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50 Jahre Raumschiff Enterprise: Politik für Millionen

Kirk und Uhura küssen einander Am 8. September 1966 ging die erste Folge von „Star Trek“ auf Sendung. Daß die Sache so ein riesengroßer kommerzieller Erfolg werden und ein Herr Welzl 50 Jahre später noch darüber bloggen würde, war damals nicht abzusehen: Schon nach der zweiten Staffel sollte die Originalserie wegen zu niedriger Quoten eingestellt werden. Fanpost überzeugte den Sender, noch ein weitere Staffel zu produzieren - nach 79 Folgen war dann aber endgültig Schluß. Vorerst.

Inzwischen ist Star Trek Kult. Insgesamt sechs TV-Serien spielen im Star-Trek-Universum, eine weitere ist in Vorbereitung und soll 2017 ausgestrahlt werden. Dazu kommen die dreizehn Kinofilme sowie zahllose Bücher, Comics, Videospiele, … Ich habe sogar einen Pizzaschneider in Form der USS Enterprise in meiner Küche. Es gibt nichts, was es nicht gibt.

Warum die Serie diesen Kultstatus erreichen konnte, scheint auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar: Die Produktion war auch nach damaligen Standards billig, die Handlung selten übertrieben originell, die Charakterzeichnung schablonenhaft und die Dialoge hölzern (Er ist tot, Jim.). Was an der Sternenflotte fasziniert also immer neue Zuschauergenerationen?

Gene Roddenberry, der Schöpfer der Originalserie (er wurde übrigens 1997 als einer der ersten Menschen im Weltraum bestattet), hat mehr entworfen als einen „Western im Weltraum“. Star Trek ist Utopie im ursprünglichsten Sinn und als solche in höchstem Maße politisch. Roddenberry war überzeugter Humanist. Er hat sich für das 23. Jahrhundert eine Welt ausgedacht, in der Mangelwirtschaft und Kapitalismus überwunden sind, in der der Mensch aus sich heraus nach Bildung und Weiterentwicklung strebt, in der Menschen der Sache wegen ihr Bestes geben und zusammenstehen. Allein diese antikapitalistische, großteils sozialistische Grundannahme im Hauptabendprogramm eines Amerika, das mitten im Kalten Krieg steht und sich über die Überlegenheit des Kapitalismus definiert … Hut ab!

Dazu kommen die vielen konkreten Themen, die Roddenberry in der „besseren Zukunft“ verpackt hat, nicht immer zur Freude des konservativen TV-Publikums. Der Vietnamkrieg, die Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe, der Konflikt mit der Sowjetunion, der blinde Glaube an Führer und Heilsbringer, das von den USA oft nicht beachtete Selbstbestimmungsrecht fremder Staaten, die Benachteiligung von Minderheiten, die Militarisierung und die Kriegshetze, … Nein, Star Trek war kein oberlächliches Unterhaltungsprogramm. Star Trek war ein politisches Manifest des Humanismus.

Am offensichtlichsten wird dieser Anspruch bei den Mitgliedern der Brückencrew. 2016, 50 Jahre nach der Erstausstrahlung der ersten Folge, können wir an den Gruppenfotos der Hauptdarsteller nichts Ungewöhnliches erkennen. 1966 war das ganz anders: „Eine Negerin“ in einer tragenden Hauptrolle (und zwar nicht als Gegnerin des Helden), das gabs zuvor noch nie. Ebenso war die positive Darstellung eines Asiaten im US-Fernsehen unüblich. Daß dann auch noch Außerirdische und sogar Russen im engsten Kreis um Captain James T. Kirk zu finden waren, machte die Aufregung komplett. Nie zuvor hatte eine Hauptabendserie dem US-Publikum ein so buntes, multikulturelles Bild zugemutet.

Welche Bedeutung diese für uns heute selbstverständliche Zusammenstellung der Hauptfiguren damals hatte, zeigt sich an gleich mehreren Episoden um Lieutenant Uhura. Als bekannt wurde, daß diese wichtige Rolle mit der schwarzen Schauspielerin Nichelle Nichols besetzt werden sollte, drohten die Fernsehstationen in den Südstaaten damit, gleich die ganze Serie nicht auszustrahlen. NBC konnte das zunächst verhindern. Als es dann aber 1968 in der Folge „Platons Stiefkinder“ zum Kuß zwischen Kirk und Uhura kam, platzte den Verantwortlichen im Süden tatsächlich der Kragen. Die Folge wurde dort nicht gesendet. Zum Verständnis: In diesem Teil der USA war das Eheverbot zwischen Schwarzen und Weißen erst ein Jahr zuvor aufgehoben worden. Besagter Kuß in Star Trek war der allererste in der amerikanischen Fernsehgeschichte zwischen einem Weißen und einer Schwarzen. Ein absoluter Tabubruch, der den europäischen Zusehern in seiner Tragweite nie bewußt wurde.

Sehr wohl bewußt war die Bedeutung der „Lieutenant Uhura“ jemand anderem, dem Bürgerrechtler Dr. Martin Luther King nämlich. Als Nichelle Nichols die Serie nach der ersten Staffel verlassen wollte, war er es, der sie zum Bleiben überredete. Weil er in in ihrer Interpretation der Rolle das sah, was Roddenberry zeigen wollte: Daß ein Mensch unabhängig von seiner Hautfarbe für alle möglichen Berufe geeignet war; daß schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler nicht auch noch im 23. Jahrhundert nur Landarbeiter, Hausmädchen oder Matrosen spielen sollten.

Star Trek war von Beginn an Revolution. Der Traum von einer Welt, die wir erreichen können, wenn wir uns nur anstrengen, wenn wir nur besser, gebildeter werden wollen. Das hat den Erfolg der Serie und ihrer Nachfolger ausgemacht, das hat sie zum Kult gemacht. Schließlich war es auch dieser eine zutiefst humanistische Aspekt, der Millionen Fans in ihrer politischen Einstellung geprägt und sie zu „Gutmenschen“ werden hat lassen. Danke, Gene Roddenberry!

Regisseur J. J. Abrams, der für die letzten Kinofilme verantwortlich zeichnet, hat mit dieser Tradition gebrochen und reine Actionspektakel produziert. Seine Filme sind kurzweilig, aber leer. Anlaß zu Wehmut? Sicher nicht. Das Erbe der letzten 50 Jahre ist lebendiger denn je - und notwendiger. Solange Kirk, Picard, Janeway, Sisko und Archer in unregelmäßigen Abständen über die Bildschirme jagen, ist alles gut. :)

 
bonanzaMARGOT meinte am :
ein leben ohne raumschiff enterprise kann ich mir gar nicht vorstellen! 
ossi1967 antwortete am :
@bonanzaMARGOT

Treffend gesagt. Es wäre auch absolut sinnlos. :)