ESC 2013: Drei Songs sind fix
Drei Rundfunkanstalten haben ihre Beiträge fixiert. Eine Reihung nach dem „gefällt mir“-Faktor erspare ich mir aber nicht wegen der (noch) geringen Anzahl der Beiträge, sondern - na, soll jeder selbst sein Urteil fällen. In alphabetischer Reihenfolge also:
Belgien: Knollnasenmännchen Roberto Bellarosa singt (?) „Love Kills“. Das ist nichts, was man sich ein zweites Mal anhören möchte. Muß man auch ganz sicher nicht: Robertos Stimme dapackt nicht mal diesen einen Live-Auftritt. Es ist quälend mitanzusehen, wie er die letzten Töne nur mehr unter größter Kraftanstrengung hervorwürgt. Daß er bei der Vorstellung des Songs im belgischen Fernsehen nebenbei Texthänger hat, macht den Gesamteindruck nicht professioneller. Unterhaltsam an der ganzen Performance ist das Ratespiel: Was singt er da eigentlich? Die Stelle, die so klingt wie „waiting for the beer, the beer“ - paßt die wirklich in eine dramatische Liebesschnulze? Wer auch im dritten Anlauf noch verzweifelt, findet hier den Text zum Nachlesen.
Schweiz: Wenn ich diesen Bericht richtig lese, hat die Heilsarmee in der Schweiz rund 5.500 Angestellte und Mitglieder. Allein die werden wohl verläßlich für „ihre“ Combo mit dem Titel „You And Me“ angerufen haben bei der Schweizer Vorentscheidung. Tatsächlich heißt die Gruppe Heilsarmee nicht nur so: sie ist Teil der Heilsarmee. Mit einem martialischen Ah-ah-aaah-ah-ah-ah-aaah / Let it hear from near and far
marschiert sie gen Malmö. Daß das Teil einer großen Missionsbewegung ist, läßt die Homepage erahnen: Dort finden sich der Liedtext und (ungewöhnlich für den ESC) die Partitur des Songs als PDF zum Download. Zum Song: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die aneinandergereihten englischen Worte auch immer englisch klingen. Die Melodie ist eingängig. Sehr eingängig. Ein Ohrwurm. Und zwar so sehr, daß man nach der ersten Minute nicht mitsingen, sondern gelangweilt abschalten möchte. Es gibt eine gewisse Obergrenze, wie viel an Wiederholung ein Lied aushält. „You And Me“ hat sie definitiv überschritten.
Ein weiterer Minuspunkt ist der ideologische Hintergrund der Heilsarmee. Die fundamentalistische christliche Freikirche hat sich wiederholt negativ zu Homosexualität geäußert und schließt offen schwul oder lesbisch lebende Menschen aus Ämtern und Funktionen aus. Das kann man als Kirche natürlich tun. Als Teilnehmer beim Eurovision Song Contest begibt man sich damit aber in schwieriges Fahrwasser. Mal sehen, was beim Televoting die Oberhand gewinnt: Die Sympathisanten der Heilsarmee, die über ganz Europa verstreut sind, oder das zumindest in Westeuropa traditionell schwule Publikum.
Weißrussland: Daß ich mit „Rhythm of Love“ nicht so wirklich warm werde, liegt wahrscheinlich weniger an der Komposition als an den vielen Großaufnahmen der Interpretin Alena Lanskaya. Sowohl Song als auch Sängerin wirken irgendwie billig, dem Lied verzeiht mans dann aber doch eher. Vielleicht hat Hans-Georg einfach Recht und eine bessere Kameraführung beim Song Contest selbst bringt noch den einen oder anderen Sympathiepunkt. Mal sehen, ob das Budget zwischendurch für ein Musikvideo reicht. Stampfsound halt, den man so schon ein bißchen zu oft gehört hat.
Noch sinds ja nur drei Länder, drei Songs. Bleiben wir optimistisch! Ansonsten gilt halt auch für Malmö: „Waiting for the beer, the beer“ ;)
Na, und die Schweiz? Mit dem schrägen outfit und dank der millionenstarken Heilsarmee haben die wohl eine Chance, auf den vorderen Plätzen zu landen - leider.
Angeblich fand die belgische Vorausscheidung im Rahmen einer Radiosendung statt. Das würde die doch etwas karge Bühnengestaltung und die lieblose Kameraführung (offenbar nur zur nachträglichen Dokumentation) erklären.
Die Schweiz … Ja, das ist schon eine eigentümliche Sache. Ein bißchen Angst macht mir das schon. Was kommt als nächstes? Eine Scientologen-Boy-Band? Mich würd ja interessieren, wie viele Mitglieder und Sympatisanten diese Heilsarmee europaweit hat und ob das beim Publikumsvoting relevant werden kann.
(Die EBU ist ja immer sehr darauf bedacht, politische Inhalte vom ESC fernzuhalten. Ich würde mir wünschen, daß sie das bei religiösen Gruppen genauso handhaben.)
ESC: