A1: Einfach Jolla!
Normalerweise interessierts mich auch herzlich wenig, ob eine bestimmte Hardware vom Mobilfunkprovider verkauft wird oder nicht. Es ist mir noch nie passiert, daß ein freies Telefon ohne Branding nicht sauber funktioniert hätte im besten Netz Österreichs.
Im Fall von Jolla kommt allerdings ein zusätzlicher Aspekt hinzu: A1 bietet mittlerweile eine Reihe von schlauen Programmen, die das Leben für Kunden deutlich leichter machen. Selbstverständlich gibts diese Software für iOS, Android, teilweise sogar für Blackberry und Windows Phone … aber nicht für ein Nischen-Betriebssystem wie Sailfish OS. Diesen Business Case können sie nichtmal bei uns schönrechnen. Als alter Maemo- und MeeGo-Nutzer könnte man das nun schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. So etwas ist oft der Preis, den man für ein reines Gewissen zu zahlen bereit sein muß. Am Jolla Phone gibts aber ein Hintertürchen: Der Android-Kompatibilitätslayer Alien Dalvik sollte es theoretisch ermöglichen, die für Android entworfenen Programme von A1 auch auf dem exotischen Jolla-Phone zu nutzen. Theoretisch, wie gesagt. Ich hab mir angesehen, wie’s in der Praxis funktioniert.
Installation
Für alle Programme gilt: A1 hat sie auf Google Play veröffentlich. Das ist gschickterweise der einzige Store, auf den das Jolla Phone nicht zugreifen kann. Wer also versucht, direkt auf der A1-Homepage den Link zum jeweiligen Android-Programm anzuklicken, der scheitert. Trotzdem konnte ich die Programme installieren. Drei Möglichkeiten dazu gibt es, zwei habe ich selbst ausprobiert:
Zunächst einmal geistern im Netz verschiedene Anleitungen herum, wie man Google Play auch am Jolla Phone zum Laufen bringt. (Eine deutschsprachige Version gibts hier.) Ich persönlich habe das nie versucht und rate davon ab. Erstens ist diese Installation aus lizenzrechtlichen Gründen illegal, zweitens scheint sie ziemlich fehleranfällig zu sein und drittens erfordert sie die Einrichtung eines Google-Accounts. Zugegeben: Wenn man es tatsächlich schafft, ist das im Ergebnis wohl der einfachste Weg.
Eine zweite Variante ist es, die Programme in anderen Android-Stores zu suchen. Ich habe zum Beispiel „Mein A1“ und „A1 TV“ auf Aptoide gefunden. „Mein A1“ gibts auch im Yandex Store, der ja am Jolla vorinstalliert ist. Vorteil: Keine Trickserei am Handy, diverse zusätzliche Quellen für Android-Programme sollte man sich ohnehin einrichten. Nachteil: Gerade die Zusammenstellung der einzelnen Quellen auf Aptoide ist ein bißchen öde. Auch weiß man bei den über solche Services verbreiteten Dateien nicht, ob sie im Vergleich zum Original verändert wurden.
Ziemlich simpel ist die Variante über den Evozi APK Downloader: Einfach die Evozi-Seite direkt am Jolla Phone aufrufen, die URL des gewünschten Programms aus Google Play ins Eingabefeld kopieren und auf „Generate Download Link“ klicken. Einige Augenblicke später erscheint ein Download-Button, mit dem man sich das APK-File aufs Handy laden kann. Es befindet sich anschließend mit allen anderen Downloads in der Systemsteuerung unter „System→Übertragungen“ und läßt sich von dort mit einem Klick installieren.
Damit ist die einzige Hürde geschafft. (Die Tatsache, daß der Download überhaupt eine Hürde darstellt, zeigt die Absurdität des Konzepts von zentralen Software-Stores: In der guten alten Zeit hätte man die Installationsdateien direkt von der A1-Homepage herunterladen können.) Welche Programme habe ich mir also nun tatsächlich im Lauf der Zeit installiert? Und: Funktionieren sie? Bekanntermaßen emuliert Alien Dalvik am Jolla-Handy ja nur den quelloffenen Teil von Android. Programme, die proprietäre Google-Komponenten nutzen, laufen nicht.
Mein A1
„Mein A1“ ist das Programm, das auf keinem Telefon mit A1-SIM-Karte fehlen sollte. Es informiert über den aktuellen Kostenstand, setzt grundlegende Mobilbox-Einstellungen, zeigt Vertragsdaten und ermöglicht mir, Zusatzpakete zu meinem Vertrag direkt am Handy zu erwerben.
Runtergeladen hab ichs via Aptoide. Nach dem ersten Start stellte es sich ein bißchen affig an, weil ich im WLAN und nicht übers A1-Netz im Internet war. „Mein A1“ wußte also nicht, wer ich war. Das ist aber rasch gelöst: Entweder eben wirklich übers Handy-Netz einwählen oder einen A1.net-Account mit der eigenen Telefonnummer verknüpfen. Letzteres hab ich gemacht, seither läufts wunderbar.
A1 TV
Wer auch Kabelfernsehen von uns bezieht, kommt um „A1 TV“ nicht herum. Das Programm ist nach der Umstellung der Benutzeroberfläche am TV-Schirm die einzige Möglichkeit, halbwegs vernünftig im aktuellen Fernsehprogramm zu blättern und Filme in der online-Videothek zu suchen. Außerdem läuft das (kostenpflichtige) mobile Fernseh-Angebot A1 TV Mobil innerhalb dieser Software.
Auch „A1 TV“ habe ich über Aptoide installiert, auch dieses Programm läuft einwandfrei. Überraschenderweise kommt die Applikation sogar mit A1 TV Mobil zurecht. Ich hätte mir am ehesten bei diesem Streaming Service Probleme erwartet: hohe Rechenlast, Multimedia, vielleicht sogar irgendeine Form von Digitaler Rechteminderung (DRM), wer weiß … das alles sind Dinge, die emulierten Betriebssystemen keine Freude bereiten. Wie auch immer, nichts davon macht Probleme, die 40 Sender von A1 TV Mobil laufen auch am Jolla Phone. Einziges Hoppala: Die Software hat mir zunächst trotz einwandfreien UMTS-Empfangs regelmäßig versichert, daß das Netzwerk zu langsam für Streaming ist. Erst nach einem Neustart des Telefons klappte alles. Mein Verdacht: Ich hatte mein Handy zuvor auf 2G gezwungen und die ersten Android-Programme gestartet, bevor ich wieder auf 3G umgeschaltet habe. Wahrscheinlich bleibt die Android-Emulation da irgendwo hängen und bekommt den Wechsel nicht mit. (Es könnte ausreichen, einfach nur Alien Dalvik neu zu starten von der Kommandozeile aus. Das versuch ich aber erst, wenn der Fehler zufällig wieder auftritt. *gg*)
Cloud
Die Backup-Lösung Vodafone Cloud ist kostenlos in allen aktuellen Tarifen inkludiert. Zwar ist das Ding vom Ansatz her weit weg von dem, was ich mir unter einem vernünftigen Cloud-Speicher vorstelle (keine dokumentierte Standardschnittstelle, Zugriff nur über irgendwelche Software oder ein Web-Interface), aber gratis Backupspeicher ist nun mal gratis Backupspeicher. Einem geschenkten Gaul … und so weiter.
Die Sicherung erfolgt über eine Software namens „Cloud“, die ich auf Aptoid zunächst nicht gefunden habe. Download diesmal also über Evozi, funktionierte problemlos. Spannend aus Jolla-Sicht: Findet die Android-Software meine Daten, die ja technisch gesehen außerhalb der emulierten Android-Umgebung liegen? Sie findet und sichert anstandslos. Bilder, Videos und Musik wandern auf den Server, zumindest über die Weboberfläche kann ich danach auch vom PC aus darauf zugreifen.
Visual Voicemail
Der (bisher) einzige Fehlschlag zum Schluß: Visual Voicemail. Zwar läßt sich das Programm zunächst problemlos installieren (über Evozi) und starten, die Aktivierung des Dienstes scheitert aber. Es sieht so aus, als würde die dazu notwendige SMS nicht an die Android-Emulation weitergereicht. Hier scheitert die Verwendung der Android-Software also an einer der wenigen Stellen, an denen die Android-Emulation vom Sailfish-Betriebssystem getrennt läuft.
Sonstige Programme
Wer den Link auf die A1-Softwareübersicht angeklickt hat weiß: Ich habe hier längst nicht alle Programme durchprobiert. Dieser Artikel sollte kein umfassender Test werden; ich schildere nur, wie es mir mit den Applikationen ergangen ist, die mich selbst interessiert haben. Dinge wie „A1 Sport“ brauche ich ebensowenig wie „Fahrschein“ (Cowboy Joe hat eine Jahreskarte) oder „A1 Handy Parken“ (Cowboy Joe hat kein Auto). Falls jemand Erfahrungen damit macht, würde mich ein Eintrag in den Kommentaren aber freuen.
Fazit
Jollas Strategie geht auf: Zwar ist auf eine begeisterte Entwicklergemeinde Verlaß, wenn es darum geht, Programme für offen zugängliche Datenquellen zu schreiben. (Siehe das für Jolla verfügbare Programm für Abfahrtszeiten der Wiener Linien.) Funktionen, wie A1 sie zur Verfügung stellt, könnte ein Hobby-Programmierer ohne gut dokumentierte Schnittstelle aber nie in ein natives Sailfish-Programm gießen. Genau für diese Fälle ist die Android-Emulation ein wirklich geniales Feature des Jolla Phone. Daß es Grenzfälle gibt, in denen dann auch die Android-Emulation versagt, kann ich akzeptieren. Hauptsache die wirklich wichtigen Dinge wie „Mein A1“ und „A1 TV“ laufen.
*tätschel*
Jolla: