Mitakuuluu oder: Warum WhatsApp böse ist
Im letzten Jahrtausend wurde das Internet erfolgreich als „Netz der Netze“. Erstmals gab es mit TCP/IP eine Technologie, auf die jeder aufsetzen konnte und die alle Anwender und Services gleichberechtigt miteinander verband. Ob der Benutzer dabei an einem IBM PC, einem Apple oder einem UNIX-Terminal saß, war dabei ebenso bedeutungslos wie seine Software: Die Standards waren offen und konnten auf jedem Computer implementiert werden.
Diese Zeiten sind vorbei. Die Börse hat die Kontrolle übernommen und bestimmt, wer wem was sagen darf im Internet. Noch schlimmer: Millionen Lemminge machen mit und lassen sich kontrollieren. Jüngstes Beispiel für diese Gängelung und die Unfähigkeit des Konsumenten, sich daraus zu befreien: Der Umgang des US-amerikanische Instant-Messaging-Dienstes WhatsApp (der zu Facebook gehört) mit Jolla-Besitzern. WhatsApp zerreißt das Netz und läßt diese Benutzergruppe isoliert zurück.
Zur Vorgeschichte: WhatsApp macht im Prinzip, was auch SMS und MMS machen. Es verschickt Textnachrichten und Medieninhalte. Aus irgendeinem Grund wurde es irgendwann „cooler“ als der bewährte SMS-Dienst der Telefongesellschaften. (Daß früher SMS-Nachrichten einzeln abgerechnet und um Gegensatz zu heute nicht in –zigtausender-Paketen verschenkt wurden, mag eine Rolle gespielt haben.) Nicht bei WhatsApp zu sein wurde zum sozialen Problem auf den Schulhöfen und bei Admiral Sportwetten. Jeder stieg ein. Dabei hat der Dienst gegenüber SMS/MMS durchaus gravierende Nachteile: Wenn die WhatsApp-Server wieder einmal stehen, geht weltweit gar nichts mehr. Eine dringende SMS dagegen kann man auch über das geliehene Telefon des Arbeitskollegen absetzen, wenn die SMS-Zentrale der eigenen Telefongesellschaft nicht funktioniert. Außerdem saugt WhatsApp alle Kontaktdaten aus den Handys seiner Kunden ab, um sie mit bereits registrierten Benutzerkonten abzugleichen. Mein Name und meine Telefonnummer liegen also auf deren Server in Amerika, nur weil für Menschen in meinem Umfeld Datenschutz ein Fremdwort ist. Sehr fein. :(
Warum aber macht WhatsApp das Internet kaputt? Der Mißbrauch persönlicher Daten und der single point of failure sinds gar nicht in erster Linie. Wirklich gefährlich ist, daß WhatsApp sich die Kontrolle darüber vorbehält, welche Programme auf den Endgeräten der Benutzer zum Einsatz kommen. Es gibt keine dokumentierte Schnittstelle, an der ein gelangweilter Programmierer offiziell andocken darf. WhatsApp baut seine Software allein bzw. bestimmt, welches Partnerunternehmen die für die Entwicklung notwendigen Informationen erhält. Damit schränkt der Dienstanbieter nicht nur die Software-Auswahl erheblich ein, er bestimmt indirekt auch mit, welches Betriebssystem seine Kunden verwenden dürfen. Wer dem sozialen Druck folgen und über WhatsApp chatten möchte, bleibt in der Welt der großen Hersteller und Mainstream-Betriebssysteme gefangen. Das ist auch ganz unverblümt in den AGB festgelegt: Die Nutzung eines nicht autorisierten Programms von Drittanbietern ist untersagt.
Hier sind wir nun am Ende der Kette angelangt, an dem Benutzer von Nischenprodukten wie dem Jolla Phone auf unerfreuliche Art und Weise betroffen sind: Natürlich entwickelt WhatsApp noch keinen eigenen Client für diesen Markt. Natürlich hat sich auch schnell ein schlauer Programmierer gefunden, der alle inoffiziell verfügbaren Informationen zusammengesammelt und ein WhatsApp-Programm für das Jolla-Phone geschrieben hat. Andrey Kozhevnikov war das, und sein beliebtes „Mitakuuluu“ war bereits kurz nach dem Marktstart von Jolla eines der am häufigsten genutzten Programme im kleinen Ökosystem. Was ist jetzt passiert? WhatsApp vor einigen Tagen begonnen, die Konten der Jolla-Besitzer zu deaktivieren, die mit ihrem Telefon auf WhatsApp aktiv waren. (Manche Betroffene schreiben, daß die Deaktivierung tatsächlich endgültig ist und auch nach mehrmaligen Interventionen beim Kundenservice nicht rückgängig gemacht wird.) Der US-Konzern nutzt seine Marktmacht und bestraft seine Kunden für die Nutzung eines nicht genehmen europäischen Telefons mit sozialer Isolation.
In letzter Konsequenz bedeutet das: Das Internet ist nicht mehr das „Netz der Netze“. Es verbindet nicht mehr alle Anwender und Services gleichberechtigt miteinander. WhatsApp hat die Kabel durchtrennt, so wie andere Dienste (Facebook, Twitter,…) das in ihren jeweiligen Märkten auch tun. Wirklich schlimm dabei ist: Es gibt technisch gesehen absolut keinen Grund, WhatsApp zu verwenden. Sowohl auf IP-Basis als auch im guten alten Telefonnetz gibt es genügend teils bessere Alternativen: SMS und MMS sowieso, dazu XMPP als standardisiertes und offenes Protokoll, mit dem ich auch jederzeit den Anbieter wechseln kann. Es gibt eine einzige Rechtfertigung, die Menschen für die Nutzung von WhatsApp angeben: „Aber alle meine Freunde verwenden es!“ Ja, eh. Und alle Deine Freunde werden es weiter verwenden, solange sie Dich damit problemlos erreichen. Es ist nicht genug, nur im Prinzip dagegen zu sein, in der Praxis dann aber aus Opportunismus mit dem Strom zu schwimmen. Jeder einzelne Kontakt, den neue WhatsApp-User in diesem Service finden, ist ein Argument für WhatsApp. Ich möchte kein Argument für etwas sein, das mir mein Internet kaputt macht. Bei allen Services, die mit steigender Nutzerzahl immer attraktiver werden, ist man als Kunde auch mitverantwortlich für das, was sie anrichten. Aus dieser Verantwortung kann man sich nicht stehlen.
Meine Freunde erreiche ich immer noch auch SMS oder XMPP, selbst wenn sie meine Nachrichten dann für uncool halten. Damit kann ich leben. Mit einem kaputten Internet kann ich nicht leben. Dafür möchte ich keinesfalls mitverantwortlich sein.
Die Mädels in meiner Firma wollen ja zum Beispiel immer, dass ich diesen Messaging-Dienst verwende, 'weil das ja gratis ist und uuuur einfach'. SMS haben sie ja eh im Paket zu 500 pro Monat dabei, aber die MMS sind halt kostenpflichtig... irgendwie versuche ich, sie bei diesem Punkt zu verstehen. (Fast alle verwenden sehr selten Email, wo sie ja auch Büddln verschicken könnten...). Es ist für sie halt auch eine Kostenfrage und sie beschäftigen sich nülle mit irgendwelchen Alternativen. Sie nehmen das, was ihnen halt angeboten wird und was 'easy geht'.
Dass ihre Kontaktdaten auf den Server hochgeladen werden, ist ihnen egal. (Tenor: 'Heute weiß Guckl ja eh schon alles von mir!)
Im Freundeskreis habe ich's auch schon bemerkt... da chattet der eine oder andere mit dem Wazzäpp-Ding. Ich erspare mir meistens irgendeine Diskussion über Datenabgleich mit den Servern... ich denke mir, jeder muss selber wissen, was ihm/ihr seine/ihre Daten wert sind. Kann es sein, dass Menschen zunehmend einfach nicht mehr nachdenken, was mit ihren Daten passiert? Und ob es Auswirkungen hat, wenn alles von ihnen gespeichert wird?
Ich weiß es nicht.
Wenn sie mal die Macht von diesen abhängigmachenden Großkonzernen irgendwie zu spüren bekommen, werden sies halt dann schon merken. Zu spät vielleicht...
Für mich kommt diese Chatfunktion jedenfalls nicht in Frage.
Du, lieber Ossi, weißt ja, was ich so alles in meinen Kontakten - respektive *als* Kontakt - abspeichere. *LOOL*
Wir haben das ja schon bei Kaffffffffé und Kuchen mit viel Gelächter durchgeteigertst. :))
Kann es sein, dass Menschen zunehmend einfach nicht mehr nachdenken
- Fragezeichen. Aus. Das , was mit ihren Daten passiert
hintennach ist eine überflüssige Einschränkung.
Im Prinzip ist es ja auch eine Frage der guten Erziehung, der sozialen Konvention, des respektvollen Umgangs miteinander. Es ist das uralte Thema, das mein großes Vorbild Richard M. Stallman schon vor Jahren im Zusammenhang mit der bedenkenlosen Verwendung von MS-Word-Dokumenten angeprangert hat: Es ist rücksichtsloses, schlechtes Benehmen, wenn man von seinem Umfeld ohne zwingenden Grund die Verwendung ganz bestimmter Software (und daraus abgeleitet: ganz bestimmter Betriebssysteme) verlangt, egal ob im privaten oder beruflichen Kontext. Wenn nur ein Text versendet werden soll, warum muß es in einem patentierten und nicht vollständig dokumentierten Dokumentenformat (Word) sein? Warum nicht reiner Text, PDF, OpenDocument oder HTML?
Und genau das gleiche spielt sich bei diesen „sozialen Netzwerken“ ab: Es ist schlechtes Benehmen, sich mit seiner Clique in einem System zu verschanzen, das einige Freunde aufgrund ihrer Handy-Modelle oder anderer Präferenzen ausschließt. Das ist nichts Technisches, das ist eine Frage des persönlichen Umgangs miteinander. Wir gehen ja auch nicht ausgerechnet in ein „1001 verschiedene Steaks - und nur Steaks!“-Restaurant, wenn wir Frau Kysira dabei haben. Ja, sie wird einen Beilagensalat bestellen können … aber es ist halt einfach voll daneben. (Siaxt, i werd amal dem Elmayer sagen, er soll ein Buch über gutes Benehmen im Cyberspace schreiben. *gg*)
Das Problem ist halt die giftige Kombination. Der Konsument ist passiv und tendenziell fahrlässig. Die Anbieter von bösen, proprietären Systemen haben an der weiten Verbreitung ihrer Services großes Interesse (genau deshalb sind sie ja auch proprietär) und bewerben sie aggressiv, bauen entsprechenden Druck auf. Dagegen ist der Betrieb der offenen Alternativen kaum jemals gewinnbringend und kostet umso mehr, ja mehr Benutzer dranhängen. Sprich: Der User sitzt im leicht durchgewetzten Hausanzug mit den Kaffeeflecken auf der Couch und rührt sich keinen Zentimeter; WhatsApp tanzt ihm mit einem Silbertablett voller Pralinen vor der Nase rum und sagt: „Mach nur den Mund auf und ich schieb dir den Nougat-Traum direkt in den Rachen!“. Irgendwo im Nebenzimmer sitzt der Betreiber eines XMPP-Servers, der eigentlich die viel besseren Nougatpralinen hat - irgendwo unterm Tisch. Der geht halt damit nicht hausieren, sondern rückt sie nur raus, wenn er danach gefragt wird. Ein paar Menschen überreißen das und holen sich ihr Gift bei ihm ab. Die vielen Couch-Potatoes im Hausanzug sehen aber keine Veranlassung aufzustehen, solange Mr. WhatsApp ihnen am Schoß sitzt. Weil sie nicht nachdenken.
Ja, es ist vollkommen richtig, was Du da schreibst. Dennoch ist es eine Sache, die sich durch die Geschichte der Menschheit zieht wie sich die Periode Maria Theresia's als roter Faden durch die Landschaft gezogen hat: Die Leut' sind größtenteils faul, dumm und unreflexiv. Ohne dispektierlich zu sein, that's a fact!
Das war so, das ist so und das wird immer so sein.
Ich bin halt fix davon überzeugt, dass diese Faulheit und Dummheit der Menschen im Internet viel, viel größeren Gefahren ausgesetzt ist als sie es früher im 'realen Zusammenleben' je war.
Das Internet hat extremen Einfluß auf die sozialen Zusammenhänge zwischen den Menschen. Es ist sehr, sehr gefährlich, wenn hier Großkonzerne die Kontrolle übernehmen.
Aber darüber sind ja schon Bücher geschrieben und Filme gedreht worden. Und obwohl jeder geschockt reagiert hat... ändern tut sich nix.
Das liegt wohl im Menschen.
Je länger ich drüber nachdenk: Vielleicht solltest Du Dich doch bei WhatsApp anmelden. Auf der Stelle. Ich würd gern erleben, wie die NSA-Rechner an Deiner Kontaktdatenbank ersticken. Auf sowas sind die einfach nicht vorbereitet. *LOL*
Ich finde diese Art der Eselsbrücken und Taschentuchknoten wunderbar!
Hauptsache ist doch, dass ich alles find', was ich später einmal such'. ;-)
Aber wenn so ein NSA-Rechner dran erstickt, wärs doch ein angenehmer Nebeneffekt? Nicht? :)
Ihr nutzt doch das pöse What´s Up eh nicht, also kann es Euch doch wurscht sein.
In Deutschland fordern Transsexuelle eigene Badezeiten im Hallenbad.
Man kann halt nicht für jede Randgruppe und das sind Jolla Benutzer einmal, eine Extrawurst braten.
Ich nehme einmal an, dass 90 % der User Android oder OS verwenden.
Der Rest ist für die großen Firmen halt vernachlässigbar.
Seid doch froh, so kommt die NSA nicht an eure geheimen Daten ran :-)
Habe Mitäkuuluu seit 14. Januar 2014 benutzt und letzte Nacht war plötzlich schluss.
Nativ oder nicht, es war der bessere WA Client und viele bekannte hätten sowas gerne auf Android gehabt.
Sowas zeigt sehr deutlich wie erdrückend die Macht solcher Konzerne im Alltag sein kann.
Hoffe es kommt bald ein anderer nativer Messenger client, womit dann alle Sailors wieder connected sind