Podcasts: Heiße Luft?
die Herzen der. Podcasting ist einer davon - zumindest technisch gesehen.Ich bin so hip, ich mach' der Million anderer Starbucks Venti Latte Trinker alles nach-Szene erreichen
Für viele beschreibt Podcasting einfach die Idee von "Radio über Internet", vielleicht noch verbunden mit dem Gefühl des amateurhaft Sebstgestricken. Falsch. Internet-Radio existiert seit 1993 mit mehr oder weniger hörenswerten Inhalten und mit den verschiedensten technischen Grundlagen, und zwar je nach Bedarf entweder als Live-Stream oder als Playlist. Trotzdem wurde der Begriff "Podcasting" erst im Februar 2004 in einem Artikel des Guardian erstmals erwähnt (und mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig erfunden). Was also unterscheidet die Podcasts von heute technisch gesehen von den Playlists, mit denen man vor vier Jahren sein selbstgebasteltes Radio in die Welt übertragen hat?
Grundsätzlich handelt es sich bei Podcasts (meist) um RSS-Files. Das ist, vereinfacht gesagt, der einzige Unterschied zu früher und gleichzeitig der kleinste gemeinsame Nenner aller Podcasts. RSS steht, je nach Version und Lesart, für "Rich Site Summary", "RDF Site Summary" oder "Really Simple Syndication". RSS-Dateien werden geschrieben, um auf andere Inhalte zu verweisen, diese zu beschreiben und in eine chronologische Abfolge zu bringen. Gleichzeitig enthalten sie die Information darüber, wie oft diese Inhalte sich wahrscheinlich ändern werden.
Podcasts nützen nun genau diese Eigenschaft: Ein Podcast-File beschreibt
- eine Liste von Audio-Dateien (die irgendwo abgespeichert sind)
- mit ihrer jeweiligen Entstehungszeit, aus der sich die Abspiel-Reihenfolge ergibt,
- und dem Zeitpunkt, zu dem voraussichtlich die nächste Änderung stattfinden wird (=ein neues Stück hinzukommt).
Weil nun Podcasts einfach nur RSS sind, können sie natürlich auch alles, was RSS (bzw. die gerade verwendete RSS-Version) ebenfalls kann: Bilder, beschreibende Texte und Verweise auf andere Dokumente können in die Struktur eingebaut werden. (http://www.kommunismus.net/podcast/index.xml nutzt diese Möglichkeit sogar für den Verweis auf begleitende PDF-Files.)
Erst seit Juni 2005 erhält der Begriff Podcasting erstmals auch eine technische Dimension: Apple hat eine Erweiterung zu RSS 2.0 veröffentlicht (und in iTunes 4.9 eingebaut), die RSS 2.0-Files mit iTunes kompatibel machen soll. Dabei geht es vor allem um die Art der Bezeichnung und Kategorisierung von Dateien. Hier hätten wir es also erstmals mit einer Spezifikation zu tun, die gezielt auf den Begriff "Podcasting" zugeschnitten ist. Allerdings wird der Wert dieser Spezifikation mehr als nur bezweifelt: Die mildeste Reaktion war Edd Dumbills
Apple clearly don't have enough people who really understand XML. Eine ausführliche Aufzählung der Probleme findet sich im Artikel Finger in the Dike, Thumb in the Damned, in dem die düstere Vermutung geäußert wird, daß diese "Erweiterung" das Ende des ohnehin schon problematischen RSS-Formats sein könnte:
Was bleibt also unterm Strich? Podcasts spielen Audio-Dateien in einer fix vorgegebenen Reihenfolge ab. Das konnte schon vorher jedes beliebige Playlist-Format. Sie nutzen (oder mißbrauchen) dazu RSS, seit den 90ern in verschiedenen Versionen existiert. Im Grunde ist es ein schönes Buzzword für etwas, das es bereits seit Ewigkeiten gibt. Was weiter nicht schlimm wäre (das nächste Buzzword kommt bestimmt), wenn nicht die Gefahr bestünde, daß durch die mißlungenen RSS-Erweiterungen von Apple der gesamte Standard gekippt wird.iTunes is to podcasting as Internet Explorer is to HTML. RSS interoperability, at least as far as podcasting goes, now means “works with iTunes.” Thousands of people and companies will begin making podcasts that “work with iTunes,” but unintentionally rely on iTunes quirks [...]. This in turn will affect every developer who wants to consume RSS feeds, and who will be required to emulate all the quirks of iTunes to remain competitive.
Apple has effectively redefined the entire structure of an RSS feed, added multiple core RSS elements, made all RSS elements case-insensitive, made XML namespaces case-insensitive, created a new date format, made several previously required attributes optional, and created a morass of undocumented and poorly-documented extensions… to what was already a pretty messy format to begin with.
Wie gesagt, das alles bezieht sich auf die technische Seite. Inhaltlich möchte ich, wie zu Beginn, http://hitherto.net zitieren:
Just because you have a face for radio does not mean that you have a voice for radio.
Und, nur um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin ja nicht dagegen, daß Dinge komische Namen bekommen und/oder Spaß machen. Auch ich bin ein Fan von Pippi Langstrumpf :-) (Und vielleicht gibt's demnächst auch von mir einen 'Podcast'...?) Ich find's nur manchmal beunruhigend, wenn eine spontane Wortbildung eines Journalisten dazu führt, daß die Leut' nun glauben, das Internet sei neu erfunden worden.
Vorweg: Deinem Kommentar zu Apple und XML stimme ich Dir zu, weiss aber aus meiner beruflichen Praxis, dass Apple da nicht allein steht, mit der Behauptung, XML zu produzieren, obwohl man keine Ahnung hat.
Auch Deinem Kommentar zu den iTunes Enhancements von Apple stimme ich Dir großteis zu, wenngleich es da auch sinnvolle Erweiterungen (zB chapters) gibt.
ABER: Oft wird ein Produkt erst erfolgreich, wenn man es anwendbar macht. Ich hab Winamp immer sehr unpraktisch gefunden. Schon weil ich hierarchische Suchen unmöglich finde. Da ist, und zumindest das scheint mir ziemlich außer Steit stellbar, iTunes eine wirklich tolle Sache zu sein, egal wers erfunden hat.
Was die Podcasts anlangt: Ja kann schon sein, dass man Podcasts auch mit Playlists machen könnte, aber mE gehen dann viele Dinge, die man durch die Vergewaltigung von RSS Feeds kann nicht: zusätzliche Metadaten, Bilder, Links, ...
Ich denke der einzige Ausweg ist, dass man halt einfach sagt, es gibt RSS-Feeds und es gibt Podcasts, die sich draus entwickelt haben.
Oder findest Du auch, dass HTML eine Vergewaltigung von SGML ist?
Ich LIEBE meine Podcasts und ich möchte sie nicht missen. Warum das funkt ist mir in dem Fall echt komplett schnurzegal. Und iTunes ist die beste Musicbox und die beste Software zum Verwalten von Musik und Podcasts - basta ;-).
Im Unterschied zum für Dich vergleichbaren Fall von HTML und Explorer: Hier ist das Problem, dass es hier nicht nur um nicht offen gelegte (Unterschied #1) Features geht, sondern auch, dass vieles von dem was Standard ist, nicht, oder völlig falsch (#2) umgesetzt wird.
Nachdem ich Dein Blog in meinem Safari als RSS tadellos lesen kann und bisher alle Podcasts tadellos funktionieren, scheint mir die Problematik doch deutlich unterscheidbar. Wenn Du das Podcasting ansich für unnötig hältst, ok. Wenn Du mir zugestehst, dass es toll ist, dass man jetzt Radio endlich zeitversetzt nutzen kann, bin ich Apple dankbar, dass seit Itunes 5 die Zahl der guten Podcasts sprunghaft gestiegen ist.
Und was noch ein Unterschied ist: Microsoft wird wahrscheinlich noch einmal 10 Jahre lang behaupten, kein Mensch braucht RSS und Podcasts, und dann werden sie's "eigentlich" erfunden haben und jeden verklagen, der es noch außerhalb ihres kostenpflichtigen Dienstes nutzt.
Apple sind die Good Guys, die Filmstudios, M$ und die Plattenlabels sind die bad guys!
Den Vergleich iTunes und Internet Explorer dürftest Du mißverstanden haben: Es geht im zitierten Artikel eben darum, daß Apple in iTunes Fehler eingebaut hat (so wie M$ in den IE), die die Autoren dazu bringen, fehlerhaftes RSS zu verfassen. Das wiederum nötigt andere RSS-Clients, die gleichen Fehler nachzubauen (oder zu tolerieren), damit sie Mainstream-kompatibel bleiben. Ansonsten heißt's ja "Mein RSS-File muß aber richtig sein, weil iTunes versteht's ja! Dein RSS Reader ist ein Schmarrn!" Gleicher Effekt wie zB bei der falschen Interpretation des CSS-Box-Models durch den IE, das es fast zum de facto Standard geschafft hätte.
Ansonsten - siehe oben (meine Antwort auf den Kommentar von nahlinse): Es ist alles recht, was Spaß macht. Ich find nur beeindruckend, wie mächtig Marketing ist.
PS: Apple ist wie Microsoft, nur besser angezogen. Nixda Good Guys ;-) - Und M$ setzt in Vista voll auf RSS - natürlich ebenfalls mit MS-spezifischen Erweiterungen, so wie Apple. (Bald werden so lustige Symbole in Feeds eingebaut sein: "This newsfeed is best processed with Microsoft Vista!" vs. "This newsfeed is optimized for Apple iTunes" - hatten wir das nicht schon hinter uns *g*?)