Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

GNU/Java?

Sun tut es: Java wird Freie Software. Drei Komponenten wurden bereits heute unter der GNU General Public License (GPL) freigegeben, der Rest soll bis Mitte 2007 folgen. IT-Medien haben heute ausführlich darüber berichtet.

Weniger Medienbeachtung fand ein durchaus nicht uninteressanter Nebenaspekt: Auf der Website zum freien Java darf allerlei Prominenz Weihrauch absondern. Tim O'Reilly (O'Reilly Media), Mark Shuttleworth (Ubuntu), Paul Cormier (Red Hat) und natürlich Richard Stallman (GNU, FSF). Wer auffällig fehlt: Linus Torvalds. (Stand: 13.11., 21:00)

Das allein wäre noch nicht ganz so bemerkenswert. Aber es kommt noch eine Kleinigkeit hinzu: Sun verwendet über die gesamte Site (besonders häufig in der Sektion FAQ) den Begriff „GNU/Linux“, wenn es auf die nun erreichte lizenzrechtliche Kompatibilität zwischen Java und Linux-Systemen hinweist. Das ist insofern von Bedeutung, als die Entscheidung für eine der Bezeichnungen „Linux“ oder „GNU/Linux“ gleichzeitig öffentliche Parteinahme im Konflikt zweier ideologisch verfeindeter Lager bedeutet:

Die einen, geführt von Richard Stallman, sehen das 1984 von Stallman selbst initiierte GNU-Projekt zur Schaffung eines freien Betriebssystems im Mittelpunkt. Die im GNU-Manifest niedergeschriebenen Ziele des Projektes sind zu einem großen Teil auch ideologischer Natur. 1991 war GNU als Betriebssystem fertig; was fehlte, war der geplante Kernel (HURD). Hier kam Torvalds neuer Linux-Kernel gerade recht, mit einigen wenigen Anpassungen liefen GNU und Linux als ein System - GNU/Linux war geboren. (Die Verbindung von Linux mit den GNU-Komponenten wurde übrigens von den Linux-Entwicklern betrieben, die ohne Betriebssystem mit ihrem Kernel nichts anzufangen gewußt hätten.)

Die anderen, an der Spitze Linus Torvalds, halten den Linux-Kernel für das Maß aller Dinge und alles andere für nur behübschendes Beiwerk. Dementsprechend bestehen sie auf dem Namen „Linux“. Torvalds, mit der ihm eigenen Diplomatie, bezeichnet die Verwendung des Namens „GNU/Linux“ als just ridiculous. Auch diese Sichtweise ist technisch nicht ganz unhaltbar: Es gibt mittlerweile vereinzelt Linux-Varianten, die ohne GNU-Programme auskommen (zB in Handys oder Routern).

Mehr als nur die technische bzw. historische Sicht unterscheidet die beiden Lager aber die ideologische Herangehensweise: Torvalds ist der ideologiefreie (um nicht zu sagen: rückgratlose) Pragmatiker. Er schreibt Software um der Software willen. Und er schätzt „Open Source“, weil er damit viele Programmierer an seinen Projekten mitentwickeln lassen kann. „Open Source“ ist für ihn und seine Anhängerschaft eine Methode der Zusammenarbeit, nicht mehr.

Stallman auf der anderen Seite stellt den durchaus politischen Aspekt des freien Zugangs zu Information in den Vordergrund. „Free Software“ ist der Begriff, den er dafür geprägt hat, lange vor „Open Source“. Ihm ist nicht wichtig, wie viele tausend Entwickler an seinem Programmcode mitarbeiten. Stattdessen will er sicherstellen, daß der Code für jeden einsehbar bleibt; daß jeder „abschreiben“, also daraus lernen kann; daß jeder den Code verbessern und die verbesserte Variante weitergeben kann. Dies alles gewährleistet Stallman mit der von ihm erdachten GPL, die mittlerweile die bedeutendste Lizenz im Bereich Freier Software ist - sogar Linus Torvalds hat sie, nach anfänglichem Zögern, für seinen Kernel akzeptiert (wobei ich mir nicht sicher bin, ob er sie verstanden hat).

Die beiden Lager, Torvalds „Open Source“ und Stallmans „Free Software“, sind in der öffentlichen Wahrnehmung oft kaum zu unterscheiden. Zu ähnlich sind die Ergebnisse ihrer Programmierarbeit. Nur in rechtlichen Einzelfragen prallen sie kompromißlos aufeinander (jüngstes Beispiel: GPLv3). Dabei hat Stallman in den Mainstream-Medien meist die schlechteren Karten: Er sieht einfach nicht so smart aus wie Torvalds. Außerdem läßt sich „Open Source“ besser mit dem Shareholder Value vereinbaren als „Free Software“, weshalb Torvalds meist auch die Sympathien der Unternehmen auf seiner Seite hat.

Umso überraschender nun die klare Positionierung von Sun. Stallman statt Torvalds, GNU/Linux statt Linux - es scheint, als wäre es diesem Unternehmen wirklich ernst mit Freier Software. Mich persönlich würde es freuen. Auch ich bin ein Stallman-Fan.

 
Deep_Blue meinte am :
Pfffffff !
Muss ich das jetzt wirklich alles lesen ??

Ich habe kein Problem mit Buy-Software, solange es E-Mule und Rapid-Share gibt :-)

Ich weis, Ich weis, ich bin ein Verbrecher !! :-) 
ossi1967 antwortete am :
Kurzfassung

Da, extra für Dich: die audiovisuelle, leicht konsumierbare Kurzfassung für den Service-Bereich:

Das Video zum Text