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Benimsin: Aus die Maus

Benimsin Nach „Tatlı Bela“ hat mich gleich die nächste indische Serie im türkischen Fernsehen erwischt: „Benimsin“ heißt sie („Du gehörst mir“). Leider ist sie jetzt vorbei. Aus die Maus.

Die Handlung der im indischen Original 237 Folgen (in der Türkei wurden immer drei Folgen zu einer zusammengefaßt und in Spielfilmlänge ausgestrahlt) nachzuerzählen ist völlig unmöglich. Wikipedia scheitert kläglich beim Versuch einer Zusammenfassung. Es sind einfach zu viele Charaktere, die auftauchen, kommentarlos wieder verschwinden, durch Doppelgänger ersetzt werden, einander zu ermorden versuchen, um sich dann zwei Folgen später wieder tränenreich in den Armen zu liegen … Eigentlich ist da wahrscheinlich keine der indischen Hausfrauen durchgestiegen, die alle fünf Tage mal beim Bügeln aufgedreht hat.

Beim Betrachten der Folgen „à la Turk“, also mit jeweils drei Folgen auf einmal und ohne Handlungsloch dazwischen (A1 View Control sei Dank), stellt sich dann heraus: Zwar ist das Gesamtwerk verwirrend. Die Handlung der täglichen 90 Minuten auf Kanal 7 läßt sich aber gut in zwei bis drei Sätzen zusammenfassen. Damit eignet sich die Serie, sofern man keine Folgen versäumt, ob ihrer Redundanz wunderbar fürs Sprachniveau A1-A2: Man bekommt zwar 80% der Wörter nicht mit, versteht aber dennoch 100% der Handlung. Das, was man schon kann, schnappt man verläßlich auf. Die Serie spielt in der indischen Upper Class, die Dialoge wurden in dementsprechend „schönem“ Türkisch synchronisiert.

Und was soll ich sagen? Es hilft! So sehr man auch über die Qualität der Serie an sich geteilte Meinung sein kann (meine Meinung und die der anderen), ich hab mir doch einiges eingeprägt, was ich sicher so schnell nicht mehr vergesse:

  • Die schon von Tatlı Bela her bekannten Klassiker Merak etme! und Özür dilerim! Ich wende sowas ja nie aktiv an, aber es ist schon auffällig, wie oft die das sagen.
  • Ein neuer Spitzenreiter auf der Liste der am häufigsten verwendeten Phrasen: Ne oldu? - Das läßt sich übersetzen mit „Was ist los? Was ist passiert?“ und wird meist beantwortet mit einem ausweichenden Hiç - nichts. Damit das Drehbuch funktioniert, dürfen die Leute nicht zu ausführlich darüber sprechen, was sie bedrückt. Irgendwoher müssen die vielen Mißverständnisse und Verwicklungen ja kommen.
  • Defol git!, gelegentlich auch nur Defol! oder Defol buradan!, war zunächst völlig neu für mich, obwohl es so häufig vorkommt. Bei näherer Betrachtung ist das klar: Es bedeutet „Hau ab! Schleich dich!“ - das hat einfach noch nie einer zu mir gesagt auf Türkisch. :)
  • Affet beni! Hach, wie schön. „Verzeih mir!“, heißt das. Die Grammatik ist interessant, lernt man doch im A1-Kurs, daß das Verb immer am Schluß des Satzes zu stehen hat. Tja. Haben die Türken also das Lehrbuch nicht gelesen und stellen die Worte je nach intendierter Betonung um.
  • Seni çok seviyorum! - „Ich liebe dich sehr!“ Jaja, eh. Und kurze Zeit später läßt er sich von ihr scheiden, weil seine Mutter herumintrigiert. Pah! Apropos seine Mutter:
  • Yenge ist definitiv das Wort der Serie. Nicht everybody’s darling ist everybody’s Rindviech, sondern everybody’s yenge. Die türkischen Verwandtschaftsbezeichnungen sind ja eine Vokabelfalle. Tanten, Onkel und Großeltern heißen anders abhängig davon, ob man vom väterlichen oder mütterlichen Teil der Familie spricht. Bei Geschwistern unterscheidet man sprachlich zwischen älteren und jüngeren. Eine einfache deutsche Schwägerin erblüht im Türkischen zu ungeahnter sprachlicher Vielfalt: die Schwester der Ehefrau, die Schwester des Ehemannes, die Gattin des Bruders, die Gattin des Bruders des Ehemannes … sie alle finden sich im Wörterbuch unter einem anderen Eintrag. Natürlich verwechselt man alle diese Begriffe ständig, weils im Deutschen die Entsprechung dafür nicht gibt. (Und weil die Türken, die Gfrastsackeln, zu unser aller Verwirrung Verwandtschaftsbezeichnungen wie „teyze“ und „abi“ zur Anrede völlig fremder Personen verwenden.) Nach 237 Folgen Benimsin merk ich mir jetzt wenigstens die yenge. Und ich merk mir: Ganz so genau nehmen sies mit dem ganzen Zauber eh nicht. Nefise war garantiert nicht Aaliyas yenge, trotzdem haben sie einander so angeredet.
  • Aptal, in den meisten Wörterbüchern harmlos als „dumm; Dummkopf“ übersetzt, scheint ein veritables Schimpfwort zu sein, das man auch in emotionalen Streitereien mit Schreiduellen und Ohrfeigen anwenden kann. Wahrscheinlich geht’s eher in Richtung „Volltrottel“. Noch nicht mein geliebtes „orrrrrospu çocuğu“, aber immerhin.
  • Wer hätte je gedacht, daß ich mir sowas merk? Şirket heißt „Firma, Gesellschaft“. Es ging ja oft genug darum, wer jetzt die Kontrolle über das arbeitslose Familieneinkommen an sich reißen kann …
  • Absolut lustig, völlig sinnlos, aber beim ersten Mal fest abgespeichert: Boş ol! Wörtlich heißt das „Sei frei! Sei ungebunden!“ - Drei mal ausgesprochen (vom Mann, eh klar) löst es eine nur nach islamischer Tradition geschlossene Ehe. Sehr praktisch, wenn man eine Scheidung über mehrere Folgen hinziehen muß und die Spannung aufrecht erhalten will, ob das dritte, alles entscheidende „Boş ol!“ auch noch gesagt wird.
  • Otur! , „Setz dich!“. Im Gegensatz zu Boş ol! kann ich das auch in der Praxis anwenden. :)
 
schlosser meinte am :
Ah! Da isser ja wieder. ;-)
Hatte der Twoday-Server wohl Schluckauf... *g*

Ich find das suppa!!
So lernt man halt neben optischer Belustigung auch noch Vokabular dazu - eine bestimmt effiziente Methode. Besonders witzig ein Detail dabei: Dass es im Türkischen für die unterschiedlichen Schw(a)äger_innen auch unterschiedliche Bezeichnungen gibt... CRAZY! :-)
Da sind die Italiener wesentlich unkomplizierter... *WIR SIND JA ALLE EINE FAMILIE!!* - *LOL* 
ossi1967 antwortete am :
Nein, kein hıçkırık

Ich war ursprünglich mit dem Artikel nicht fertig, wollte ihn offline speichern und hab ihn wohl aus versehen stattdessen veröffentlicht. Erst beim nächsten Editieren ist er wieder offline gegangen. :)

Ja, die Schwägerinnen und der Rest der Familie … irgendwo hab ich mal gelesen, daß diese differenzierten Verwandtschaftsbezeichnungen typisch sind für Gesellschaften, die von kleinen Dorfgemeinschaften aus nur wenigen Familien getragen werden: Wenn man eh mit dem halben Dorf verwandt oder verschwägert ist, dann ist es auch sinnvoll, die einzelnen Personen konkret bezeichnen zu können. Auf Wikipedia gibts eine Liste der türkischen Verwandtschaftsbezeichnungen. Spooky.