Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Elisabeth: Das Musical im Raimund Theater

Kaiserin Elisabeth, Gemälde von Franz Xaver WinterhalterEin Sommer in Bad Ischl ist eine Reise wert … heißt's bei „Elisabeth“ im ersten Akt - und tatsächlich wars unser Ausflug in die Kaiserstadt Bad Ischl, der uns den Floh ins Ohr gesetzt hat: Wir müssen die verrückte Kaiserin auch singen hören!

Heute wars endlich so weit. Nach gut 20 Jahren hab ich die erfolgreichste Eigenproduktion der Vereinigten Bühnen Wien wieder einmal gesehen. Fazit: Käse. Guter, alter, in Würde gereifter Käse. Sensationell gut! :)

Ich geb ja zu: „Elisabeth“ war früher nicht mein Lieblingsmusical. Durchaus deutlich über dem Durchschnitt, ja, aber musikalisch nicht so berührend wie „Les Misérables“, nicht so bombastisch wie „Chess“, nicht so kalt und böse wie „Evita“. Wenn man die Produktion aber nach 20 Jahren (und ein bißchen eingehenderer Beschäftigung mit Elisabeths Leben) noch einmal sieht, versteht man, warum sie solchen Erfolg hat und das Publikum auch nach über 2 Jahrzehnten noch fesselt:

Es ist nicht Sylvester Levays Musik. Es sind auch nicht Michael Kunzes Texte. „Elisabeth“ lebt vom Geheimnis der Titelheldin und von der genialen Umsetzung des düsteren Stoffs durch Regisseur Harry Kupfer und Bühnenbildner Hans Schavernoch.

Allein der eine kurze Moment, die Schlüsselszene, in der das berühmte Winterhalter-Gemälde von Elisabeth im Sternenkleid auf der Bühne nachgestellt wird (Video hier), gehört zu den großen magischen Momenten der Musicalgeschichte. Gänsehaut!

Ganz generell drückt vor allem Schavernoch immer mehr aufs Gas, je näher die Monarchie ihrem Ende rückt: Wo zu Beginn noch liebliche zweidimensionale Projektionen Bad Ischl oder das Schloß Possenhofen abbilden, gerät gegen Ende mit der Machtstruktur des Habsburgerreiches auch die Bühne aus den Fugen. Beim Alptraum des Kaisers wird dem Zuseher nicht nur leicht schwindlig, er drückt einem auch die Unausweichlichkeit des Untergangs unmißverständlich in die Magengrube. Wenn ich bei anderen Musicals gern mal eine Träne verdrücke, bringt die beklemmende Nähe der Apokalypse in „Elisabeth“ mich zum Schwitzen. (Was nicht heißt, daß ich gefühllos durchs 19. Jahrhundert gehe. Gerade im zweiten Akt sind einige sehr anrührende Szenen versteckt, die nach einem Taschentuch verlangen.)

Die Besetzung heute Abend war fast perfekt. Die einzige kleine Schwäche leistete sich ausgerechnet die Hauptrolle: Annemieke Van Dam schafft wirklich alles, was die Rolle ihr abverlangt - mit einer Ausnahme: Das letzte … nur mir! Ja, genau das, das immer und immer wieder vorkommt. Gnadenlos. Sie trifft die Töne zwar, muß aber schreien, um auch vom Volumen her ans Ziel zu kommen. Das steht der Kaiserin nicht gut.

Ansonsten nur Volltreffer. Mark Seibert als Tod: top. Franziskus Hartenstein als Kaiser Franz Joseph: top. Lukas Perman als erwachsener Kronprinz Rudolf: top. Dagmar Hellberg als Erzherzogin Sophie: gruselig! Top! :)

Die wahre Überraschung des Abends war für uns aber Luigi Lucheni. Der wurde nämlich von der Zweitbesetzung Riccardo Greco gespielt. Wir haben übereinstimmend festgestellt: Einen anderen Lucheni wollen wir gar nicht mehr sehen. Greco spielt nicht nur stimmlich in der ersten Liga; er gibt dem Lucheni etwas äffchenhaft-Schelmisches. Obwohl man weiß, daß er gern Adelige murgelt, möchte man ihn am liebsten einpacken und mitnehmen. (Ich habs überprüft: Nein, sie verkaufen keine Greco-Püppchen im Souvenir-Shop.)

Standing Ovations und ein ohrenbetäubendes Kreischkonzert beim Schlußapplaus - wir waren wohl nicht die einzigen, denen es gefallen hat. ;)

Lang stirb die Kaiserin nicht mehr im Raimund-Theater: Nur noch bis Ende Jänner läuft die aktuelle Aufführungsserie. Karten sind aber auch kurzfristig für alle Preislagen zu haben, und ich kanns nur empfehlen. Man muß nicht erst den Umweg über Bad Ischl machen. :)

(Ach, fast hätt ichs vergessen: Aus irgendwelchen Gründen gibt es auf YouTube die komplette Produktion aus dem Jahr 2005 als 16teilige Playlist, zum Beispiel hier. Auch eine Möglichkeit. *gg*)

 
Hans-Georg (Gast) meinte am :
Besuch in Wien
Es gibt derer mindestens 2:
Ich habe noch nie das Musical gesehen und ich war noch nie in Wien. Ein weiterer wäre, endlich mal die ganze Wiener Bloggermischpoke persönlich zu treffen. 
schlosser antwortete am :
Mischpoke?
Hach, Hans-Georg!
Daß Du uns zu Deiner Familie zählst, eeeeehrt aber sehr! :-)

(Ich muss sagen: So ausgeschlossen ist ein Treffen sicher nicht: Nachdem Du mich schon wieder geknuddelt hast, habe ich auch gar nicht mehr so viel Angst vor der ersten Begegnung! *LOL*)

@Hausherr:
Hearst, jetzt hast mich wirklich auf einem 'wiggel-waggel'-Punkt erwischt: Ich wollte eigentlich nie dieses Musical sehen, aber jetzt denk ich mir: Warum denn nicht? Sowas sollte man als Wiener schon gesehen haben, odda?
Mal schauen.
Vielleicht gehe ich mit Frau Mama.
(Wie wahrscheinlich viele junge, adrette Männer dort, *LOL*) 
ossi1967 antwortete am :
@Hans-Georg:

Du meinst 2 Besuche? Oder 2 Gründe für einen Besuch? ;)

Also wie auch immer: Auch wenn Du rein jahreszeitentechnisch die beste Reisezeit verpaßt hast, so ein verlängertes Wochenende in Wien zahlt sich doch immer aus. ;)

 
Hans-Georg (Gast) antwortete am :
Familie
Ich meinte natürlich die Bloggerfamilie!
Und Angst brauchst du vor mir eh nicht zu haben, so fest knuddel ich nicht. 
Hans-Georg (Gast) antwortete am :
von der Arbeit
Ossi, so ist das wenn man vom Schreibtisch im Büro kommentiert, dann soll es schnell gehen und dann vergisst man schon mal was. 2 Gründe sollte es heissen. Aber wenn's beim 1. Mal gefällt könnten ja auch 2 Besuche draus werden. 
ossi1967 antwortete am :
@schlosser:

Mir gehts ja im Grunde ähnlich. Ohne den Aufenthalt in Bad Ischl (der halt schon sehr „Fraaanzl! Sisi!“-geprägt war) wär ich wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, nochmal hinzugehen. (1992 oder '93 wars noch so meine allgemeine „Ich schau mir jedes Musical an“-Phase.)

Nur ist es halt so: „Elisabeth“ ist wirklich die eine Produktion der Vereinigten Bühnen Wien, die den großen internationalen Durchbruch geschafft hat. Mit über 10 Millionen Zusehern, Produktionen in sieben Sprachen in 11 Ländern ist es das erfolgreichste Musical überhaupt aus dem deutschsprachigen Raum. Andere Musicals der VBW sind 2-3 Jahre gelaufen und längst vergessen. „Elisabeth“ läuft nun im 21. Jahr und kommt nicht zur Ruhe. Da gilt schon das, was Du geschrieben hast: Eigentlich sollt' mans gesehen haben, wenn mans schon direkt vor der Haustüre hat. :)

Und ich finds wirklich gut, wenn mans als Endzeitdrama einer Epoche begreift und sich vorher mit Sisi ein bißchen auseinandersetzt. Zwar hat das Stück ein paar historische Ungenauigkeiten (Franz und Sisi haben sich ganz sicher nicht in der Kaiservilla in Ischl getroffen), ist aber doch viel näher am Leben der Kaiserin als diverse Verfilmungen mit oder ohne Romy Schneider. Trotzdem werden manche Dinge nur ganz knapp angedeutet oder als bekannt vorausgesetzt. Ganz blank sollte man also nicht hingehen.

Die Musik ist Geschmackssache, wie immer. Ich find ein paar Nummern äußerst gelungen, für insgesamt 2,5 Stunden ist die Suppe aber ein bißchen dünn. Da wird dann notgedrungen viel wiederholt. Wiederholungen in Musicals sind grundsätzlich nichts Schlechtes und gehören meiner Meinung nach sogar zwingend dazu - man kanns aber übertreiben. Vor allem gibts nicht mal gnädige Variationen, es wird einfach die gleiche Melodie wieder und wieder mit anderen Texten gesungen … naja, vielleicht störts nicht so, wenn mans zum ersten Mal sieht.

Ich geb jedenfalls ein Plus: weiter in die nächste Runde. *gg*

 
SuperWeib (Gast) meinte am :
Spät aber doch :) - ich darf der Kaiserin im Dezember nochmal (wohl das letzte mal) zujubeln. Und freu mich (trotz "schon 100 mal auf DVD gesehen und jedes Lied auswendig mitsingen können) schon sehr darauf.

Mein persönliches Highlight jedesmal: "Opernring in Wien (Hass)" - fesselnd, verstörend... ich hab noch erlebt, dass es für das Lied Applaus gibt (obwohl, objektiv gesehen, Applaus mehr als verdient wäre...).

PS: Verzerrtes Wort: POTS - unglaublich *g* 
ossi1967 antwortete am :
Schon wieder POTS?

Das hattest Du doch schon einmal? Ich kann mich erinnern. Als ob twoday.net die IP-Adresse auswerten würde. :)

Stimmt, bei „Hass“ bleibts immer ganz ruhig im Theater. Ich bin mir aber nicht so ganz sicher, inwieweit das Ausbleiben von Applaus als Kompliment gewertet werden kann. :)

Sixt, das mit der DVD bringt mich auf eine Idee. Die hab ich ja auch zuhaus. Ich könnt ja auch wiedermal einen Popcorn- und Musical-Abend auf der Couch einschieben.

 
SuperWeib (Gast) antwortete am :
Jaaaa... POTS war schon mal. Wahrscheinlich ist das mein standardisiertes verzerrtes Wort vom Büro aus ("Wir wissen, wo du arbeitest") *g*.

Doch ja... ich werte die Klatschpause als Kompliment fürs Ensamble. Die bringen ein Stück mit so viel Emotion dahinter, dass dir einfach die Luft wegbleibt und du noch länger zum Nachdenken und "Aufwachen" brauchst. Verdienst wäre der Applaus auf jeden Fall... mal sehen, ob ich im Dezember einfach mal dieses Tabu breche... *g* 
ossi1967 antwortete am :
Bloß nicht!

Bloß nicht klatschen! Du bringst am End noch das ganze Ensemble durcheinand, weil das noch nie passiert ist. Dann verpatzen sie den Rest der Aufführung. :)

 
SuperWeib (Gast) antwortete am :
Ach, das wäre nicht das erste mal *g* Darin hab ich schon Übung (wenn auch in einem anderen Musical *g*) 
ossi1967 antwortete am :
Welches denn?

Hast Du Marius zu früh gesagt, wer ihn aus der Kanalisation gerettet hat?

 
SuperWeib (Gast) antwortete am :
"We will rock you" (Queen-Musical) -ich konnte mir ein betroffen-traurig-sarkastisches "OHHHHHHHH..." an einer an und für sich total traurigen Stelle nicht verkneifen. Ich hab die Lautstärke meines Ohhh's und die Akustik unterschätzt. Mein Mann hats gehört. Die Zuseher um mich habens gehört. An den sich wendenden Köpfen im Parkett hab ich gemerkt, dass auch die es gehört haben. Und die zwei Hauptdarsteller, die an dieser Stelle traurig sein sollten, haben sich minutenlang das Lachen nicht verkneifen können... es dürfte also bis auf die Bühne vorgedrungen sein *g* 
Weitere Links zu …
Elisabeth: