Mamma Mia! Was für eine Nacht …
Wer ungefähr erahnen will, warum „Mamma Mia!“ seit 1999 überall auf der Welt die Häuser füllt, muß sich nur das Publikum des heutigen Abends ansehen: Mein größter Schock gleich zu Beginn waren die 12-14jährigen Schüler (Wienwoche?), die man busweise angekarrt hatte und die vor Beginn der Vorstellung von ihren nervösen kleinen Lehrerinnen mehr schlecht als recht unter Kontrolle gehalten wurden. Gottseidank wurden die recht bald in den ersten und zweiten Rang gestopft. Neben uns im Parkett Herren im besten Alter, die ihre Mütter ausführten … herzige Seniorenpärchen … vom Leben gezeichnete Vorstadtkinder jenseits der 50 … schicke Gören Mitte 20 mit ihren langweiligen Begleitern … alles war da. Wirklich alles.
Zu behaupten, daß alle im Publikum das Stück in gleicher Weise genossen hätten, wäre falsch. Genau das passiert bei „Mamma Mia!“ nicht. „Mamma Mia!“ steckt jeden auf eine andere Weise an. Die Dame rechts von mir (vom Sohn ausgeführt) hat dezent das Stofftaschentuch aus der Handtasche geholt, wie Sam auf der Bühne Sophie die Geschichte seiner Scheidung erzählte („Ich bin ich, Du bist Du“). Das Ehepaar hinter mir hat sein Schluchzkonzert begonnen, wie Donna in „Durch meine Finger rinnt die Zeit“ die vielen versäumten Chancen in der Beziehung zu ihrer Tochter Revue passieren ließ. Der gesamte erste Rang hat getobt, wie die schicken jungen Griechen den angehenden Bräutigam Sky zu stampfenden Rhythmen und in eng anliegenden Taucheranzügen zum Polterabend holten. Und die Altersverteilung im Publikum ließ sich auch bei Dunkelheit klar erkennen: Über die Anspielungen von Rosie und Tanja bezüglich ihrer „wilden Zeit“ in den 1970ern haben nur die gelacht, die sich an die heile Welt vor dem Neoliberalismus erinnern konnten.
Ist „Mamma Mia!“ also ein Rührstück? Genau das Gegenteil. Zwar findet so gut wie jeder im Publikum sich in einem der Charaktere und seinem Schicksal wieder, die einen im Brautpaar und seinen Freunden, andere in Donna als Mutter, in Sam als verlassenem Ehemann etc. Diese Identifikationsmöglichkeit hält über die Dauer des Stücks an und bewahrt es davor, ins völlig Belanglose abzudriften. Trotzdem bleibt „Mamma Mia!“ erfrischend oberflächlich im schönsten Sinn des Wortes. Wortwitz und Situationskomik, die herrlich ausgelassenen Tanzszenen der Gruppe rund um Sophie und Sky, das alles läßt die eine oder andere Träne recht bald wieder trocknen. Die Pointen liegen hart an der Gürtellinie, sind aber kindertauglich … und vereinen so tatsächlich den Großteil des Publikums.
War da noch was …? Ach ja, die Musik! :)
Kinders, nicht bös sein, aber das ist der Teil, der mir Gänsehaut macht vor Rührung: Der älteste Song, ders in dieses Musical geschafft hat, ist exakt 41 Jahre alt („Honey, Honey“). Der jüngste, „Under Attack“, hat immerhin noch 32 Jahre auf dem Buckel. Die Kinder im 2. Rang waren vielleicht 12 - und sie haben gebrüllt und gejohlt, daß sie beim Abholen ihrer Sachen an der Garderobe keine Stimme mehr hatten. Ja, Björn Ulvaeus hat die Songs für die Bühnenfassung leicht modernisiert, die Instrumentierung behutsam angepaßt. Aber es sind die Songs aus den 1970ern, aus der Zeit von Donna, Tanja und Rosie. „Honey, Honey“ wurde 1973 geschrieben, um damit für ein paar Wochen Erfolg in den schwedischen Charts zu haben. 2014 wirkt das Lied, als wärs wirklich heuer erst für diese Produktion komponiert worden. Ich kann mir nicht helfen, ich find das genial.
