Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Ubuntu ist tot? Lang lebe Ubuntu!

Rums! Da warens nur noch zwei. Ubuntu auf Smartphones und Tablets ist seit dieser Woche endgültig Geschichte. Mark Shuttleworth, Geldesel und „Erfinder“ der erfolgreichen GNU/Linux Distribution Ubuntu, hat in seinem Blog-Artikel vom 5. April trocken verkündet: Das Geschäft liegt - anders als von ihm ursprünglich vorhergesagt und erhofft - nicht in der Konvergenz zwischen mobilen Geräten und dem Desktop. Stattdessen verdient man sein Geld heutzutage mit Serverlösungen, dem neuen Hype „Internet of Things“ (IoT) und ein bißchen Desktop-Support.

Die mobile Version von Ubuntu, deren Weiterentwicklung bereits seit Jänner fraglich schien, ist nun also offiziell tot. Das hat Auswirkungen auf den Smartphone-Markt und auf meine Laptops bzw. Desktop-Rechner:

Der Smartphone-Markt hat jetzt nur mehr zwei freie Betriebssystem, Jollas SailfishOS und Tizen. (Wobei Tizen zwar theoretisch und technisch ein Nachfolger der Maemo/MeeGo-Ära und damit so etwas wie ein Cousin von SailfishOS ist, Samsungs sehr restriktive Entwicklungspolitik es aber schwer macht, Tizen wirklich als „frei“ zu bezeichnen.)

Für die klassischen Desktops und Laptops bedeutet Shuttleworths Kehrtwende (hoffentlich) ein Ende des Streits zwischen den Entwicklerteams von Ubuntu einerseits und praktisch allen anderen Projekten der GNU/Linux-Desktopwelt auf der anderen Seite. Seit 2010 hat Ubuntu (bzw. die dahinterstehende Firma Canonical) im Alleingang eine Reihe von Technologien entwickelt, die Mark Shuttleworths Vision vom „konvergenten Desktop“ unterstützen sollten. Egal ob Smartphone, Bürocomputer oder Fernseher, alles sollte unter Ubuntu laufen können … Weil vorhandene Technologien dafür angeblich nicht geeignet waren, entwickelte man die wichtigsten Bausteine eines GNU/Linux-Desktops neu, von der Desktopumgebung „Unity“ (statt GNOME) bis zum Display Server „Mir“ (statt Wayland), der das in die Jahre gekommene X11-Protokoll ersetzen sollte. Kritiker hatten Ubuntu von Anfang an vorgeworfen, daß es keine technischen Gründe für diese Alleingänge gab, daß die wahre Motivation hinter den Abspaltung ausschließlich rechtlicher Natur war: Canonical hatte die Projekte so aufgesetzt, daß es die komplette Kontrolle über den Code behalten und die Produkte gewinnbringend vermarkten konnte.

Daß diese Kritik durchaus berechtigt war, bestreitet mittlerweile kaum noch jemand. Letztlich ist Ubuntu wohl an dem Aufwand erstickt, für diese komplexen Aufgaben ohne fremde Unterstützung eigene Lösungen entwickeln zu müssen. Vor allem beim Display Server „Mir“ wurde das Problem nur zu offensichtlich: Hier ist gute Hardwareunterstützung gefragt, die Hersteller der Grafikkarten müssen kooperieren. Zu einem gewissen Teil tun sie das mit dem neuen Standardprojekt „Wayland“. Wo sie es nicht tun, erfährt Wayland genügend Unterstützung von Programmierern, um die notwendigen Hardwareschnittstellen auch selbst entwickeln zu können. Canonical saß wie ein trotziges Kind im Eck und mußte alles alleine stemmen, während z.B. Jolla für sein SailfishOS von den Fortschritten des Wayland-Projekts profitierte und diesbezüglich kaum Entwicklungskosten hatte.

Unterm Strich haben alle Ubuntu-User in den letzten Jahren gemerkt: Es geht kaum noch etwas weiter. Die Version für Smartphones „hatte Potential“, aber keinen funktionierenden Mail-Client. Am Desktop gabs zwar alle sechs Monate ein Update, die Änderungen mußte man aber mit der Lupe suchen. Mit dem Ende der Ressourcenfresser Mir und Unity sowie dem angekündigten Umstieg auf GNOME als Desktop-Oberfläche schon Anfang 2018 ist zu hoffen, daß diese Zeit des Stillstands zu Ende geht. Bei GNOME zum Beispiel geht ja ordentlich was weiter: Auch dort wird der 6monatige Release-Zyklus eisern eingehalten, im Gegensatz zu Ubuntu sind aber in jeder Version auch sichtbare und praktische Neuerungen zu finden.

Fazit: Um die Smartphone-Version tut es mir bedingt leid. Niemand wird sie in ihrer jetzigen Form vermissen, aber es hätte was aus ihr werden können. Daß Canonical seinen Spielzeugprojekten Unity und Mir den Geldhahn zudreht, ist allerdings eine große Erleichterung. (Ich habe bewußt geschrieben „den Geldhahn zudrehen“: Ob das das endgültige Aus für den Unity-Desktop ist, weiß niemand. Schließlich liegt der Code ja offen rum und ein paar Freunde hat das System über die Jahre wahrscheinlich doch auch gesammelt.)

 
Fairphone-Wolfi (Gast) meinte am :
Segel hissen?
Ubuntu war für mich persönlich ja nie eine naheliegende Option. Ich überlege aber ernsthaft, mir aufs zweite, jungfräuliche Puppi Jolli draufzuspielen, also die Segel zu hissen. :-)

Zur Zeit wird es im Forum zwar recht gut beschrieben, doch bestimmte Komponenten (vor allem die Kamera) lassen sich nicht einwandfrei über das alternative OS verwenden. Das wär dann doch schad.
(vor allem bin ich mir ja nicht sicher, wie es mit meinem Exchange aussieht. Du weißt: *Ich* und mein Exchange sind ja verheiratet. *g*)

Off topic: Sollte es nicht 'Rums. Da waren's nur noch zwei.' heißen? ;-) 
ossi1967 antwortete am :
@Fairphone-Wolfi: It's optional!

Anders als das Anbieten eines Heißgetränks to someone in distress ist das Setzen eines Apostrophs dort, wo das Pronomen „es“ zu „s“ verkürzt wird, nur an optional social convention. Waren's ist daher zwar richtig, warens aber ebenso. (AFAIK ist das übrigens eine Errungenschaft der Rechtschreib„reform“ von 1996, die ich gerne übernommen habe.)

Für mich war Ubuntu aus zwei Gründen naheliegend: Erstens laufen mein Läppi und der PC vom Herrn Minirat unter Ubuntu; da gibts also schon einen existierenden Anknüpfungspunkt. Zweitens ist Ubuntu in der Smartphone-Variante technisch sehr ähnlich aufgebaut wie SailfishOS. Hätte Canonical es richtig gemacht, wäre eine plattformübergreifende Softwareentwicklung für SailfishOS und Ubuntu durchaus möglich gewesen. Ich hab mir ein Smartphone mit Ubuntu gekauft, weil ich einfach sehen wollte, wie ähnlich/unterschiedlich Telefone sein können, die eigentlich mit einem fast gleichen OS laufen. (Fazit: Sehr unterschiedlich. Ubuntu hat hier wirklich sehr viel falsch gemacht.)

Daß Exchange auf einem „Community Port“ funktioniert, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Das ist kein Standard und gehört (zumindest soweit ich mich erinnern kann) zu den proprietären Bestandteilen von SailfishOS, die für die Community Ports nicht zum Download freigegeben werden dürfen. Man sollt sich eben nicht von sowas abhängig machen. :)