Bobo-Saison 2016 eröffnet
Grundsätzlich gilt ja immer noch: Seit dem Umbau der Straße ist sie nicht nur unterhaltsamer, einladender und lebendiger. Sie ist vor allem auch so gut wie frei vom Archetyp des grantelnden FPÖ-Wählers und stattdessen voller lebensfroher, weltoffener Menschen, die für eine angenehme Stimmung sorgen zwischen Bortolotti und Aïda. Natürlich gilt, wie immer: Unterhaltsame Menschen sind nicht immer freiwillig unterhaltsam. In Bobostan, dem verrufenen Dreieck zwischen MQ, Westbahnhof und Naschmarkt, trifft diese alte Weisheit ganz besonders zu. Nirgendwo sonst ist die Konzentration von Bobos (also 1-Mann-„Startups“ und „Kreativen“) so hoch wie hier, nirgendwo sonst wird so viel heiße Luft so schön artikuliert.
Zwei junge Buben (wahrscheinlich Fachhochschule für irgendwelche „kreativen Berufe“) bringen mich so sehr zum Lachen, daß ich bei den anderen Passanten Aufsehen errege. Etwa 15 Minuten lang werde ich verbalen Fürzen ausgesetzt à la:
… da gibt's natürlich schon auch deadlines, nicht ganz arbitrary, aber doch, naja …
… aber in der Zeit mußt du pushen, das mußt du nutzen um den market zu educaten, ganz klar …
…ist natürlich top, so eine opportunity direkt vorm product launch im headquarter …
… wir sind da im multichannel aufgestellt, zwei Milliarden aktive users [sic!] in unseren Netzen, überleg mal den reach!
Mich hats gebeutelt, ich konnt überhaupt kaum mehr Luft holen. Die zwei waren so vertieft in ihr Gespräch, die haben nix mitgekriegt. Nur die Passanten haben, wie gesagt, ein bißchen sehr seltsam geschaut. Aber eben auf mich. :)
(Beruhigend wars schon auch irgendwie: Ich hatte immer geglaubt, daß dieses „Ich komm frisch von der FH und versuche meine mangelnde Berufserfahrung hinter leeren englischen Worthülsen zu verstecken“-Gebrabbel ein Spezifikum unseres Unternehmens ist. Ist es offensichtlich nicht.)
Zum Schluß, kurz vorm Getreidemarkt, war ich so euphorisch und so mitgerissen von der Stimmung, daß ich mich ganz gegen meine sonstige Gewohnheit ins finsterste Herz Bobostans gewagt habe: ins Museumsquartier. Ich wollt nicht gleich so weit gehen, mich zu einem der „Kreativen“ auf ein Enzi zu kuscheln. (Es ist ja doch ein ganz anderer Kulturkreis …) Ein paar Minuten auf einem klassischen Bankerl aber hab ich mir schon gegönnt. Neben mir drei philosophierende deutsche Gastarbeiter - Mitte 20, weiblich, der Gestik und Mimik nach Intellektuell:
… wir waren echt befreundet, hart krass. Auf 'ner Reise denkste dir ja auch nichts bei, da kannste ja auch nicht anders als dem anderen vertrauen, nicht? Und dann kommt der mich besuchen später in Berlin und ich so: Alter, der is 29! Der hat fast die Drei vor! Hart krass, so, weißte wie ich mein?
… sie is ja auch voll die liebe, weißte, wir sind echt so. Ganz eine nette. Aber haste ihr Facebook-Profil gesehen? Voll die Bitch ey. Hart krass. To-tal überschminkt immer und das Bikini-Foto dazu. Ne echte Barbie Bitch. Sie ißt ja auch nix. Gar nix. Ne Pizza mal ab und an, aber dann wieder Detox-Fasten 1-2 Wochen.
Ich liebe es. Wenns Wetter halbwegs hält, muß ich morgen nochmal hin. Nicht unbedingt ins MQ vielleicht (das ist wirklich hardcore, der reine Stoff), aber die MaHü ist schon was Feines. Da sind die netten und die lustigen Menschen besser durchmischt. :)
Das ist richtig, das Herz des Bösen ist wohl wirklich eher die Gegend rund um den Karmelitermarkt. Ich würd nicht so weit gehen wie Herr David und gleich den ganzen 2. Bezirk verteufeln, aber dieses Viertel um den Karmelitermarkt, da trau ich mich auch nicht mehr unbeschwert hin. Richtig beunruhigend dabei ist ja, wie weit sich die Bobo-Kultur (bösartigen Metastasen gleich) schon in die vergleichsweise gesunden anliegenden Grätzl hineingefressen hat: Man sieht entsprechende Geschäfte sogar schon in der Heinestraße und in der Rotensterngasse, jeweils ganz nah an der Praterstraße. Dort, zwischen Tabor- und Praterstraße, sind ja die Leut noch halbwegs bodenständig und OK, zumindest was ich so mitkrieg, wenn ich im Mercedes-Taxi durchfahr. Man fragt sich, wo da die Kundschaft herkommt für dieses Über-Drüber-Zeug. Der x*X-Chef is ja mittlerweile weg …
PS: Wir waren heut nochmal dort. Es ist wirklich zum Schreien komisch. Beim Bortolotti gesessen, ersten Hugo des Jahres getrunken und HP gezählt. Ich hab gewonnen.
25 Millionen für ein paar Bobo´s rausgeschmissen. :-)
Nächstes Mal, wenn du wieder in der Gegend bist, ruf mich an.
Da kriegst du dann von mir eine Gratis Führung im grünen Bobo-Gender-Wunderland.
Wir haben alles, Gender- und Frauentrallala Beauftragte mit Haaren auf den Zähnen, bankrotte Cafe Rosa Betreiber, stramme Burschenschafter, euphorische Willkommensklatscher, Multi-Kulti bis zum Abwinken, Studenten gewisser Studienzweige, die sich jetzt schon einen Taxischein lösen oder ein Moped zum Pizza liefern besorgen können, etc. etc.
Glaub mir, auf der MaHü findest du niemals so eine Vielfalt :-)
... ist ja grad, daß die strammen Burschenschafter und die grantlerten Hausmasta fehlen. (Oder warst Du jemals dort? Siehstewohl! *LOL*) Nur gute Laune. Lovin' it!
btw. Herz der Finsternis: Am Samstag Vormittag am Karmelitermarkt neben dem Bio-Craft-Beer-Stand stehen und schreien: "Das Grauen! DAs Grauen!" ;)