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Jesus Christ Superstar, fast perfekt

Jesus Christ Superstar im Ronacher Gleich nach dem „Tanz der Vampire“ war klar, daß wir uns auch die nächste VBW-Produktion ansehen müssen. Glick ghea: Mit Jesus Christ Superstar stand ein echter Klassiker auf dem Programm, ein Juwel aus der Zeit, als Musicals noch mehr politische Diskussion als Beinchen hoch waren. Gleich Karten gekauft also und exakt einen Monat lang gefreut drauf.

Weil unsere üblichen Musicalopfer entweder gestreikt haben (Naaa, des is net so meins und da simma ja auch gar nicht daaa …) oder bereits schneller als wir mit Karten eingedeckt waren (Naaa, ich geh ja schon am Ostersonntag …), mußten Frau Ö. und Herr E. als begleitungstechnische Notnagel herhalten.

(Das hat einige Argumentationstricks erfordert. Beide sind keine begeisterten Musicalfans. Ich hab ihnen dann einfach erklärt, daß wir von Heiden wie ihnen erwarten, daß sie sich zwecks Integration zu Ostern die Passion Christi reinziehen. Basta. Keine Widerworte.)

Genau neun Mal spielt man das Stück heuer im Ronacher, womit klar ist: Mehr als eine konzertante Aufführung zahlt sich nicht aus. Ein barockes Bühnenbild wie im Tanz der Vampire ist nicht. Für eine „nur“ konzertante Fassung hat der Abend dann aber optisch einiges hergegeben. Mit Lichteffekten, Hintegrundprojektionen, Kostümen und einem großen Ensemble, das jedes Eck der Bühne füllt, ist doch einiges getan. Da brauchts keinen Tempelberg aus Sperrholz. Es gibt Theater, die eine „richtige“ szenische Umsetzung mit weniger Aufwand betreiben.

Das Team um Regisseur Alex Belga hat eine Umsetzung gefunden, die zwischen Laptop, Skateboard und gelangweiltem Golfspiel pendelt. Damit liegt er auf einer Linie mit Regisseuren, die „Jesus Christ Superstar“ zum Zeitpunkt seiner Entstehung optisch in die Hippie-Bewegung eingeordnet haben. Nur ganz wenige seiner Regieeinfälle gehen daneben. Das Turiner Grabtuch hätte nicht sein müssen. Ebenso fehlt die Betonung der engen Freundschaft zwischen Jesus und Judas im ersten Akt, ohne die die Desillusionierung von Judas und das Motiv für seinen Verrat noch schwerer verständlich werden.

Projektionen hin, Regieeinfälle her: Das Stück lebt einerseits von der kraftvollen Musik Andrew Lloyd Webbers, andererseits aber natürlich auch von deren hoffentlich gelungener Interpretation durch die Sänger und das Orchester. Da gabs an diesem Abend kaum was auszusetzen. Natürlich macht die Platzierung des 43köpfigen Orchesters mitten auf der Bühne die Steuerung des Sounds nicht einfacher. Wenn das Schlagzeug erst so richtig loshämmert, kann man es nicht mehr runterdrehen. Da kann man nur mehr alles andere verstärken. Das stiehlt der Aufführung die Chance auf einige intime Momente, die man sonst aus dem Stück kennt. Das Gute ist: Nicht nur das hervorragende Orchester, auch die Solostimmen verdienen es durchaus, daß man sie verstärkt. Drew Sarich als Jesus fährt verdientermaßen Standing Ovations schon während der Aufführung ein. Barbara Obermeier ist eine überraschend soulige Maria Magdalena, bei der man sich jedes Mal freut, wenn sie das Mikro in die Hand nimmt. Andreas Kammerzelt als Kaiphas schleudert einen Bass von der Bühne, hinter dem man normalerweise das Modell „dicker Mann im Frack“ erwarten würde. Filippo Strocchi ist ein Pilatus, der die Rolle fast neu erfunden hat für sich. Sehr fein!

Fehlt was? Ach ja, Judas. Eigentlich ist Judas die Hauptfigur des Stücks. Seine Songs tragen die Handlung vorwärts, in seinen Texten stellt er die wesentlichen Fragen, um die es den Autoren geht. Pech, wenn man ausgerechnet von ihm nicht eine einzige Silbe versteht. Sasha die Di Capri mag keinen besonders guten Tag gehabt haben, seine Stimme ist im Lauf des Abends von einer akzeptablen Rockröhre zu einem sehr kratzigen Wimmern verkommen. Egal aber ob geröhrt oder gewimmert: Er wurde vom Orchester übertönt, hat vorsichtshalber alle Konsonanten seines Textes weggelassen und war als Hauptrolle einfach ein Fehlgriff. Das muß man auch mal so sagen. (Richtig bewußt geworden ist mir das in der Pause, als das Thema Textverständlichkeit aufs Tapet kam. Mir ist das ja eher wurscht, ich kenn jede einzelne Zeile auswendig. Herr E. aber und Frau Ö., die ja auch mit dem Märchen an sich nicht so vertraut waren, hatten durchaus Probleme, sich die Handlung zusammenzureimen.)

In Summe aber, trotz der Probleme mit Judas, ist es eine großartige Inszenierung, die ich jedem empfehlen könnte … wenn sie nicht schon ausverkauft wäre. Eine perfekte Einstiegsdroge auch für Menschen, die bisher nicht so viel mit Musicals am Hut hatten: Nur rund zwei Stunden lang dauert die Aufführung, in anderen Stücken hat man da gerade mal den ersten Akt hinter sich. :)

Natürlich gings nachher noch auf ein Glas Wasser ins Lokal gegenüber, wo wir uns dann mit dem Austausch landestypischer Hochzeitsbräuche die Nacht um die Ohren geschlagen haben. Es wurde sehr viel gelacht, am meisten über Frau Ö.'s Frage an mich: Ossi, warst du eigentlich immer schon so? Was soll nicht nur davon halten? Und vom hysterischen Gelächter der anderen? *gg*

 
schlosser meinte am :
Hieß der *wirklich*...
..."Sahsa die Capri"?
Das ist ja voll trümmerlottig!
So heißen doch nur Drag-Queens! *LOOL*

Schön, daß ihr einen feinen Abend hattet.
Absacker in der Bar vis a vis scheinen Tradition zu werden. Gut so! :o)

(btw: "Jesus Christ Superstar" am Ostersonntag macht schon Sinn, hmm? *gg*) 
ossi1967 antwortete am :
@schlosser: Da gibts ein einziges Mal einen "Di Capri" im Text,

und schon fallen Dir solche Fehler auf. 2005 hat Serkan Kaya den Judas gespielt: Da hätt ich mich vertippen können, was das Zeug hält. :)

Übrigens schaut der Di Capri gar nicht so trümmerlottig aus:

Muskulüser Mann mit dunker Lederweste, Tattoos am Arm und langen Haaren

Die Frau Ö. fand ihn optisch besser als den ollen J.C. :)

(Btw: „Jesus Christ Superstar“ am Ostersonntag macht so überhaupt gar keinen Sinn. Die Handlung spielt in der Karwoche und endet am Karfreitag. Am Ostersonntag ist das dann nur mehr die Wiederholung im Schichtarbeiterprogramm. *gg*)

 
Moonbrother antwortete am :
MIR
Ich wollte mir JCS am Ostermontag in Gelsenkirchen anschauen - leider ausverkauft ... 
ossi1967 antwortete am :
@Moonbrother: Schade

Ich hab kurz nachgesehen: Das dürft eine gute Produktion sein. Unter anderem lustigerweise mit dem im Kommentar oben erwähnten Serkan Kaya als Judas. Der kann schon was. Hier ist ja auch die ganze Aufführungsserie schon ausverkauft, ich hab wohl Glück gehabt, daß ich mich so rechtzeitig um die Karten gekümmert hab.

 
Moonbrother antwortete am :
Geht bei mir leider nicht, da mein Arbeitgeber die Dienstpläne nur für eine Woche herausgibt. Da bleibt mir eben nur die DVD ;) 
ossi1967 antwortete am :
@Moonbrother

Oh, das ist übel. Sowas schränkt das Privatleben natürlich ordentlich ein. :(

Wir haben bei uns in der Firma ja auch für viele Mitarbeiter variable Dienstpläne. Der Job an der Hotline verlangt das. Allerdings hat da die Personalvertretung durchgesetzt, daß die Dienstpläne 2 Monate im Voraus für 1 Monat erstellt werden und daß man sich für einzelne Tage etwas wünschen darf. (Garantie für die Wunscherfüllung gibts natürlich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch.) Ein geplanter Theaterbesuch wär ein klassischer Fall dafür, daß man sich entweder einen ganzen Tag oder zumindest ab dem späteren Nachmittag „frei wünscht“.

 
Moonbrother antwortete am :
Die Personalvertretung trägt diese Entscheidung des Arbeitgebers ja leider mit. Obwohl es ein großes Unternehmen ist (über 1.000 Mitarbeiter mit fünf Standorten), ist eine wirkliche Gewerkschaftsarbeit nicht gewünscht. 
Moonbrother antwortete am :
Hast Du NBC verfolgt? 
ossi1967 antwortete am :
@Moonbrother

Bzgl. NBC: Leider nein. Ich hab zwar im Zuge meiner Vorbereitungsarbeiten auf den Mittwoch Abend mitbekommen, daß es die NBC-Produktion geben wird. Gesehen hab ich aber leider nichts davon.

Und zu Eurer Personalvertretung: Versteh ich absolut nicht. Es ist ja nicht so, daß das einen großen Konflikt mit dem Unternehmen auslösen muß. Es gibt Standardsoftware, die solche Dienstpläne je nach Personalbedarf automatisiert erstellt, und der Personalbedarf ist ja vorher bekannt. Wenn wir es schaffen, die voraussichtliche Auslastung einer Hotline 3 Monate im Voraus in Zahlen zu gießen, dann werden andere Unternehmen das auch irgendwie zusammenbringen. Falls sie denn wollen.

 
Moonbrother antwortete am :
Da scheint der Fisch vom Kopf her zu stinken. Ich mache weiterhin meinen Job so gut ich kann.