Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Euro, Mohammed-Karikaturen und Erdöl

Ich bin ja nicht unbedingt ein großer Freund finsterer Verschwörungstheorien. In diesen Tagen bewundern wir aber ein seltsames zeitliches Zusammentreffen: Angestaubte Mohammed-Karikaturen vom September 2005 treiben plötzlich einen Keil zwischen die EU und arabische Staaten. Die USA üben sich in freundlicher Solidarität mit dem „alten Europa“. Und der Iran nähert sich mit riesigen Schritten einem internationalen Konflikt.

Warum mir das auffällt? Weil ich schon seit längerem darauf warte, was im März 2006 politisch am Golf los sein wird. Im März 2006 soll, wenn alles nach Plan läuft, die neue Erdöl-Börse im Iran eröffnet werden. Der große Unterschied zu den bestehenden Handelsplätzen NYMEX und IPE: Der Handel soll nicht in US-Dollar, sondern in Euro abgewickelt werden. Das wäre für die USA deshalb bitter, weil ausschließlich die Beschränkung des Rohölhandels auf US-Dollar deren derzeitiges massives Handelsbilanzdefizit überhaupt noch tragbar macht: Solange alle Welt die „Petrodollars“ nachfragt, um damit Öl zu kaufen, können die USA das Defizit einfach durch den Nachdruck von Geldscheinen ausgleichen. Sobald Öl in einer anderen Währung gehandelt würde, bekämen die Vereinigten Staaten ein Problem damit, ihren wachsenden Import zu finanzieren. (Siehe auch „Hegemonie muss ständig gewahrt werden“, „Die Weltwirtschaft im Griff des Dollar-Imperiums“ oder auch „Das Öl, die Währung und der Krieg gegen den Irak“)

Bislang ist das ja reine Spekulation. Noch rechnen ja alle ölexportierenden Staaten brav in Dollar ab. Alle Staaten? Fast alle Staaten… Kurzfristig hatte nämlich der Irak unter Saddam Hussein die Regel gebrochen und im November 2000 die Abrechnung im Rahmen des „Oil for Food“-Programms auf Euro umgestellt. Lang hat das nicht gehalten, wie wir wissen, und eine der ersten Handlungen der USA nach der Invasion war die Umstellung der Öl-Exporte zurück auf Dollar.

Seither mehren sich die Stimmen, daß es beim Irak-Krieg weder um Massenvernichtungswaffen noch um die direkte Kontrolle der Fördergebiete gegangen ist. Es sei, so sagen viele, ausschließliches Ziel der USA gewesen, die Alleinherrschaft des Dollar auf dem Ölmarkt wieder herzustellen (zB „The Real Reasons for the Upcoming War With Iraq“). Nachdem ein Höhenflug des Euro die Entscheidung Husseins auch wirtschaftlich interessant gemacht hatte, fanden nämlich auch andere OPEC-Staaten, vor allem der Iran und Venezuela, die Idee einer Abrechnung in Euro immer verlockender. Dem sollte vorgebeugt werden, der Irak-Krieg war die Rute im Fenster.

Trotz dieser Abschreckung hält nun der Iran an der Euro-Ölbörse fest. Diese würde bedeutend schwerwiegendere Folgen haben als die wenigen Barrel, die Saddam Hussein im Rahmen von „Oil for Food“ in Euro abrechnen konnte. Es wurde viel spekuliert, ob es zur Eröffnung dieses Marktplatzes kommen könnte und welche Optionen die USA hätten, dies zu verhindern. Vor allem eine erneute militärische Intervention schien vielen Journalisten ausgeschlossen, das Verhältnis zu Europa hätte zu sehr unter dem Irak-Krieg gelitten.

Was aber haben finden wir nun vor? Der Iran wird zur Zielscheibe, und zwar mit dem altbekannten Vorwurf „Massenvernichtungswaffen“. Wieder vermutet man, daß die Atom-Vorwürfe gegen den Iran, so wie bei Saddam Hussein, nur Ablenkung sind (siehe „Iran’s real crime?“, „Kippt der Iran den US-Dollar?“ oder auch „Dollars, Euros and the Upcoming Iranian Oil Bourse“). Die Konstellation ist vergleichbar wie beim Irak-Konflikt, die EU versucht sich als Vermittler zwischen den USA und dem Iran. Plötzlich jedoch tauchen in den arabischen Staaten manipulierte Berichte über monatealte Mohammed-Karikaturen auf, die die Menschen dort vor allem gegen Europa auf die Barrikaden steigen lassen. Nicht nur in arabischen Medien, auch auf BBC World werden zusätzlich zu den echten Karikaturen auch solche gezeigt, auf denen Mohammed als Kinderschänder zu sehen ist oder ein betender Moslem von einem Hund vergewaltigt wird (Quelle: Wikipedia). Der Ursprung dieser Darstellungen ist bis heute ungeklärt, sie dürften aber einen nicht unerheblichen Anteil am Zorn der Moslems haben. Jedenfalls führt die ganze Sache zu einem Schulterschluß zwischen dem sich bedroht fühlenden Europa und den USA, denen daraus mehr Handlungsfreiraum gegenüber dem Iran erwächst.

Das zeitliche Zusammentreffen ist interessant. Noch interessanter ist, was mit der geplanten Rohöl-Börse im Iran passieren wird. Wird sie im März eröffnet? Wie lange wird sie bestehen?

 
nasgrath meinte am :
sehr empfehlens- und vor allem lesenswert: