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Wiener Linien: Fahrpläne schüren kriminelle Energien

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Diskussion über die Veröffentlichung von Fahrplan- und Echtzeitdaten der Wiener Linien ist um eine Peinlichkeit reicher.

Im Rahmen eines Chats auf diepresse.com wurde Eduard Winter, Geschäftsführer der Wiener Linien, wieder einmal mit der seit 2010 (!) offenen Frage konfrontiert, warum die Wiener Linien diese mit öffentlichen Mitteln finanzierten Daten nicht auch öffentlich zugänglich machen, wie es in zivilisierten Städten üblich ist. Seine Antwort darauf:

Wir wollen vermeiden, dass unsere Echtzeitdaten ungefiltert abrufbar werden, da es dann durchaus möglich sein kann, sich auf unserem Server einzuloggen. Da haben wir die Befürchtung, dass hier möglicherweise kriminelle Energie freiwerden könnte - zum Schaden unserer Fahrgäste.

Man fragt sich schon, ob das Blödheit oder unverschämte Provokation ist. Nur zum Verständnis: Niemand verlang Zugriff auf interne Server der Wiener Linien. Was gefordert wird ist, die ohnehin bereits bestehenden externen Schnittstellen (die z.B. vom Programm qando verwendet werden) zu dokumentieren und mit einer Lizenz zu versehen, die die Abfrage auch erlaubt. (Derzeit verbieten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Nutzung der Schnittstelle.)

Wäre die Argumentation von Herrn Winter auch nur ansatzweise logisch und richtig, müßten die Wiener Linien auch ihr bestehendes Webservice i.tip auf der Stelle vom Netz nehmen. Es stellt genau die Daten online, von denen Herr Winter behauptet, sie würden das Einloggen auf seine Server ermöglichen und zum Schaden der Fahrgäste kriminelle Energien freilegen.

Zur Erinnerung: Erstmals ins Bewußtsein der Öffentlichkeit getreten ist das Thema „Fahrplandaten“ 2010. Damals hat Thomas Perl (übrigens eine absolute Ausnahmeerscheinung in Sachen Software-Output für „die Guten“) ein Programm fürs Nokia N900 veröffentlicht, das diese nur inoffiziell anzapfbaren Daten für N900-User wunderbar aufbereitete. Statt das Projekt zu unterstützen, drohten die Wiener Linien damals mit rechtlichen Schritten und erzwangen sowohl die Löschung der Installationsfiles aus allen Repositories als auch die Entfernung aller Hinweise darauf aus dem Web. Letzteres hat mich selbst getroffen. Erik hat das damals mitbekommen und in seinem Kommentar angekündigt, die Sache bei den Grün_innen zu hinterfragen. Tatsächlich nahm Marco Schreuder das Thema auf (hier sein Blog-Beitrag mit Verweis auf meinen Originalartikel) und brachte einen „Open Data“-Antrag im Gemeinderat ein, der der Blockadetaktik der Wiener Linien ein Ende machen sollte. Natürlich wurde der mit absoluter SPÖ-Mehrheit abgelehnt. Gerade noch: Kurz darauf war die Wahl, und im rot-grünen Regierungsübereinkommen steht dann zumindest ein weichgespültes Lippenbekenntnis zu Open Data.

Geändert hat sich seither nichts, die Argumentationslinie der Wiener Linien ist einfach nur noch weltfremder und bescheuerter geworden, wie das oben angeführte Beispiel zeigt. Aber: Seit 2010 bekommen die Wiener Linien das Thema nicht mehr weg. Es ist wie eine lästige Schmeißfliege, die ihnen bei allen möglichen Anlässen um die Nase fliegt. (Ich wette: Mittlerweile wünschen sie sich, sie hätten nie auf das N900-Programm reagiert.) Das allein ist ein Erfolg. Es zeigt, daß Open Data kein Randthema ist, das nur mich interessiert. Es zeigt, daß viele andere nicht zur Kenntnis nehmen wollen, wenn kreative und innovative Menschen wie Thomas Perl mit ihrer Arbeit an Packelei und undurchsichtigen Machtstrukturen scheitern. Danke an dieser Stelle an Marco Schreuder für seine konkrete Initiative und an Iwona Wisniewska dafür, daß sie Eduard Winter wieder mit der Sache konfrontiert und auf dasfaschblatt.at einen Artikel dazu veröffentlicht hat. Steter Tropfen höhlt den Stein, hoffentlich.

 
schlosser meinte am :
Seehr merkwürdig.
Also, sogar *ich* mit 'normalem' Computerwissen kann mir auch nicht vorstellen, warum man bei Bereitstellung von Daten auch zwingend auf einen internen Server zugreifen muss... das geht doch anders irgendwie auch. Die Daten können ja separat wo liegen, wo sonst nix 'Heikles' liegt...
Warum schützt Herr Winter bzw. die Wiener Linien das Kartenmaterial für die Verwendung von Qando also? Freunderlwirtschaft? Da das Programm ja kostenfrei ist, kann es nicht ausschließlich finanzielle Gründe haben. Wollen die eine 'geschützte Werkstatt' (Fluidtime) absichern?
Wieder einmal so eine 'gschobene Partie', das hängt einem ja schon zum Hals raus.
*pfffrt!* 
ossi1967 antwortete am :
Freunderlwirtschaft?

In der österreichischen Politik? Ach was, wo denkst Du hin. Das ist alles nur wegen … wegen … Terrorismusbekämpfung und so. Stell Dir vor die Taliban oder ‏al-Qaida würden mitbekommen, wann der nächste ULF vom Schottentor zur Brünnlbadgasse fährt!

 
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