Abgesehen vom begeisterten Mitklatschen während der Songs, vom bereits erwähnten Beifall für Ana Milva Gomes … Wie sehr die Musik von ABBA auch 2014 noch „zieht“, zeigt sich beim Schlußapplaus: Da richten sich die Scheinwerfer in den Zuschauerraum, und wie auf Kommando springen 1.200 Menschen im ausverkauften Raimundtheater von ihren Sitzen und verwandelt das Theater - nein, nicht in eine Disco, das wäre übertrieben, aber doch in ein sehr fröhliches Bierzelt. Geschunkelt und geklatscht wird, ein paar Mutige tanzen in den Gängen … Das sind Szenen, die sich seit 1999 so abspielen nach jeder „Mamma Mia!“ Vorstellung. Das Stück macht die Menschen wohl glücklich für einen Abend. Uns auch. :)
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Ich bin sicher, meine Eltern werden es genießen! :-)
(Das mit "...Herren im besten Alter, die ihre Mütter ausführten …" überhöre ich jetzt mal. Außerdem: *Ich* habe ja bei 'Elisabeth' nicht nur meine Mutter, sondern *meine Eltern* ausgeführt, das ist ein großer Unterschied! *LOL*
Wunnerbar it was! (Außerdem: Darf man das mit Deinen Eltern überhaupt schon sagen? Ich dachte Überraschung?)
Ich hoff, daß sie an ihrem Abend auch so eine brodelnde Stimmung rundherummen erleben. Für mich ist das immer ein Multiplikator bei solchen Shows: Selbst wenns mir zu 100% gefällt, kommt dieser besondere Kick nicht, solange der Rest des Publikums verschnarcht in den Sesseln klebt und nicht in die Puschen kommt. Das ist dann wie DVD schauen, nur daß man nicht so ungehemmt losheulen kann. An so Abenden wie gestern hab ich dagegen das Gefühl, von der Begeisterungswelle direkt auf die Bühne getragen zu werden. Das ist schon noch mal was Besonderes. Tauch ins Licht! Schweb im Raum! Leb deinen eigenen Traum! Wer kann sich dir entziehn, du bist die Dancing Queen …
Tja, der Papschi weiß es schon, und er hat Mühe, die Papulatur im Zaume zu halten. *g* DAS wird ein Knaller am Wochenende - knowing me, knowing them!
Und der Papschi freut sich auch. 'Gehst eh mit?`' hab ich ihn gefragt... er drauf: "I Do, I Do, I Do, I Do...!" *LOL*
Nur das mit dem "Gimme! Gimme! Gimme! (A man after midnight)" wird wahrscheinlich nur die Mama auf Deutsch mitsingen. :-)
Apropos: Wie hoch war denn die Schwulenquote?
Du hast Deinen Eltern nicht schon längst meinen RSS-Feed auf ihre Telefone geknallt? Wie halten die das aus?! Undankbares Gfrast Du, die Eltern so leiden zu lassen! *LOL*
Die Quote war nicht allzu auffällig. Die Mutter/Sohn-Paarungen, ja, das war ziemlich eindeutig, aber ansonsten wars nicht so schlimm. Da war schon eher die Pensionistenquote im Parkett auffällig. :) Eigentlich war unser Platzanweiser die größte Dancing Queen. Der ist mit durchgestrecktem Rücken auf und ab gelaufen, war der wichtigste Blondgesträhnte auf der ganzen Welt und hatte diese einmalige Geste drauf, mit der er Besuchern einen Platz weiter drin in der Reihe gezeigt hat: Arm waagrecht ausgestreckt, Oberkörper leicht nach hinten gelehnt, Handrücken nach oben und die Finger mit den Eintrittskarten verlängert, um damit (wie mit einem rosa Zauberstab) auf die Plätze zu zeigen. Großes Kino!
Eine eigene Vorgruppe, sozusagen. *lol*
(Er erinnerte mich ein wenig an den Tom M.)
Und jedes Mal bin im nach dem Schlussapplaus mit standing ovations Bernd in die Arme gefallen und hab gesagt: Schön war's!
Ja! „Blasen, nicht saugen!“ Und das so nebenbei hingeworfen in der Unterhaltung … die Leute haben gewiehert gestern. :)
Mein Mann hat mir ja damals Karten für Hamburg geschenkt. Wir waren über ein verlängertes Wochenende dort. Ist auch schon über 10 Jahre her jetzt. Mamma mia! :)
Aber ich bin mir sicher, daß die Aufführung gestern nicht die letzte war, die ich in Wien gesehen hab. Schön wars! :)
Mamma Mia: