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Der Krieg um General Purpose Computing

Das Thema ist nicht mehr neu, aber brandaktuell. Der Kampf um freie Software und gegen Mißbrauch von Verwertungsrechten ist noch in vollem Gang, da beginnt schon der nächste Krieg. Er umfaßt alles, was bisher aktuell war, bringt aber noch eine neue Dimension mit ein: der Krieg der Industrie gegen den universell einsetzbaren Computer, „The War on General Purpose Computing“.

Bis vor kurzer Zeit war die Welt noch zweigeteilt. Computer gabs in zwei Ausführungen: Einerseits waren da Laptops und Desktop-PCs, die man mit irgendeinem Betriebssystem bestücken und dann frei verwenden konnte. Auf der anderen Seite gabs Computer als Steuerungseinheiten von Mikrowellenherden, TV-Geräten und Autoelektronik. Diese zweite Gruppe war nicht weniger anspruchsvoll oder leistungsfähig, sie war nur fix ab Werk mit einer einzigen Aufgabe betraut und konnte nie vom Endanwender für etwas anderes programmiert werden. Irgendwo dazwischen entwickelten sich Telefone und Tablets, bei denen die einfacheren Geräte eher wie eine Mikrowelle konzipiert waren, die smarteren eher wie ein Laptop. Noch vor 2-3 Jahren sah es so aus, als ob sich das Konzept des universellen Computers auch im Bereich der mobilen Geräte ausdehnen würde. Es gehörte zunehmend zum guten Ton, auch Telefone und Tablets als reine Hardware zu sehen, an der der Konsument Eigentum erworben hat und daher je nach Wunsch auch alternative Betriebssysteme verwenden kann.

Jetzt schlägt die Entwicklung um. Was Verwertungsmaschinen wie Apple schon seit längerer Zeit vormachen, wird nun auch für andere Hersteller zur Option. Neue technische Standards wie UEFI „Secure“ Boot werden ausschließlich dafür geschaffen, eine bestimmte Hardware fix an ein Betriebssystem zu ketten. Konsumenten, die einen damit verseuchten Computer kaufen, können - abhängig von der exakten Konfiguration - unter Umständen nie ein anderes System ihrer Wahl aufspielen. (Genau das macht sich z.B. Microsoft jetzt im Tablet-Markt zunutze: Tablets müssen so konfiguriert sein, daß ein ab Werk installiertes Windows nicht vom Eigentümer ersetzt werden kann.)

Richtig spannend wird die Sache dann, wenn dieses aufgezwungene Betriebssystem - ähnlich wie iOS von Apple - auch noch die Programme vorschreibt, die installiert oder nicht installiert werden können. Statt einer universell einsetzbaren Maschine, die ich mit meinem Geld gekauft habe und die zu 100% unter meiner Kontrolle steht, erhalte ich eine von mir finanzierte Abspielstation für Inhalte aus einem Content-Store, dem ich nicht entkommen kann. Ich kann nichts installieren, was nicht im Store ist, weil das Betriebssystem es nicht zuläßt. Ich kann das Betriebssystem nicht wechseln, weil die Hardware es nicht zuläßt. Es ist mein Computer, den ich um mein Geld gekauft habe - aber kontrolliert wird er vom Hersteller des Betriebssystems und seinen Hardware-Partnern.

Diese essentielle Einschränkung ist ein Konzept, das in manchen Marktnischen heute bereits akzeptiert wird. Spielekonsolen beispielsweise werden als Gesamtpaket von Hardware, Betriebssystem und verfügbarer Software wahrgenommen. Niemand hinterfragt hier noch, warum man nicht einfach ein besseres Betriebssystem aufspielen und die leistungsfähige, teure Hardware auch für andere Zwecke nutzen kann. Das bedeutet aber nicht, daß es nichts zu hinterfragen gibt und daß diese Verhaushaltsgerätung von Computern ungebremst voranschreiten darf. Wichtig ist, daß das Problem von Konsumenten erkannt und bei einer Kaufentscheidung bewußt miteinbezogen wird. Es wird in Zukunft Computer geben, die via UEFI „Secure“ Boot an ein Betriebssystem gefesselt sind - und solche, die diese Einschränkung nicht haben. Es wird Tablets/Telefone geben, die nur mit einem einzigen Betriebssystem lauffähig sind und nur aus einer Quelle Programme beziehen - und solche, die die jede Wahl lassen. Auch wer zum Zeitpunkt des Kaufs noch nicht konkret vor hat zu wechseln, sollte sich jeweils für die freiere Alternative entscheiden. Einerseits natürlich, weils das moralisch Richtige ist. Andererseits und vor allem auch, weil man nie weiß, was man sechs Monate später mit dem Gerät machen möchte.

Es ist, wie üblich, ein Krieg der Industrie gegen die Konsumenten. Die Industrie hat sich längst in Stellung gebracht und ihre Strategie ausgearbeitet. Die Konsumenten haben zum Großteil noch nicht einmal begriffen, daß der Krieg stattfindet. Es wird Zeit, das zu ändern. Sehenswert/lesenswert: der Vortrag von Cory Doctorow dazu bzw. die deutsche Übersetzung.

 
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