Firefox: Die dunkle Seite der Macht
Jüngster Vorfall: Die klassische GNU/Linux-Distribution Debian darf den Browser nicht mehr unter dem bekannten Namen „Firefox“ integrieren. Die Mozilla Corporation sieht ihre Markenrechte verletzt und zwingt Debian, auf die bisher völlig unbekannte Bezeichnung „Iceweasel“ ausweichen.
Hintergrund: Schon seit Jahren verwendet Debian nicht das offizielle Firefox-Logo, sondern eine eigene Kreation (nicht die Grafik, die ich für diesen Artikel verwendet habe - die stammt von hier). Das offizielle Logo ist geschützt und darf daher laut Debian-Gesellschaftsvertrag nicht in der freien Distribution verwendet werden. Was die Mozilla Corporation akzeptierte, solange sie vor allem Interesse an der schnellen Verbreitung des Browsers hatte, stilisiert sie nun zum rechtlichen Problem hoch. Mozilla verlangt, daß Debian das offizielle Logo verwenden muß - ohne die Nutzungsbedingungen dafür dem Debian-Gesellschaftsvertrag anzupassen. Da das Debian-Team dieser Forderung nicht nachkommen kann, darf es auch den Namen Firefox nicht mehr verwenden: kein Name ohne Logo.
Es kommt aber noch dicker: Jede GNU/Linux-Distribution muß notwendigerweise Änderungen am Programmcode vornehmen, um die Software in ihr Gesamtpaket einzubetten. Im Fall des Firefox-Browsers sind diese Änderungen etwas umfangreicher als bei anderen Programmen, da die Entwicklung bei Mozilla vor allem in Richtung Intel/x86 und Windows läuft. Probleme, die sich bei der Portierung auf andere Architekturen (Alpha, ARM, IA64) ergeben, bekommen in der Regel erst die Distributoren zu spüren. Sie bessern diese Fehler dann durch eigene Patches aus, die im Lauf der Zeit aber wieder ihren Weg zurück zu Mozilla finden und in den Hauptzweig eingebaut werden.
Die Mozilla Corporation hat nun verfügt, daß jede solche distributionsspezifische Änderung zuerst von ihr abgesegnet werden muß, bevor das Programm wieder unter dem Namen „Firefox“ vertrieben werden darf. Das ist ein in der Branche absolut unüblicher Vorgang und erinnert stark an Microsofts Vorgehen gegenüber Hardware- und Treiberentwicklern („WHQL-Testing“). Andere Distributoren wie Red Hat und Novell haben diese Knebelbedingungen anstandslos akzeptiert: Ihnen geht es ums Geschäft, und ohne den zugkräftigen Namen „Firefox“ wäre ein Nachteil zu befürchten. Das Debian-Projekt, das keinen Aktionären, wohl aber seinen Grundsätzen verpflichtet ist, konnte hier nicht mehr mit. Und es scheint fast so, als wäre genau das die Absicht der Mozilla Corporation gewesen: Seltsamerweise darf nämlich die auf Debian basierende, vom Image her aber „coolere“ Distribution Ubuntu per Sonderabkommen den Namen Firefox weiter verwenden, obwohl sie alle Debian-spezifischen Änderungen übernommen und noch weitere hinzugefügt hat. Die Strategie dahinter scheint klar: marktkonforme Player werden ins Boot geholt, lästige grassroot-Projekte über Bord geworfen.
Übrigens: Auch das GNU-Projekt bastelt an einem Firefox-Fork unter dem Namen „Iceweasel“, und zwar ebenfalls aus lizenztechnischen Gründen. Die Namensgleichheit ist unbeabsichtigt (der Name „Iceweasel“ stand bereits 2004 zur Diskussion und wurde jetzt von beiden Gruppen aufgegriffen), noch gibt es keine Zusammenarbeit zwischen dem GNU-Team und den Debian-Entwicklern. Debian hat aber bereits Interesse signalisiert. Ein Firefox-basierender Browser, der sauber lizensiert ist und nicht von einem Unternehmen wie der Mozilla Corporation kontrolliert wird, ist sicherlich kein Schaden.