Ich bin wieder 15!
Ich hatte das Magazin von der ersten Ausgabe an und hab während eines USA-Aufenthalts auch die Redaktion besucht, die mich mit diversen Werbegeschenken ausgestattet hat. Zunächst erschien Antic nur zweimonatlich, ab April 1983 bis kurz vor der Einstellung dann aber im Monatsrhythmus. Das erste Cover war zweifärbig (links), später kam das Magazin mit Hochglanzfotos auf der Umschlagseite daher.
Heute bin ich wieder auf Antic gestoßen: Auf Atarimagazines.com sind alle 88 Ausgaben elektronisch archiviert. Man kann die einzelnen Texte nach Ausgaben. Kolumnen oder Autoren durchsuchen. Die Artikel sind nicht einfach nur eingescannt, sondern liegen tatsächlich als Text vor. Viele der redaktionellen Fotos sind ebenfalls mit dabei (wenn auch in bescheidener Qualität).
Der Nachteil dieser Archivierungsmethode ist, daß der zeitgeistige Charme der ganzen Werbung dazwischen fehlt. Als kleines Trostpflaster gibt es zumindest eine Auswahl ganzseitiger Anzeigen von damals. Das Tüpfelchen auf dem i bildet die Rubrik Where Are They Now, in der die Biographien der Autoren nach ihrer Antic-Zeit erzählt werden.
Das wirklich Verrückte dabei ist, daß ich mich an ziemlich viel davon heute noch erinnern kann. An die Cover, an die Artikel (teilweise noch an genaue Formulierungen), an einzelne Inserate, die ja über Monate hinweg unverändert abgedruckt wurden. Antic war nicht einfach eine Zeitschrift, die man am Bahnhofskiosk kauft und nach 75 Minuten Bahnfahrt im Zug liegen läßt. Antic war in der Zeit vor dem Internet so etwas wie eine wachsende Enzyklopädie. Es war neben einem deutschsprachigen Atari-BASIC-Buch und dem Standardwerk „De Re Atari“ eigentlich die einzige Informationsquelle, und im Gegensatz zu den anderen beiden die einzig laufend aktuelle. Ich hab die Hefte aufgehoben und noch nach Monaten und Jahren den einen Artikel gesucht und wieder gelesen, in dem eine bestimmte Programmiertechnik beschrieben war. Und dann nochmal. Und noch einmal. Jedes Mal, wenn ich aus irgendeinem Grund diesen Kopfstand gebraucht hab auf dem 8bit-System mit 48kByte RAM und 1,77 MHz. Und ganz nebenbei: „Artikel lesen“ war auch schwerer, als sich das ein Jungnerd heutzutage so vorstellt. Man konnte ja nicht einfach im Internet nachschlagen, wenn man eine Formulierung nicht verstanden hat. Grad die marketinglastigen Ami-Sprüche in Produktbesprechungen haben mich dann gelegentlich mal zur Englischlehrerin laufen lassen. ;)
Tja. Und jetzt ist Antic plötzlich wieder da und ich bin wieder 15. Ich sitz fassungslos vor dem Computer und tauche ein in eine ferne Welt. Meine Lippen formen die Sätze, die ich vor 30 Jahren schon gelesen habe. Ich weiß, nein: fühle plötzlich wieder, wie es ist, Daten von einer Tonbandcassette laden zu müssen oder nach dem Abtippen ewig langer BASIC-Listings den bescheuerten Tippfehler nicht zu finden. Und ich hab zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine ungefähre Ahnung davon, wie es ist, nicht alles Wissen dieser Welt jederzeit zugänglich zu haben, nicht jederzeit aktiv nachfragen zu können, sondern Monat für Monat darauf warten zu müssen, welche Häppchen die Redaktion diesmal auswählt und abdruckt. Es war schon alles sehr viel anders damals …
Atari: