Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Creative Commons: Spenden für die Rechtssicherheit

Ursprünglich wollte ich hier einen Spendenaufruf für einen armen kleinen Verein veröffentlichen, der von der bösen FPÖ finanziell ruiniert zu werden droht, obwohl er im Recht ist. So in etwa geistert die Geschichte nämlich durch die Medien.

Ein bißchen Recherche tut immer gut und führt zu dem Ergebnis, daß die Sache ein bißchen diffiziler ist, mehr Grautöne enthält … und daß eine Spende viel wichtiger ist als unter den ursprünglich angenommenen Rahmenbedingungen.

Was genau ist passiert? In Erfurt gibt es keinen kleinen Verein, der sich Filmpiratinnen und Filmpiraten e.V. nennt. Er bezeichnet sich selbst als Videokollektiv, das durch Graswurzeljournalismus Dokumentationen mit alternativen Sichtweisen produziert. (Eine Liste der in den letzten 10 Jahren entstandenen Filme ist hier veröffentlicht.)

Zwei der so entstandenen Beiträge hat die FPÖ im Juni 2014 für ihr wöchentliches YouTube-Magazin „FPÖ-TV“ verwendet. (Der Abschnitt, in dem das Videomaterial der Filmiraten verwendet wurde, beginnt hier.) Aufgrund der ideologisch weit auseinander liegenden Positionen von Filmpiraten und FPÖ ist es zwar verwunderlich, daß die Freiheitlichen auf Feindpropaganda zurückgreifen für ihre eigene Werbung. Auf den ersten Blick scheint es aber zumindest rechtlich gedeckt: Die Filmpiraten veröffentlichen ihr Material konsequent unter der weltweit gebräuchlichen Creative Commons Lizenz (CC), die es grundsätzlich erlaubt, das lizensierte Material in jeder Form zu verwenden, weiterzugeben, zu verändern oder zu ergänzen.

Wo also ist das Problem? Das Problem ist, wie so oft, das Wort „grundsätzlich“. Dem Rechteinhaber steht es bei CC-Werken nämlich frei, die Lizenz im Baukastensystem um einige vordefinierte Bedingungen zu ergänzen. Die Filmpiraten haben das im konkreten Fall der von der FPÖ verwendeten Videos getan, und zwar mit:

  • Attribution: Der Urheber muß genannt werden, es muß ein Link zur anwendbaren Lizenz mit veröffentlicht werden und es muß klar gemacht werden, ob das Werk verändert wurde. Das alles darf nicht in einer Weise geschehen, die nahelegt, daß der Urheber die Verwendung seines Werkes gutheißt.
  • NonCommercial: Die Verwendung für kommerzielle Zwecke ist untersagt.
  • ShareAlike: Wer das Werk verändert oder ein neues Werk unter Verwendung des ursprünglichen Materials schafft, muß dieses unter die gleiche Lizenz wie das Original stellen.

Und genau hier spießt es sich nun. Zwar hat die FPÖ die verwendeten Video-Ausschnitte sowohl mit dem Namen des Urhebers als auch mit dem üblichen CC-Logo für die Lizenz versehen. (Genauer: Die Informationen nicht entfernt). Allerdings, so sagen zumindest die Filmpiraten, fehlt es an der Erfüllung der „ShareAlike“-Klausel. Das gesamte FPÖ-Video, inklusive der neu hinzugekommenen Stellen, ist ihrer Meinung nach ein neues Werk, das unter Verwendung des Ursprungsmaterials zustandegekommen ist. Da das Video nicht unter der gleichen CC-Lizenz veröffentlicht wurde, liegt nach Meinung der Filmpiraten ein Lizenzverstoß vor. Sie haben im September eine Rechtsanwältin beauftragt, die FPÖ in einem außergerichtlichen Schreiben zur Entfernung des Materials der Filmpiraten von YouTube aufzufordern.

Wozu werden jetzt Spenden notwendig? Weil die FPÖ als Reaktion darauf vor das Handelsgericht Wien gezogen ist. Was genau Gegenstand der Klage ist, darüber gehen die Berichte auseinander. In den Medien wird von einer Feststellungsklage gesprochen, die nur klären soll, ob die Forderung der Filmpiraten durchsetzbar sind. Die Filmpiraten selbst sprechen nebulos von einer Klage „wegen Behinderung der Meinungsfreiheit der FPÖ“. Unstrittig ist: Der Streitwert beträgt € 35.000,-, zusätzlich wurden den Filmpiraten von der FPÖ € 2.698,13 in Rechnung gestellt. Finanziell ist der 20köpfige Verein, der bewußt nicht vor den Richter ziehen wollte, damit überfordert und bittet nun um Spenden. 25% des selbst gesteckten Ziels sind nach den ersten Medienberichten vom 30. Jänner bereits erreicht.

Warum spende ich jetzt? Wie eingangs angedeutet, die ursprünglich gestrickte Story „Böse FPÖ gegen hilflosen Verein“ zieht nicht. Die Sachlage ist gar nicht so eindeutig, wie die Filmpiraten sie darstellen: In den Originalvideos des Vereins wird auf die „ShareAlike“-Klausel nur mit einem Symbol hingewiesen, nicht mit einem verständlichen Text. (Die anderen Klauseln der Lizenz sind im Abspann ausformuliert.) Die einzige Stelle, an der ich einen eindeutigen Verweis auf diese Lizenzbedingung gefunden habe, ist ein Link auf der Seite, in der die Videos eingebettet waren. Dieser Link besteht aber ebenfalls nur aus grafischen Symbolen und ist vor allem nicht als Hinweis auf Lizenzbedingungen erkennbar. Man muß schon wissen, wonach man sucht, um mit der Maus dort hinzufahren.

Andererseits sind das alles Vorgehensweisen, die im Umfeld von CC-lizensierten Medien (vor allem eben: Online-Medien) durchaus üblich sind. Was mich interessiert ist: Was sagt ein österreichisches Gericht zu Creatve Commons insgesamt? Und vor allem: Welche Maßstäbe legt es an, wenn es um die Erkennbarkeit der Lizenz einerseits und um die Sorgfalt des Lizenznehmers geht? Kann man sich darauf berufen, das grafische Symbol für „ShareAlike“ nicht in seiner Bedeutung erkannt zu haben, wenn man andererseits den gesamten Film aufgrund seiner ebenfalls nur grafisch gekennzeichneten CC-Lizenz verwendet?

Ich halte es für wichtig, daß dieser Prozess ernsthaft geführt wird - mit einem finanziell dafür gerüsteten Verein Filmpiraten, der seinen Standpunkt mithilfe eines Rechtsanwalts vertreten kann. Meine Spende kann nicht verhindern, daß man sich zuvor noch irgendwie anders einigt oder daß die aus meiner Sicht wichtigen Fragen zu CC vor Gericht in eine Nebenrolle gedrängt werden. (Wie gesagt: Was genau Gegenstand der FPÖ-Klage ist, bleibt ja seltsam unkonkret.) Ohne meine Spende aber besteht das zusätzliche Risiko, daß der beklagte Verein einfach dem finanziellen Druck nicht standhält und klein beigibt, bevor irgendeine inhaltlich interessante Frage auch nur angesprochen worden ist.

Creative Commons gehört, ähnlich wie die GPL, zu den wenigen Elementen, die die vor allem im Umfeld von Computern und Internet entstandene Ideologie des gemeinsamen Gestaltens und des offenen Umgangs mit Wissen mit der Offline-Welt realer Ansprüche verbindet. Es war ein großer Durchbruch, als die Durchsetzung der GPL Jahrzehnte nach ihrem Entstehen erstmals in größerem Umfang vor Gerichten auf der ganzen Welt erstritten wurde. Zuvor gab es viele offene Fragen in Bezug auf ihre Kompatibilität mit verschiedenen nationalen Rechtssystemen. Creative Commons ist jünger, entwickelt sich dynamischer und ist noch seltener Grundlage von Gerichtsentscheidungen gewesen. Wichtig am Prozess der FPÖ gegen die Filmpiraten ist nicht, wer gewinnt. Wichtig ist, inwieweit die Lizenz thematisiert wird und was die Justiz dazu sagt. Das heißt also: daß er überhaupt stattfindet. Deshalb spende ich.

 
Deep_Blue meinte am :
Interessant
Für jemanden, der nicht Schaum vor dem Mund bekommt, wenn er FPÖ hört, sieht das natürlich ein wenig anders aus.

Ein kleiner Antifa-Verein hat ein Video produziert.
Jetzt passt es ihnen halt nicht, dass die pöhsen Nazis von der FPÖ dieses Video verwenden.

Wenn das die Grünen verwendet hätte, kein Mensch hätte sich daran gestoßen.

Und jetzt lernen die Burschen und Mädels halt, dass es Gesetze gibt und man Rechtmäßigkeit vom Gericht feststellen lassen kann.

Ich habe damit zwar nicht viel zu tun, aber da hast du schon Recht, Rechtssicherheit ist immer gut.

Ich glaube, die Frage, ob du diese gute Sache auch unterstützen würdest, wenn z.b. die Burschenschaft Olympia dieses Video produziert und die Grünen es verwendet hätten, muss ich nicht stellen.

Man spürt ja direkt, dass es dir nur um die Sache geht.

Freundschaft 
ossi1967 antwortete am :
Freundschaft! :)

Ob ich die Sache auch unterstützt hätte, wenn Rechtsextreme das Video produziert hätten? Mit großer Sicherheit. Ich hätte halt nur für die Gegenseite gespendet, Hauptsach der Prozess findet statt. :)