannte Stehsatz "Stillstand ist Rückschritt" umgemünzt wird auf "Flexibilität ist Stillstand". Natürlich bezweifelt kein vernünftiger Mensch den immensen Wert flexiblen Handelns, wenn es denn wirklich notwendig sein sollte und Vorteile bringt. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, auch den Wert ruhiger, stetiger Entwicklung und Reifung zu schätzen. Beides zu sehen. Und nicht aus einem Werkzeug einen Selbstzweck zu machen, nur weil New Economy-Menschen dies gerade zum Trend der Saison erklärt haben. Wir gehen ja auch nicht bei trockenem Wetter mit dem Regenschirm zur Arbeit.
Das Eingangszitat lautet ja nicht "... daß Flexibilität Stillstand bedeutet". Es lautet "... daß zu viel Flexibilität auch Stillstand bedeuten kann."
Das Stichwort haben Sie im Kommentar ja selbst geliefert: "... mit Bedacht, aber eben dennoch beweglich zu reagieren." Mit Bedacht also. Und genau daran mangelt es, so empfinde ich es zumindest.
Flexibilität ist ein Werkzeug, das uns erlaubt, auf sich ändernden Rahmenbedingungen zu reagieren. So wie ein Schirm mir erlaubt, trotz Regen trocken zur Arbeit zu gelangen. Was mich irritiert ist die aus meiner Warte überproportionale Bedeutung, die der persönlichen Flexibilität in unserer Zeit beigemessen wird:
Menschen begeben sich bewußt in neue Lebenssituationen, um "ihre Flexibilität zu bewahren". Nicht um Einkommen, Lebensqualität oder Gesundheit zu erhöhen, nein, ausschließlich "um die Flexibilität zu bewahren".
Bewährte Strukturen werden aus nichtigen Anlässen, meist nur aufgrund persönlicher Eitelkeiten, zerstört und neu geordnet. Dem Einwand, daß dadurch auch langjährige Erfahrung verloren geht, begegnet man stereotyp mit der "Erfordernis der Flexibilität", die "unsere Zeit" (unsere?) nun eben mit sich bringe. Es wäre ja, heißt es dann, ohnehin fatal, in alten Strukturen zu verharren, Stillstand sei ja gleichbedeutend mit Rückschritt.
Das ist es, was gemeint ist, wenn nun provokant der sattsam bekannte Stehsatz "Stillstand ist Rückschritt" umgemünzt wird auf "Flexibilität ist Stillstand". Natürlich bezweifelt kein vernünftiger Mensch den immensen Wert flexiblen Handelns, wenn es denn wirklich notwendig sein sollte und Vorteile bringt. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, auch den Wert ruhiger, stetiger Entwicklung und Reifung zu schätzen. Beides zu sehen. Und nicht aus einem Werkzeug einen Selbstzweck zu machen, nur weil New Economy-Menschen dies gerade zum Trend der Saison erklärt haben. Wir gehen ja auch nicht bei trockenem Wetter mit dem Regenschirm zur Arbeit.