Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

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ESC 2017: Skandale und Wettquoten

Francesco Gabbani Endlich gehts los: Der Song Contest 2017 hat seinen lange ersehnten ersten großen Skandal. Dramaturgisch zwingend sind die involvierten Parteien das Gastgeberland Ukraine und Putins Russenreich. Russland hatte im Vorfeld eine Absage seiner Teilnahme in der verfeindeten Ukraine in Aussicht gestellt, dann aber überraschend ein blondes Engerl mit dem Markenkern „so arm“ präsentiert. Julia Samoylova hat wunderschönes blondes Haar, sitzt im Rollstuhl und tut sich beim Singen schwer, weil sie lispelt. Die erste Reaktion der ESC-Fachpresse war: „Ah, raffiniert! So wird verhindert, daß beim Auftritt der Russen in der Halle Unmutsäußerungen zu hören sind.“ Weit gefehlt, der Plan des Kremls war noch viel raffinierter:

In der Ukraine gibt es ein Gesetz, das die Einreise auf die Halbinsel Krim über russisches Territorium verbietet. Wer das tut, wird mit einem mehrjährigen Einreiseverbot für die ganze Ukraine belegt. Und natürlich hat das russische Fernsehen (in Kenntnis der ukrainischen Rechtslage) mit Julia Samoylova ganz zufällig eine Sängerin gefunden, die nicht nur gegen dieses, sondern auch noch gegen andere ukrainische Gesetze verstoßen hat. (Irgendwas mit Steuern. Schmutzige Sache.)

Erwartbares Resultat: Das zwingende Einreiseverbot für die russische Teilnehmerin wurde jetzt ausgesprochen, der Boulevard in ganz Europa sieht sie als armes Opfer der bösen Ukraine … und Putin, der eh nicht teilnehmen wollte, klatscht sich erfreut in die Hände. Er hat den schwarzen Peter elegant weitergegeben.

(Leider spuckt ihm jetzt die EBU in die Suppe und bietet an, zum ersten Mal in der Geschichte des ESC einen Auftritt per Liveübertragung aus dem Herkunftsland zu erlauben. Mal sehen, wie die Russen aus der Nummer rauskommen.)

Egal: Der Skandal kocht und zieht weitere Kreise. Angeblich hatte nämlich auch Artsvik aus Armenien einen Auftritt auf der Krim und ist via Russland eingereist. Die Ukraine prüft.

Auf die Wettquoten wirken sich diese Intrigen (noch) nicht aus. Russen und Armenier sind bei den Buchmachern unter den Top 10 zu finden, genauso wie meine Lieblinge Italien, Portugal und Frankreich.

Rang Land Song
    Interpret  
1 Italien Occidentali's Karma
    Francesco Gabbani  
    (Ein hinreißendes Schlitzohr mit einem Affen, eine Melodie in der richtigen Balance zwischen „Ohrwurm“ und „nicht zu langweilig“, ein schlauer Text und eine Choreographie, die auch ich mitmachen kann. (Und: Keine Ballade!))  
2 Bulgarien Beautiful Mess
    Kristian Kostov  
    (Radiotaugliche Ballade mit sympathischen Ethnosprenkeln.)  
3 Schweden I Can't Go On
    Robin Bengtsson  
    (Seelenlos konstruierte, äußerst professionelle Nummer. Passend seelenloser, äußerst unsympathischer Sänger.)  
4 Belgien City Lights
    Blanche  
    (Zeitgemäßer, charttauglicher Song, der aber leider irgendwo auf halber Strecke hängenbleibt.)  
5 Portugal Amar Pelos Dois
    Salvador Sobral  
    (Nach vielen Jahren endlich wieder Wunderschönes aus dem ansonsten fadogebeutelten Land. Ein naives Märchen zwischen Disney und Audrey Hepburn.)  
6 Australien Don't Come Easy
    Isaiah  
    (Ganz OK. Wenn man Balladen mag. Oder Stimmakrobatik.)  
7 Russland Flame is Burning
    Julia Samoylova  
    (Wozu etwas über den Song (eine getragene Ballade) sagen? Eine lispelnde Blondine im Rollstuhl singt von Hoffnung!)  
8 Aserbaidschan Skeletons
    Dihaj  
    (Da fehlt mir dann doch die Melodie.)  
9 Armenien Fly With Me
    Artsvik  
    (Fesselt von der ersten Sekunde an.)  
10 Frankreich Requiem
    Alma  
    (La France, je t'embrasse, je te dis que je t'aime … von der ersten Minute an ein Ohrwurm.)  

Der Vollständigkeit halber: Österreich liegt auf Platz 35 von 43, eine Qualifikation fürs Finale erscheint aus heutiger Sicht nicht unbedingt zwingend.


Bu Aşk Burada Biter

So. Weit hammas bracht. Jetzt interpretiere ich moderne türkische Lyrik. Was nie meine Absicht war! (Aber dieses Gedicht ist wirklich schön. Schön traurig.)

Angefangen hat die Sache so: Herr B. hat mir ein Konzert von Jehan Barbur in Wien empfohlen. Die gebürtige Libanesin ist in der Türkei aufgewachsen und hat dort ihre musikalische Karriere begründet. B. meinte sinngemäß: Sie singt sehr langsame, melancholische Balladen mit wenigen Instrumenten als Begleitung, die Textverständlichkeit ist daher vergleichsweise gut.

Sicherheitshalber hab ich mir ein paar ihrer Songs auf YouTube angesehen und festgestellt: Für mich ist das ein bisserle gar melancholisch. Des dapack ich keinen ganzen Abend lang. Ein Lied allerdings war dabei, das mir ganz im Gegenteil sehr gefallen hat: Bu Aşk Burada Biter, gesungen im Duett mit Tuna Kiremitçi. Vom Text hab ich zunächst nur Fragmente verstanden, aber alles deutete auf das Ende einer Liebesbeziehung hin, bei dem sich beide Partner stolz und selbstbewußt voneinander verabschieden: Bu aşk burada biter - „Diese Liebe ist hier zu Ende“.

Einige Versionen des Liedes später (die von mir zuerst gefundene Aufnahme war eine jüngere Coverversion) hatte ich zwei Dinge herausgefunden:

Erstens: Von Liebesschnulze keine Spur. Der Text ist dichterisch unscharf, aber die Zeilen mit dem Revolver in der Tasche, den verblassenden Soldaten und Kindern im Fotoalbum, dem erlöschenden Gesicht („Wie schön du warst!“) und den toten Dichtern sind dann doch sehr untypisch für das „Boy meets girl, boy loses girl, boy misses girl“-Genre. In dem Text stecken mehr Tod und Leid als Liebeskummer.

Zweitens: Eigentlich ist es auch nicht in erster Linie irgendein dahergelaufener Pop-Song, sondern die Vertonung eines Gedichtes von Ataol Behramoğlu aus dem Jahr 1965. Und angeblich, so sagen mir meine Quellen übereinstimmend, gehört dieses Gedicht zu den bekannteren Werken der jüngeren türkischen Dichtung. Ich habe also, ohne danach zu suchen und ohne es zu wissen, einen literarischen Schatz gehoben.

Blöd gelaufen, weil: Wenn man dann so ein Ding in Händen hält, will mans natürlich auch verstehen. Und Gedichte gehören nun mal nicht zu den einfachsten Texten. Überraschenderweise hab ichs aber (natürlich mit Wörterbucheinsatz) tatsächlich fast geschafft. Nur bei zwei Zeilen hab ich dankend Hilfe angenommen. :)

Und als Schulterklopf und damit ich immer wieder laut mitsingen kann (am besten die Version von Haluk Levent) hier mein erster poetischer Übersetzungsversuch - natürlich nicht geverst und gereimt im Deutschen, wir wollens ja nicht gleich übertreiben:

Bu aşk burada biter ve ben çekip giderim
Yüreğimde bir çocuk cebimde bir revolver
Bu aşk burada biter iyi günler sevgilim
Ve ben çekip giderim bir nehir akıp gider

Diese Liebe endet hier und ich mach mich davon / In meinem Herzen ein Kind, in meiner Tasche ein Revolver / Diese Liebe endet hier, einen schönen Tag mein Schatz / Und ich mach mich davon, ein Strom fließt dahin

Bir hatıradır şimdi dalgın uyuyan şehir
Solarken albümlerde çocuklar ve askerler
Yüzün bir kır çiçeği gibi usulca söner
Uyku ve unutkanlık gittikçe derinleşir

Eine Erinnerung ist die selbstvergessene, schlafende Stadt / Während im Album die Kinder und Soldaten verblassen / Erlischt dein Gesicht still wie eine Wildblume / Der Schlaf und das Vergessen werden tiefer und tiefer

Yan yana uzanırdık ve ıslaktı çimenler
Ne kadar güzeldin sen! Nasıl eşsiz bir yazdı!
Bunu anlattılar hep, yani yiten bir aşkı
Geçerek bu dünyadan bütün ölü şairler

Nebeneinander sind wir wach gelegen, nass war das Gras / Wie schön du warst! Was für ein einzigartiger Sommer es war! / Davon erzählten sie immer, von der verlorenen Liebe / Alle toten Dichter, wie sie diese Welt verlassen haben

Bu aşk burada biter ve ben çekip giderim
Yüreğimde bir çocuk cebimde bir revolver
Bu aşk burada biter iyi günler sevgilim
Ve ben çekip giderim bir nehir akıp gider

Rechtes Eigentor in Sachen Bildung

Türken schlachten OrangenAuf rechtsextremen Haßportalen im Internet kursiert derzeit ein ganz besonders süßes Foto. Ich habs schon sehr oft gesehen und lach mich jedes Mal schlapp drüber:

Das Bild zeigt Türken, die im Rahmen des angeblichen niederländisch/türkischen „Konflikts“ devot ihrem Führer folgen und gegen die Niederlande demonstrieren. (Der sogenannte diplomantische Konflikt hatte natürlich gar nichts damit zu tun, daß beide Parteien gerade Wahlkampf betrieben haben und die Emotionalisierung, das Vergessen aller Sachargumente, in beiden Staaten den aktuellen Entscheidungsträgern nützte.) Als Zeichen der Ablehnung „schlachten“ sie dabei symbolisch Orangen.

Verständnislos äußern sich die rechten Dumpfbacken darüber, warum man die Niederlande denn mit orange in Verbindung bringen kann. In einem direkt ins Bild hinein montierten Satz macht man sich darüber lustig und neckt die Gesinnungsgenossen aus dem Morgenland zusätzlich mit dem Spruch: Und die Moral von der Geschicht': Bildung und Koran verträgt sich nicht. [sic!]

Leser dieses Blogs halten jetzt verwundert inne und denken sich: „Moooment. Orange ist doch die Nationalfarbe der Holländer?“ Ja, so ist es. Das weiß jeder, der auch nur ein bißchen mehr als die reine Pflichtschulbildung eingeatmet hat. Umkehrschluß: Die Rechten wissen das eben nicht. Genausowenig wie sie den Satz mit der Bildung und dem Koran den deutschen Grammatikregeln entsprechend zusammenbauen können. („Und die Moral von der Geschicht: Bildung und Rechtsextremismus vertragen sich nicht.“)

Klassischer Fall von echt blöd gelaufen, würd ich sagen. Da schafft es tatsächlich jemand, die eigene Dummheit groß rauszustellen, indem er sich über die höhere Bildung anderer lustig zu machen versucht.


Nebensätze! Harika!

Ich glaub, ich hab heute zum ersten Mal einfach so ausm Bauch heraus einen Relativsatz mit dem Partizip auf -diği (und dem dazu passenden Genitiv-„Subjekt“) gebildet. Yaşasın!

Der Satz war simpel. Soweit ich mich erinnere lautete er Helikopterin dediğini anlamadım. („Ich habe nicht verstanden, was der Helikopter gesagt hat.“) Das mag nicht aufregend klingen, ist für mich aber, wie Muddi zu sagen pflecht, #neuland. Wörtlich muß man da nämlich denken: „Des Helikopters sein sagend(es) verstanden nicht ich habe.“

Wie die Kleinschreibung und die Klammer bei „sagend(es)“ andeuten: Nicht mal unter größter Mißhandlung meiner Muttersprache kann ich im Deutschen so denken. Dediğindi ist ein Partizip (das haben wir auch so circa: „sagend“), das mit einer Possessivendung versehen wird (das geht im Deutschen schon nicht mehr: Ich kann sagen „mein Zimmer“, aber nicht „mein sagend“) und das man schließlich per Kasusendung (in diesem Fall: Akkusativ) substantiviert und zum Objekt des Hauptverbs macht (spätestens damit sind alle Brücken zum Deutschen abgebrochen).

Daß der Helikopter, der etwas sagt, im zweiten Fall zu stehen hat, ist nur mehr der Zuckerguß drauf: Man sagt also nicht wie bei uns „… was der Helikopter sagt“, sondern eben „… des Helikopters sein sagendes“.

Türken reden ununterbrochen so. Erschwerend kommt hinzu: Sie packen alle diese verrückten Partizipkonstruktionen vor den eigentlichen Hauptsatz, und zwar gern mehrere hintereinander. (Die Entsprechung zum deutschen Schachtelsatz.) Man erfährt also alle Zusatzinformationen aus dem Relativsatz ohne zu wissen, worums nachher eigentlich gehen wird.

Falls sich übrigens jemand wundert, warum der Helikopter überhaupt was sagt: Guckstu diesen Film hier. :)


Filmpiraten gegen FPÖ: Das Urteil hält

Im Februar 2015 habe ich - siehe hier - dem deutschen Verein Filmpiratinnen und Filmpiraten e.V. mit einer Spende unter die Arme gegriffen. Es ging um das von der FPÖ lizenzwidrig verwendete Filmmaterial des Vereins. Zwar haben die Filmpiraten anschließend vor dem Handelsgericht Wien gewonnen, die FPÖ ist aber vor den OGH gezogen … der, wie erst jetzt berichtet wird, im Jänner bereits ebenfalls im Sinne der Filmpiraten entschieden hat.

Tut gut, wenn die finanziellen Investitionen ins bessere Universum sich auf diese Weise doch noch auszahlen. :)

Übrigens: Der FPÖ sind die beiden Urteile herzlich wurscht. Das gegenständliche Video ist nach wie vor unverändert online. Das ist nicht einmal illegal, weils in der Feststellungsklage genau darum eben nicht gegangen ist. Aus der Urteilsbegründung aber geht recht unmißverständlich hervor, daß die österreichische Justiz die Verwendung der Ausschnitte für rechtswidrig hält.

Selbstverständlich handelt es sich hier um einen bedauerlichen Einzelfall, der wie immer mit der FPÖ nichts zu tun hat.


Terrasseneinweihung

Zwar ziehen vom Süden her schon wieder die ersten Wolken herein, trotzdem ist sich heute der erste sonnigliche Terrassentag in Linz ausgegangen. Wirklich warm wars: Unter dem langärmligen Hemd (etwas Kurzes hab ich nicht mit) bin ich fast schon ein bißchen ins Schwitzen gekommen.

Noch hält sich die Natur sehr zurück, statt freundlicher Grüntöne gibts zergatschte Erde und abgebrochene Äste. Aber allein die Vitamin-D-Produktion im warmen Sonnenschein macht das alles wieder wett. Da sitz ich also im elterlichen Garten und mach Hausaufgaben. (Frau Gamze läßt sich von Herrn Mehmet Ali in der Maklerfirma „Yeni Bir Hayat“ eine Wohnung vermitteln. Lesen Sie den Text, beantworten Sie anschließend die untenstehenden Fragen und beschreiben Sie danach, worauf Sie selbst bei einer neuen Wohnung achten würden.) Das war vor 35 Jahren nicht anders. Sonnenstrahlen sind ein Jungbrunnen. ;)

Ach ja, das Tier: Wie immer wäscht sie mich mit großer Ernsthaftigkeit und Hingabe mehrmals am Tag, auch dann, wenn ich eigentlich gar keine Zeit für derartige Dinge hab. Sie steigt einfach rauf, sitzt auf meinem Schoß, wird plötzlich doppelt so schwer und tut, was sie tun muß. (Ich muß über ihren todernsten und hochkonzentrierten Gesichtsausdruck jedesmal so lachen, daß ich völlig wehrlos bin.) Die eigentliche Pointe zum Thema „Waschen“ hat diesmal aber Dr. Dolittle geliefert, der die kleine Maus dann mit den Worten „Tust du wieder stinki stinki? Kommst du mit duschi?“ von der Terrasse gelotst hat. So also kann er sich mit seinen Patienten verständigen... ;)


Jolla: SailfishOS auf Xperia Smartphones

Sony Xperia Smartphones mit Sailfish OSMobile World Congress ist wieder einmal - die Zeit der großen Ankündigungen. Auch Jolla ist auf der großen Mobilfunk-Messe vertreten und stellt seine Zukunftspläne vor. Die wichtigsten Informationen zusammenzukratzen ist gar nicht so einfach:
  • China: Jolla hat ein Arbeitsübereinkommen mit einer chinesischen Investorengruppe unterzeichnet. Ziel ist die Entwicklung eines auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Ökosystems, ähnlich wie man das bereits in Indien (unter anderem mit Intex) aufgezogen hat. Die Nachricht war Jolla eine eigene Presseaussendung wert. Tatsächlich ist der Vertrag vorläufig nur ein weiteres Stück Papier. Mal sehen, was daraus entsteht. (Die Finnen selbst schätzen, daß sie etwa ein knappes Jahr für die praktische Umsetzung benötigen.)
  • Lateinamerika: Ebenfalls im Stadium der Planung befindet sich die Zusammenarbeit mit der bolivianischen Firma Jalasoft. Diese will gemeinsam mit Jolla ein Smartphone für den lateinamerikanischen Raum herausbringen. Hier gibts zumindest schon einen Webauftritt: Accione soll das fertige Produkt irgendwann heißen. Betonung auf irgendwann, denn einen Zeitplan gibt es nicht. Auch ein zweites lateinamerikanisches Unternehmen, Sikur, setzt angeblich auf Sailfish OS. Details dazu gibt es aber nicht.
  • Russland: Relativ unbemerkt von der Presse lag am Jolla-Stand ein russisches Handy mit der Bezeichnung Inoi R7. Allen verfügbaren Informationen nach dürfte es sich dabei um ein Gerät handeln, das hardwaremäßig dem Intex Aqua Fish (bzw. eben dem Jolla C) entspricht und das speziell für den russischen Markt gebaut wurde. Konkreter wahrscheinlich: speziell für die russische Post. Die hat nämlich vor einiger Zeit in einer öffentlichen Ausschreibung 15.000 Geräte gesucht, die unter Sailfish OS laufen und technisch auf dem Stand des Jolla C sind.
  • Sony Xperia: Bevor die chinesische oder lateinamerikanische Zusammenarbeit Früchte trägt, will Jolla seinen Fans und Entwicklern ein weiteres Community-Device anbieten. Zuletzt haben die Finnen das Intex Aqua Fish unter dem Namen „Jolla C“ verkauft. Diesmal soll es das Sony Xperia X werden. Unter Ausnutzung von Sonys Open Device Program sind noch für das erste Halbjahr 2017 Xperia-Smartphones mit SailfishOS angekündigt. Allerdings ist nicht ganz klar, in welchem Umfang Jolla SailfishOS auf die Sony-Geräte bringen wird: Möglich ist die komplette Portierung inklusive der proprietären Teile wie Android-Unterstützung und Exchange. Ebenfalls denkbar ist die eingeschränkte Version, die auch im Rahmen der verschiedenen Community Ports verwendet wird. Jolla hat sich bisher dazu nicht geäußert, was grundsätzlich kein gutes Zeichen ist.

Sehr wohl ein gutes Zeichen ist aber die Menge der Neuigkeiten: Gleich mehrere neue internationale Partner, das Inoi R7 für Russland und die Aussicht auf ein im Vergleich zu Jolla Phone und zum Jolla C hochmodernes Sailfish-Telefon sind schon etwas Feines. Selbst wenn nur die Hälfte der Pläne praktisch umgesetzt wird, können wir uns doch 2017 auf einiges freuen. :)


ESC 2017: Die ersten Favoriten

Die Vorbereitungen zum Song Contest 2017 stehen unter keinem guten Stern. Das ukrainische Fernsehen hat offenbar Probleme damit, die Großveranstaltung rechtzeitig auf Schiene zu bringen. In den letzten Tagen haben Unregelmäßigkeiten bei der Ticketvergabe für Aufsehen gesorgt.

Ich laß mir die Vorfreude (noch) nicht vermiesen und nehme die Veröffentlichung des zehnten Wettbewerbsbeitrags zum Anlaß, meine erste Favoritenliste für heuer vorzustellen:

Rang Land Song
    Interpret  
1 Frankreich Requiem
    Alma  
    (La France, je t'embrasse, je te dis que je t'aime … von der ersten Minute an ein Ohrwurm.)  
2 Italien Occidentali's Karma
    Francesco Gabbani  
    (Ein hinreißendes Schlitzohr mit einem Affen, eine Melodie in der richtigen Balance zwischen „Ohrwurm“ und „nicht zu langweilig“, ein schlauer Text und eine Choreographie, die auch ich mitmachen kann. (Und: Keine Ballade!))  
3 Georgien Keep The Faith
    Tako Gachechiladze  
    (Hochdramatische (und hochrepetitive) Powerballade. Nicht übel, aber halt leider diesmal ohne Bart.)  
4 Weißrussland Historyja majho žyccia
    NAVI  
    (Da werden Erinnerungen an das unbeschwerte Kuchenbacklied wach. Zwar tut das Ayayayaho! der Sängerin nach einiger Zeit weh in den Ohren, aber: Hey! Wenigstens keine Ballade.)  
5 Finnland Blackbird
    Norma John  
    (Düster und musicalhaft. Nicht der Knaller auf einer ESC-Party, hat aber was.)  
6 Spanien Do It for Your Lover
    Manel Navarro  
    (Tralala belalalanglos. Aber wenigstens keine Ballade. *gg*)  
7 Albanien Botë
    Lindita  
    (Irgendwo tief drin verbirgt sich schöner Balkan-Herzschmerz. Die entsetzliche Lindita ver-uuh-ooh-aah-t ihn aber auf höchst verstörende Weise.)  
8 Schweiz Apollo
    Timbelle  
    (Was ist nur mit der Schweiz los?)  
9 Deutschland Perfect Life
    Levina  
    (Der Charme Duisburgs trifft auf die wilde Exotik der Eifel.)  
10 Vereinigtes Königreich Never Give Up On You
    Lucie Jones  
    (Grundgütiger!)  

Dieser Moment ...

... wo dich die Grippe mit Fieber ans Bett fesselt und dann in der Nacht die Gastherme ausfällt.

Die Heizung ist noch das kleinere Problem, aber kein warmes Wasser zu haben ist wirklich übel.


SailfishOS 2.1.0 Iijoki

Iijoki ist ein 370km langer Fluß, der etwa 7½ Autostunden nördlich von Helsinki in die Ostsee mündet. Iijoki heißt auch das neue Update 2.1.0 für SailfishOS, das Jolla heute im Rahmen des „Early Access“-Programms freigegeben hat.

Wieder handelt es sich um einen „großen“ Brocken, der die armen Finnen wahrscheinlich ins Schwitzen gebracht hat: Der technische Unterbau, das Entwicklerframework Qt, bekam ein Upgrade auf die Version 5.6 spendiert. Das betrifft so ziemlich alles, was auf dem Telefon läuft. Entsprechend problematisch ist das Testen. Auch was Download und Installation anbelangt sind die Betriebssystem-Updates „mit neuem Qt“ immer ein besonderes Geduldsspiel.

Sichtbarer für den Anwender sind Verbesserungen im Browser, bei der Kamera, bei PDF-Dokumenten, bei der Unterstützung von VPNs und natürlich im User Interface, wo Jolla nun rechtzeitig zum Beginn meiner Altersweitsichtigkeit extragroße Schriftarten anbietet. :)

Ein bißchen versteckter, aber dennoch erwähnenswert: Mit Iijoki bereitet sich SailfishOS auf die weit verbreitete ARM8 Architektur vor. Das Portieren des Betriebssystems auf neuere Android-Hardware wird dadurch erleichtert. Außerdem steht der neues Bluetooth-Stack Bluez 5 für Entwickler bereit. (Damit verbunden nähert sich wohl der Abschied vom 2013 auf den Markt gebrachten ersten Jolla Phone: Bluez 5 wird nur mehr vom Jolla C unterstützt.)

Dazu wieder jede Menge Fehlerbehebungen und (auffällig diesmal) eine Reihe von Aufmerksamkeiten, die man dem optischen Erscheinungsbild der Benutzeroberfläche gewidmet hat. Hier wurden Details vereinheitlicht, die mir so gar nicht aufgefallen wären in der Vergangenheit.

Jedenfalls ist Jolla softwaretechnisch quicklebendig. Was die Hardware betrifft verdichten sich die Hinweise, daß man am Mobile World Congress in Barcelona etwas Neues zumindest für die Fans herzeigen kann, ein Community Device wie das Jolla C also. (An sich hat sich Jolla ja aus dem Hardware-Geschäft zurückgezogen. Da aber die bisherigen Lizenznehmer ausgerechnet Europa links liegen lassen bei ihren Hardwarelieferungen, wo immer noch die aktivste Entwicklergemeinde sitzt, greift Jolla auf den Trick mit den sogenannten çommunity Community Devices zurück.)


Skybar und Gams

Es war ja nicht nur die Lust aufs Frühstück im Parkhotel, die uns nach Graz getrieben hat. Eingeladen waren wir auf Stadtbummel und Abendessen. Na da kommen wir doch gerne!

Natürlich zeigt sich gleich beim Schloßberg-Besuch der Unterschied zwischen einem gut betreuten und einem unbegleiteten Touristen. Unbegleitet: Rauf, rechts abbiegen, Uhrturm ansehen, runter. Gut betreut: Rauf, links abbiegen, Skybar, hinsetzen. Was für ein Blick! Da sitzt man im Kuschelwarmen, hat das zart angezuckerte Graz unter sich und kann sich königlich unterhalten. Eine sehr feine Einrichtung ist das. (Natürlich gings dann trotzdem noch zum Turm. Eh klar. Muß.)

Zweiter Fixpunkt: Operncafé. Auch das hätten wir allein, glaub ich, nicht aufgesucht. Wunderbare Kardinalschnitte und endlich mal eine richtig große Portion heiße Schokolade. Großartig.

Unsere Fremdenführerinnen mußten sich dann allerdings zurückziehen, um in die Rolle der Gastgeberinnen schlüpfen zu können. Und da ging dann die Party erst richtig los. Kinders, ich sags Euch! Allein in die Datteln im Speckmantel hätt ich mich reinlegen können, dabei war das noch nichtmal der Anfang. Eine supergschmackige Rote-Rüben-Suppe mit Oberskren (ich wußte in meiner Einfalt gar nicht, daß es sowas gibt), ein hinreißender Salat aus Blattspinat und Maroni (und Spezialdressing), dann (Trommelwirbel) a echte Gams (!) (auch diese eine kulinarische Premiere in meinem Leben) so zart und weich, daß man sie löffeln hätt können, erfrischendes Zitroneneis zum Luftholen … und eine sehr raffinierte Orangencreme als Dessert. (Ich sag bewußt zum Dessert und nicht zum Abschluß … Zum Abschluß haben wir nochmal Schokolade in die Hand gedrückt bekommen. Wir schauen halt so verhungert aus!)

Ich hab absolut überhaupt gar keine Ahnung, wie man sowas hinkriegt, ohne ein Catering-Unternehmen zu beauftragen. Ich hab aber auch kein Buch mit dem Titel „Morgen bist du Hausfrau“ in meiner Küche stehen. :)

Es war wieder einer dieser Tage/Abende, an denen man die Zeit übersieht. Es gab aber auch 100 Millionen Gesprächsthemen, die sich aufgedrängt haben. Viele lustig und unterhaltsam, andere dann aber durchaus auch ernsthaft. Den Draht für beide Themenblöcke hatten wir. Und das war schön. (Ach ja: Und es gab Frauengold. Wenigstens die TV-Werbung dafür. *gg*)

Jedenfalls freuen wir uns sehr drauf, die Sache mal zu wiederholen. Vielleicht das nächste Mal in Wien mit vertauschten Rollen. :)


Upgrade in Graz

E§rzherzog Johann Suite Na da haben wir aber geschaut: Obwohl wir die gleiche Zimmerkategorie gebucht haben wie letztes Mal, haben wir eine doppelt so große Suite. Buchungstechnisch gings leider nicht anders, bedauert der junge Mann unten an der Rezeption. Na so ein Pech. ;)

Gleich noch einen Grund zur Begeisterung liefert die Küche des Hauses. Von Roastbeef bis Lauchsuppe, von Blutwurst bis Tagliatelle mit Trüffel, es war alles wunnerbar. Und die Show daneben erst recht. *gg*

Wir freuen uns aufs Frühstück!


Nokias Erben IV: Ubuntu schwächelt

Vor ziemlich genau vier Jahren hab ich im Artikel „Nokias Erben: Jolla? Ubuntu? Firefox? Tizen?“ die vier mobilen Betriebssysteme beschrieben, die das Erbe des Smartphone-Erfinders Nokia fortführen hätten können.

Nach der Korrektur völlig überzogener Erwartungen bezüglich Tizen und dem unerwarteten Ausscheiden des für einige Zeit erfolgreichen FirefoxOS ist dies nun der vierte Folgeartikel. Wieder droht einem Bewerber die Luft auszugehen: Laut einem Artikel in OMG!Ubuntu sind spürbare Weiterentwicklungen der mobilen Ubuntu-Version vorläufig abgesagt. Zwar soll es weiterhin die üblichen Sicherheitsupdates für die aktuelle Version geben. Neue Hardware ist aber in nächster Zeit ebensowenig zu erwarten wie die eigentlich fällige nächste Version des Betriebssystems.

Als Begründung wird angegeben, daß Ubuntu insgesamt (also auch die Desktop-, Core- und Serverversionen) auf das neue Paketsystem Snappy umgestellt werden soll. Dafür werden aber neuere Kernel-Versionen benötigt, die von den Hardwareproduzenten derzeit einfach nicht bereitgestellt werden. Die halten sich nämlich brav an die alten Android-Versionen. Natürlich wird auch eine Rolle spielen, daß der Wechsel des gesamten Ubunut-Universums auf Snappy Entwicklerressourcen abzieht, die der mobilen Version nun einfach fehlen.

Heißt für mich und mein Aquaris E5: Auf große neue Updates brauch ich da wohl nicht mehr zu warten. Ubuntu wird, wenn mit den nun verkündeten Neuigkeiten nicht ohnehin das Ende der mobilen Entwicklung beginnt, neue Versionen nur mehr für zukünftige Geräte zur Verfügung stellen können, auf denen dann eben auch ein neuer Kernel läuft. Das Aquaris E5 bekommt seine Sicherheitsupdates, mehr nicht.

Heißt für die Betriebssystemlandschaft insgesamt: Nachdem FirefoxOS sich völlig zurückgezogen hat, macht auch Ubuntu aus Konsumentensicht zunächst Pause. Beschleunigen wird das seine Entwicklung nicht. Tizen wird, soweit ich das mitverfolgt habe, weiterhin ausschließlich von Samsung angeboten - und auch das (bzgl. Smartphones) lokal beschränkt auf Indien. Man hat den Eindruck, daß der Elektronikriese damit tatsächlich ein bißchen experimentiert, ohne es allzu eilig zu haben: Neben Smartphones wurden auch Fernsehgeräte und Smartwatches mit Tizen auf den Markt gebracht. Jolla, Ende 2015 so gut wie tot, ist wieder überraschend quirlig: Nachdem Saifish auf drei eigenen Geräten unters Volk gebracht wurde und Intex das Betriebssystem für Indien lizensiert hat, stehen die Zeichen nun gut für einen größeren Auftrag aus Russland. Auch hat Jolla vorsichtige Hinweise auf ein neues „Community Device“ nach dem Muster des Jolla C gestreut. Bei den Finnen scheint die Reise also ohne Unterbrechung weiterzugehen.

Was mich persönlich bei Ubuntu stört ist weniger der Umstieg auf eine neue Technologie an sich oder die damit verbundene schöpferische Pause (wenn es denn wirklich nur eine Pause bleibt). Lästig ist, daß Canonical hier wieder einmal unnötig Gräben aufreißt und Ubuntu inkompatibel zu den Standardlösungen im Rest der GNU/Linux Welt macht. Was bei Ubuntu als „Snappy“ entwickelt wird, unterscheidet sich nicht sehr vom neuen Paketmanagement „Flatpak“, mit dem andere Distributionen das gleiche Ziel erreichen wollen. Genauso, wie Ubuntu mit „Mir“ ein eigenes Süppchen kocht, während der Rest der Welt auf „Wayland“ setzt. Diese Eigensinnigkeit an sich ist kontraproduktiv genug. Wenn sie dann aber auch noch zu einem Stillstand in der Entwicklung führt, könnt man sich wirklich drüber ärgern.


Ist mein Rot auch dein Rot?

Endlich! Endlich versteht mich jemand! Ich bin also nicht ganz so verrückt, wie ich immer dachte. (Oder anders ausgedrückt: Nicht ganz allein. Wobei das ja dann wieder … aber lassen wir das.)

Seit meiner Schulzeit beschäftigt mich eine Frage: Ist der Sinneseindruck, den wir „rot“ (oder grün, blau, gelb, …) nennen, bei allen Menschen der gleiche? (Und zwar jetzt abgesehen von Besonderheiten wie Rot-/Grün-Blindheit etc.) Sprich: Wenn ich Licht im Bereich rund um 700 Nanometer Wellenlänge sehe und mein Gehirn daraus die Wahrnehmung „rot“ erzeugt - sieht das dann bei meinem Sitznachbarn genauso aus? Oder hat der eine komplett anderen Farbeindruck vom gleichen Gegenstand, was wir aber niemals herausfinden werden, weil wir immer gelernt haben, daß wir diese Wellenlänge „rot“ nennen? Weil wir uns in der einzigen Kommunikationsform, die wir haben, nicht anders darüber austauschen können als mit dem abstrakten Wort „rot“?

Wann immer ich diesen Gedanken aufgebracht habe, konnte ich tief in die Rachen meiner Gesprächspartner sehen. Hä? Rot ist nun mal rot. Wovon reden wir hier eigentlich? Das macht ja nicht unser Gehirn, das ist ja das rote Licht. (Oder, um ein unsterbliches Zitat zu bemühen: Das ist nicht rot, das ist nur die Farbe.) Die Frage hat mich nicht losgelassen, ich habe aber gelernt, sie der sozialen Anpassung wegen nicht mehr allzu offen anzusprechen. 😳

Heute, beim ziellosen Herumklicken auf YouTube, bin ich dann auf folgendes Video gestoßen:

Is Your Red The Same as My Red?

Da gehts - bevor der aufgeregte Präsentator dann zu Experimenten an Kleinkindern und der Kommunikation mit Affen abgleitet - um genau dieses Thema. „Farbe“ ist nichts, was objektiv meßbar in der realen Welt existiert. Licht existiert. Licht hat unterschiedliche Wellenlängen, die man messen kann. Was unser Gehirn dann aber daraus macht, den Farbeindruck nämlich, hat keine Entsprechung in der realen Welt. Genauso wie es Geschmack und Geruch in dieser Form nicht gibt; was es gibt sind Eindrücke, die unser Gehirn aus den ihm von den Geschmacksknospen zugetragenen chemischen Eigenschaften der Nahrung (und nur diese sind real) selbst erzeugt.

Weil also all diese Dinge in unserem Gehirn entstehen und keine objektivierbare Entsprechung haben, haben wir keine Möglichkeit, objektivierbar darüber zu kommunizieren. Der Satz „Dieser Apfel ist rot“ bedeutet in Wahrheit: „Das von diesem Apfel abgestrahlte Licht liegt im Bereich von ca. 625 bis 780 Nanometern. Mein Gehirn signalisiert das mit einer Farbempfindung, für die man mir das Wort rot beigebracht hat.“ Ein zustimmendes „Ja, dieser Apfel ist rot“ meines Gegenüber bedeutet keinesfalls, daß er das gleiche sieht wie ich. Es bedeutet lediglich: „Auch mein Gehirn gibt mir die Farbempfindung, die ich für die Wellenlänge im Bereich von ca. 625 bis 780 Nanometern kenne. Auch ich habe dafür das Wort rot gelernt.“ Wir sind uns also über die ungefähre Wellenlänge und über das dafür gelernte Vokabular einig so wie zwei Wissenschaftler, die ihre Meßergebnisse vergleichen. Wir haben aber keine Möglichkeit, unsere „internen Meßgeräte“ direkt miteinander zu vergleichen: die subjektive Farbempfindung nämlich.

Was ich aus dem Video noch gelernt habe: Michael Stevens (der Macher des Videos) und ich sind nicht die einzigen, die uns über diese Frage Gedanken machen. Tatsächlich ist sie ein Klassiker der Philosophie, es gibt sogar einen eigenen Begriff dafür: Qualia. Eng damit verknüpft sind der Begriff der Erklärungslücke und das Gedankenexperiment „Marys Zimmer“. Genügend Fundstellen also im Netz, wenn man nur die Begriffe kennt, nach denen man suchen muß. Vor 35 Jahren wär der kleine Ossi halt nie auf die Idee gekommen, im Lexikon nach „Qualia“ zu suchen, wie ihm die Sache mit den möglicherweise unterschiedlichen Farbeindrücken eingefallen ist. Und nach „Erklärungslücke“ hätte er gar nicht erst suchen müssen: Der Begriff wurde erst ein Jahr später geprägt.

Das hat jetzt einerseits etwas Beruhigendes: Ich bin nicht allein in meinem Wahnsinn, daß rot nicht einfach für jeden gleich rot sein muß. Es gibt im Gegenteil einen Haufen anderer Leute, die sich genau darüber schon seit 150 Jahren den Kopf zerbrechen. Andererseits formuliert Michael Stevens als unausweichliche und höchst beunruhigende Konsequenz dieses Gedankens: Ich bin ganz allein. Wir alle sind ganz allein. Das Bild, das unser Gehirn sich von der Welt um uns erschafft, ist anderen nicht vermittelbar. Wir können uns nicht darüber austauschen, was wir wirklich sehen, schmecken, hören - fühlen.


Imperial Rumpelpumpel, Oida?

Tafelspitz Auch mit einer englischen Speisekarte stößt die Vorstellungskraft eines nicht an die österreichische Küche gewöhnten Gastes an ihre Grenzen. Die Unterschiede zwischen Tafelspitz, weißem Scherzel und Kruspelspitz sind auch bei guten Sprachkenntnissen schwer zu vermitteln. Erst recht schwer tut man sich bei Semmelkren und Fleischstrudelsuppe. Da kommen halt irgendwann so Kreationen wie „Imperial Rumpelpumpel“ zustande - und werden auf Anhieb verstanden! 😃

Herr E. hatte eine Gegeneinladung verdient, weil er so großartig für uns gekocht hat. Da er für längere Zeit Strohwitwer sein wird, konnten wir nur ihn allein „bekochen“. Und weil wir beim Essen zu Lokalpatrioten werden, standen auch die besten Chinesen, Inder oder Italiener nicht zur Debatte: Plachutta, what else? (Dabei geht's wirklich weniger um die Qualität des Dargeboteten als um die Auswahl an traditioneller Wiener Küche. Zwischen Tafelspitz, Backhendl, Wiener Schnitzel, Frittatensuppe, Mohr im Hemd und Palatschinken gibt's einfach kein Entkommen.)

Die Wahl des Restaurants war goldrichtig. Herrn E. hat offenbar während seines bisher einjährigen Wien-Aufenthalts niemand an der Hand genommen, um ihm gutes dasiges Essen näherzubringen. Über Wiener Schnitzel ist er nicht hinaus gekommen, wobei das seiner Schilderung nach eher vom Schnitzelhaus als im guten Gasthaus war. Und man findet auch selten Gäste, die sich so unvoreingenommen über Beef Tatar hermachen, obwohl ihnen die Vorstellung von rohem Fleisch zunächst sehr exotisch erscheint. 😉

Bei der Unterhaltung gings natürlich nicht nur um das Beschreiben der Speisen. Wir haben unserem Gast die schönsten Schimpfwörter beigebracht. (Was wäre sein Leben ohne „Kanake“ und „Kümmeltürk“? Ohne „Ham s' da ins Hirn gschissn?“ und das allgegenwärtige „Oida!?“?) Wir haben Interessantes zur Wiener Stadtgeschichte vermittelt und eine ausgesprochen geniale Idee für themenspezifische Stadtführungen entwickelt. Wir haben uns scheckig gelacht über die typischen „Beziehungsfragen“, mit denen er nun während seines Strohwitwerdaseins konfrontiert wird. Wir haben uns über die Schrullen der Habsburger amüsiert. Und wir hatten großen Spaß daran, Details unserer Kulturen und Unterschiede zwischen unseren Ländern zu analysieren. (Zum Beispiel: Wie spricht man einen Professor an der Uni an? Oder: Wie kann man von der äußeren Erscheinung eines Menschen Rückschlüsse auf seine politische Einstellung ziehen?)

Offen geblieben ist die Frage der passenden Ernährung für eine Vegetarierin, die Gemüse und Grünzeug ablehnt. Da haben wir noch ein bißchen was an Restaurantfindungsarbeit vor uns - die Hollerei scheint fürs Erste als „zu grün“ aus dem Rennen zu sein.

Den Abend beendet haben wir erst zehn Minuten nach der Sperrstunde, kurz vor Mitternacht. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir zuletzt so hartnäckig „pickengeblieben“ sind dort. (Dabei haben wir uns extra um 19:00 getroffen, um nicht zu spät heimzukommen.) Das spricht für einen gewissen Unterhaltungsfaktor. Ich freu mich aufs nächste Mal: E. hat irgendwas von einem gemütlichen Pazar Kahvaltısı in den Raum gestellt, jedenfalls aber werden wir die Suche nach gemüse- und salatfreiem vegetarischen Essen für Frau Ö. wieder aufnehmen. So oder so, Fortsetzung folgt. 😉

PS: Ich hoffe das „Imperial Rumpelpumpel“ wurde auch hier verstanden? 👑


Neujahrsempfang

Wie ich noch klein war, bin ich auf Silvesterfeste gegangen. Heute werde ich zu Neujahrsempfängen geladen. Das ist wohl auch eine Alterserscheinung. (Muß es sein: Ich kann mich an keine gesellige Runde erinnern, in der so viel und so ernsthaft über Pension, Begräbnisse, Kuren sowie Alters- bzw. Pflegeheime gesprochen wurde. *LOL*)

Herr Oliver hat das Ding organisiert und mit der Wahl der Gäste einen wunderbaren Griff getan. Sehr fein, das alles. (Worums mir ein bisserl leid tut ist das viele gute Essen: Offenbar waren ausnahmlos alle (genau wie wir) von Silvester noch zu zugestopft, daß das meiste einfach stehengeblieben ist.)

Irgendwie wars einerseits ein erfrischender Start ins Jahr 2017 mit netten neuen Gesichtern und Geschichten … andererseits aber auch eine Zeitreise in meine Vergangenheit vor dem 30er. Manches bleibt einfach immer gleich, egal wie viel Zeit vergeht. ;)

Vielen lieben Dank für den sehr schönen Abend. Hat viel mehr Spaß gemacht als die gezwungen lustigen Silvesterpartys früher.