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ESC @ ORF: Zweite Wahl statt zweiter Platz

Die Trackshittaz fahren nach Baku! Bevor jetzt jemand über meine chronische Lästerei lästert (denn ich bin mit den Trackshittaz natürlich gar nicht zufrieden): Im gestrigen letzten Stechen um das Ticket nach Baku standen schon die zwei Richtigen. Die Trackshittaz und Conchita Wurst waren die einzig denkbaren Möglichkeiten. Alle anderen Gruppen, auch hoch favorisierte, haben live auf der Bühne enttäuscht. Eine gute Studioproduktion ist eine Sache, ein gelungener Live-Auftritt eine andere. (Dabei meine ich in in erster Linie !DelaDap und 3punkt5, die's wirklich brutal versemmelt haben.)

Obwohl ich also auch für die späteren Sieger Trackshittaz angerufen habe und sie im Vergleich mit dem sonst so Gebotenen gar nicht so übel fand: Die Idealbesetzung für den Song Contest sind sie nicht. Conchita Wurst wäre diese Idealbesetzung gewesen … eine genial eingängige Song-Contest-Hymne (das Schwedische Lied) mit einer perfekten Stimme und einem dramatischen Bühnenauftritt, eine Show, die überall in Europa verstanden wird.

Die Trackshittaz funktionierten gestern in erster Linie deshalb so gut, weil sie mit der Mitleidsmasche der „ewigen Zweiten“ Sympathiepunkte einfahren konnten. Außerdem beruht ein großer Teil ihrer Wirkung auf dem Wohlfühlgefühl, das der Mühlviertler Dialekt schon nach wenigen Silben verbreitet. Dieses Wohlfühlgefühl wird sich in Polen, Griechenland und Portugal nicht einstellen. Dort hört man eine Aneinanderreihung fremdartiger Laute, die so gar nichts Wohlig-Heimeliges an sich haben. (Selbst im benachbarten Deutschland wird der Sprachfaktor kaum ziehen: Wie bereits hier berichtet hielten die besten und liebsten „dütschen Kochs“ der Welt die Sprache, in der die Trackshittaz singen, für Russisch. Wegen der vielen Konsonanten.)

Obwohl ich also brav für die Trackshittaz und Conchita angerufen habe, find ich „Woki mit deim Popo“ jetzt gar nicht mehr so prickelnd. Was aber sagen andere? Wie kommentieren die Fans in Foren und Blogs?

Die wichtigste Stimme im Netz zum Thema Song Contest ist mittlerweile das Blog aufrechtgehn.de - kompetent, liebevoll, witzig und aufrichtig in den Contest verliebt. Unter dem Titel Wien: der geilste Arsch der Welt liest man dort:

Diesmal besannen sich die Österreicher eines besseren: die lustigen Bauerndiscoburschen Trackshittaz fahren mit der Bollerhetenstripschuppennummer ‘Woki mit Deim Popo’ nach Baku. Da stimmt dann sogar das Motto des Vorentscheids: “Österreich rockt den Song Contest”!

(Ich kann aufrechtgehn.de überhaupt nur wärmstens empfehlen; unterhaltsam und informativ, eine Perle im Internet.)

Etwas breiter sind die Meinungen auf esctoday.com gestreut:

Lūkmān Лукман:
The best song won :) GOOO Austria. […]

Jay Nigrinis:
I just heard Conchita's song, that's a great song and could have done very well in Baku. What's wrong with the Austrians in selecting such a crap song to represent them in Baku and living out a great song such as Conchita's song? […]

Eurovisionary:
The name says it all. Shit!

Karl P.:
[…] Horrible beyond words. Don't tell me they're going to bring their performance to Baku. […]

Pete nostalgic:
Please don't call this hip-hop! This is simply an awful thing I don't undertand the lyrics, it may be funny for german speakers, but none of the rest will get it.

Shevek Urras:
You now what will happen? These guys are going to fail big time and then Austria is going to sulk again. It'll serve them right.

Soweit das Netz in seiner unendlichen Weisheit. Meine Meinung: Österreich fehlt die Televoting-Connection, wir sind auf die Jury-Stimmen angewiesen, um es überhaupt ins Finale zu schaffen. Keine Jury wird an „Woki mit deim Popo“ Punkte vergeben. Das bedeutet: Österreich ist (wieder einmal) nicht dabei, wenn am 26. Mai die besten 24 Songs um den Sieg kämpfen.

 
Hans-Georg (Gast) meinte am :
das wäre nicht meine Wahl
Also meine Wahl wäre Frau Wurst gewesen. Aber nun ist es so wie es ist. Und: der ESC ist immer wieder für Überrraschungen gut.
Wir haben schon eine Einladung zur ESC-Party hier im Dorf. Bei den bisherigen Parties ist dort eine interne Abstimmung nicht erfolgt. Das werden wir denn nun in diesem Jahr dort einführen. 
Deep_Blue meinte am :
Ist doch egal
wer von den beiden dort hin fährt nach Baku.

Falls die durch die Vorentscheidung kommen (und da liegt meine ganze Hoffnung) kannst eh nur mehr auswandernd.

Apropos Baku, bei deiner ganzen Euphorie gugg doch mal da rein, da siehst du dann, was du für ein Regime unterstützt.

http://www.youtube.com/watch?v=tIRgx0AH5PA 
ossi1967 antwortete am :
Ach mein zorniger Revoluzzer

Du mußt Dir keine Sorgen machen. Die Trackshittaz kommen nicht durchs Semifinale, hab ich doch geschrieben.

Und was die „Unterstützung“ für das Regime betrifft: Das ist ja doch Unsinn. Diese metaphysische Diskussion gibts alle paar Jahre wieder. (Zum ersten Mal gab es sie übrigens 1969, als der Song Contest im faschistischen Spanien von Franco ausgetragen wurde.) Ukraine, Serbien, Russland, … immer wieder kommen da linke Gutmenschen wie Du und erklären, daß man ein schlechtes Gewissen haben muß, weil in den jeweiligen Ländern was nicht in Ordnung ist.

Die Wahrheit ist aber: Dort stimmt sowieso was nicht, mit Song Contest oder ohne. Der Unterschied ist nur, daß beim ESC eine Medienmaschine durch die Austragungsorte rollt, die ihresgleichen sucht. Glaubst Du, daß Leyla Yunus und Ali Novruzov ohne Song-Contest jemals diesen TV-Auftritt zur besten Sendezeit in drei Staaten gehabt hätten? Zeitungsartikel etc. zu diesem Thema gabs ja auch schon jede Menge. Jedes ESC-Blog oder -Magazin hat sich schon mit der Menschenrechtssituation in Aserbaidschan auseinandergesetzt. Nie hatten die oppositionellen Kräfte dort bisher so viel mediale Aufmerksamkeit. Nie.

Das scheint mir der wichtigere Aspekt zu sein. Wie die Moskauer Stadtregierung beim ESC eine kleine Gruppe Demonstranten (es waren 10 oder 15, wenn überhaupt) blutig prügeln ließ, gingen die Bilder sofort um die Welt. Ich kann mich heute noch dran erinnern und habe dieses Bild im Kopf, wenn ich an die „Weltstadt“ Moskau denke. Würde die gleiche Szene heute stattfinden in Moskau, niemand wäre vor Ort, niemand würde berichten. Da bringt der ESC schon einiges an Aufmerksamkeit und Bewußtsein.