Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Nokia N900 - Erfahrungsbericht

Ich gebs zu, ich hab mir Zeit gelassen mit meinen ersten Eindrücken. Aber nach einem langen Wochenende und zwei extra-Tagen ist es nun soweit. Trommelwirbel: „Das N900 und mein Leben!“ ;)

Executive Summary¹

Uneingeschränkt begeistert bin ich nicht. Wer nicht den offenen Charakter der Plattform als Mehrwert schätzt, sollte die Finger davon lassen. Und nicht einmal ich wäre bereit, die vollen € 600,- Listenpreis dafür zu zahlen. Aber: Es gibt gelungene Aspekte, die Hoffnung machen.

Als Telefon

Als Telefon ist es schlicht unbrauchbar. Das fängt schon bei der Größe an (unbequem in der Jeans-Tasche), hat aber vor allem mit der langen Liste fehlender Features zu tun. Ich verwende auf meinem S60-Gerät Dinge wie Voice-Dial, MMS, Text2Speech, SyncML via http, Videotelefonie, Java-Programme, … regelmäßig. Darauf will ich nicht verzichten, nur weil das neue Spielzeug zu 80% mit freier Software betrieben wird.

Konsequenz: Im N900 steckt eine A1 Xtracard, die zwar parallel zu meiner Haupt-SIM-Karte läutet, in erster Linie aber nur zum mobilen Surfen da ist. Als Telefon (und damit: zum Surfen, Mailen, RSS-Lesen unterwegs …) verwende ich nach wie vor mein 6110 Navigator. Es ist dem N900 haushoch überlegen - nicht zuletzt auch in der Bedienung. Mit dem Daumen an den S60-typischen Navigationsknöpfen erreiche ich jede Funktion 10x schneller als beim zweihändigen Herumpatschen am Touch-Screen.

Als mobiler Computer / Internet Tablet

Nokia hat die Bezeichnung „Internet Tablet“ aufgegeben, trotzdem muß sich das N900 den direkten Vergleich mit seinen ebenfalls Maemo-basierenden drei Vorgängern gefallen lassen. Der fällt nicht immer positiv aus. So mußte das Gerät kleiner werden, um gerade noch als Telefon durchgehen zu können. Dadurch ist aber auch der Bildschirm geschrumpft. Die übrig gebliebenen 3,5 Zoll sind nun aber wirklich zu klein. Vor allem beim Surfen und beim Videoschauen wünsche ich mir das N810 zurück. Auch die Mini-Tastatur ist an der Grenze des Erträglichen.

Ebenfalls ärgerlich: Dem Markttrend zur Übersimplifizierung folgend hat man viele Funktionen (und vor allem Einstellungsmöglichkeiten) gestrichen. Es gibt keine (Unter-)Kategorien mehr im Programm-Menü (das sich darüber hinaus nicht mehr umsortieren läßt), keinen Status „beschäftigt“ im Instant Messaging Client, es gibt keine Hardware-Taste mehr, die zwischen Vollbild- und Fenstermodus hin- und herschaltet, Bluetooth-Tastaturen werden ebensowenig unterstützt wie die Koppelung an ein Telefon, das als Modem dient … Die Liste ist lang und doppelt ärgerlich. Immerhin waren diese Funktionen - im Gegensatz zu den fehlenden Telefonie-Features - in der Vorgängerversion ja bereits implementiert. Es scheitert hier also nicht am Können, sondern am Wollen.

Deutlich wird, daß Nokia die Zeit bei der Entwicklung von Maemo 5 in erster Linie dem User Interface gewidmet hat. Es unterscheidet sich in seiner bescheidenen Schlichtheit besonders stark von den mächtigen Vorgängern und hat wohl jede Menge Manntage verschlungen. Dafür finden sich unter der Oberfläche viele Kinderkrankheiten, mit denen man bei der Version 5 eines Betriebssystems einfach nicht mehr rechnet. Die zu beseitigen war offenbar nicht mehr Zeit genug vor dem Launch. (Wenigstens gibts keine spontanen Neustarts oder Abstürze.)

Das Gute zum Schluß

Wider Erwarten großteils gelungen ist die Gestaltung der Benutzeroberfläche. Ich habe bei den ersten Screenshots und Demo-Videos Gift und Galle gespuckt, weil mir viele neue Konzepte völlig unnachvollziehbar erschienen sind. Erst in der Praxis sieht man dann aber, wie gut sie eigentlich funktionieren. Nur ein Beispiel: Ich konnte absolut nicht verstehen, warum man aus einer laufenden Anwendung heraus nicht direkt zum Menü mit allen installierten Programmen wechseln kann. Der Weg dorthin führt zwingend über den Task Switcher, in dem alle derzeit laufenden Applikationen sichtbar sind. Nach einigen Tagen Praxis weiß ich: Man macht Programme am N900 sowieso nie zu. Deshalb enthält der Task Switcher in der Regel alles, was man so üblicherweise verwendet. Er ist eine Art personalisierter Anwendungs-Starter - mit dem Unterschied, daß die Anwendung eben schon läuft und wirklich sofort zur Verfügung steht.

Ebenfalls überzeugend: die Rechenleistung. Es ist einfach völlig wurscht, wie viele bunte Werbefilmchen die bösen Kerls von derstandard.at wieder in ihre Website eingebaut haben … das N900 schluckt alles. Und zwar auch dann, wenn gleichzeitig orf.at und maemo.org offen sind.

Überraschend auch die Energieeffizienz. Obwohl Nokia - ebenfalls der Größe wegen - einen schwächeren Akku verbauen mußte als noch beim N810, hält er beim Surfen, Chatten, Fotografieren und Mailen im „Ich probier jetzt alles aus“-Modus einen Tag durch. (Dabei war fast immer sowohl WLAN als auch UMTS aktiv.) Für Leute, die das Gerät vielleicht doch eher als Telefon nutzen und nur gelegentlich mal einen Begriff auf Wikipedia nachschlagen, sind das sehr erfreuliche Aussichten.

Erwartungen

Auch wenn ein Update des Betriebssystems noch vor Weihnachten kommen wird und Ovi Store und diverse Community-Applikationen erst in den Startlöchern stehen: Nokia wird aus dem N900 nicht das ideale Gerät machen. Es ist und bleibt ein Experiment, so wie das 770, das N800 und das N810. Vor etwa einem Monat schrieb Ari Jaaksi, der Maemo-Mann bei Nokia seit dem 770, in seinem Blog:

Maemo is rough on the edges. It is a bit dangerous. It is open to experiments. It is about community involvement. I want these to stay. I do not like boring cars, either.

So in etwa sehe ich mein N900: unvollständig, experimentell, … OK, vielleicht nicht wirklich gefährlich. Oder doch? Wer weiß. Es hat jedenfalls mehr Potential als alle anderen Geräte, die ich kenne - wobei der Großteil davon derzeit ungenutzt bleibt. Was fehlt, ist das Wow! Das geht auch!?. Es wird spannend zu sehen, wie die Entwicklung vorangetrieben wird … und von wem. Eines hat das N900 allen vorherigen Maemo-Geräten nämlich voraus: Breitenwirkung. Marketing. Mindshare¹. Mal sehen, wie sich das in einem so offenen Ökosystem auf die Entwicklung von Software auswirkt.

 

¹) Jo mei. Irgendwann bleibt sowas halt picken. Meine Eltern waren auch nicht erfreut, wie ich als kleiner Stöpsel die ersten Kraftausdrücke von der Volksschule heimgebracht hab. ;)

 
schlosser meinte am :
Hmmmm....
... also SEHR umfangfreich war der Testbericht nicht. ;-)
Mir hätte noch gefehlt:
-) Browserverhalten
-) Emailclient
-) Bildschirmeigenschaften (bei Tageslicht, Sonne, etc etc)
-) Druckpunkt der Tastatur *g*
-) Kamera
-) Videos, insbesondere Qik
usw

Naja, vielleicht kommt ja noch was nach Weihnachten.
Aber soweit mal nicht so übel!
:) 
ossi1967 antwortete am :
6450 Zeichen sind nicht umfangreich genug?

Was willst denn noch? *gg*

  • Browserverhalten
  • Emailclient

Kennst ja eh von mittlerweile 100.000 YouTube-Videos. ;)

Beides ist gut. Der Browser hat ein paar kleine Bugs (aber nichts, was man nicht als User selbst bereinigen kann), die unter die erwähnten Kinderkrankheiten fallen. Er ist halt verdammt flott für so ein Teil. Ich fand das nur nicht mehr so aufregend und erwähnenswert, weil das eh jeder herzeigt seit September.

Das Mail-Programm hat sich v.a. in der Oberfläche verändert. Es ist „fingerfreundlich“ - das heißt man muß nach dem Start noch zwei überflüssige Tappser machen, bis man endlich den Inhalt seiner Inbox sieht. Beim N8x0 war der sofort nach Programmaufruf da. Naja. Da ist es eben ein bißchen wie S60. Apropos S60: Was ein bißchen stört ist, daß man bei IMAP-Mailboxen keine automatische Verständigung über neue Mails bekommt, solange man sie nicht aktiv abruft (also kein Push-Mail). Das kann S60 besser, das bimmelt sofort, wenn neue Mail da ist, solang nur die Verbindung zur Mailbox aufrecht bleibt. Das N900 muß halt alle 15/30/… Minuten nachschaun.

  • Bildschirmeigenschaften (bei Tageslicht, Sonne, etc etc)

Hase? Wo hätt ich jetzt Tageslicht hernehmen sollen? Ich war in Linz vorm Fernseher auf der Couch und hab das Knutschimädi auf der Brust liegen gehabt. Und außerdem hab ich Urlaub. Das heißt ich bin nachtaktiv. Anyway: Der Bildschirm ist mir persönlich viel zu hell, selbst auf der dunkelsten Stufe. Das ist aber so eine Marotte von mir, ich hab überhaupt alle meine Displays auf minimale Helligkeit gestellt, auch die Monitore. Jedenfalls hatte ich noch nie ein Problem damit, daß man nix sieht.

  • Druckpunkt der Tastatur *g*

Ach fick Dich doch, wannst an Druckpunkt spüren willst. ;)

  • Kamera
  • Videos, insbesondere Qik

Ich nix machen mit Qik. Hab ich keinen Account für. Programm gibts aber, und Testvideos auf Qik auch. Kamera so wie üblich: Begrenzte Einstellungsmöglichkeiten (ein paar fixe Programme wie „Makro“, „automatisch“, „Landschaft“, dann Weißabgleich, ISO-Empfindlichkeit, …), aber eigentlich gute Bilder.

Die Abdeckung vom Objektiv is a bisserl billig und bei einigen Kunden auch schon runtergegangen. Fühlt sich an wie Pappkarton. Ich greifs lieber nicht zu oft an.

 
ossi1967 antwortete am :
Nachtrag zur Kamera

Bzgl. der Kamera gibts ein kleines Detailproblem: Mit Blitz ist sie kaum zu gebrauchen. Die Schlauköpfe haben einen spiegelnden Metallrahmen so vor das Objektiv gebaut, daß der Blitz beim Auslösen zurückspiegelt. Das Thema wird hier diskutiert - inklusive Bastelanleitungen zum Entspiegeln mit Lackspray etc. :(

 
erikhuemer antwortete am :
Wie peinlich!
Apple wär das nicht passiert! ;-) 
ossi1967 antwortete am :
Stimmt!

Das mit dem Blitzlicht hat Apple wesentlich besser gelöst.

 
erikhuemer antwortete am :
ja, wir kriegen so zeug eher gar nicht, als schlecht.

Obwohl: letztens hab ich in einem Restaurant so einen Haufen Schnösels gesehen, deren Telefone wirklich Blitz hatten. Da hab ich ehrlich gestaunt! 
ossi1967 antwortete am :
*LOL*

Bist Du leicht beim Plachutta gesessen, wie der Michael sein S40-Handy hergezeigt hat? ;)

 
schlosser antwortete am :
Schnösels? tztztztztz...
Nur weil man einen Blitz am Handy hat (=Grundausstattung), ist man kein Schnösel bittesehr!

Wir haben auch Schnösels gesehen. Gell, Ossi? Die hatten aber alle Eifons. Why, I wonder...

:) 
ossi1967 antwortete am :
Hehe … Ja, die waren herrlich!

Die hättst fotografieren sollen (mit Blitz *g*), nicht nur das Essen. Burberry meets Georg Uecker. Das ganze Setting an dem Tisch … Ich werd das nie vergessen. Da hätt aber auch nix anderes dazugepaßt als das iPhone. So ehrlich muß man sein. ;)

 
schlosser meinte am :
schon besser. :)
doch das Allerwichtigste:
'kann das auch windows?' :) 
ossi1967 antwortete am :
Ob das auch Windows kann? Ja sicher!
jukey meinte am :
Als Telefon brauchbar!
Also als jemand der das Teil wirklich als Ersatz für sein E52 nutzt und kein extra 2. Kommunikationsknochen mit sich herumschleppt muss ich dir widersprechen. Ich telefoniere mit dem N900. Per Skype oder SIP via UMTS bzw. WLAN, aber auch per GSM/UMTS ganz traditionell. Funktioniert übrigens auch prime mit einem Bluetooth Stereo-Headset. :-)
Sprachwahl brauche ich übrigens nicht.

In anderen Punkten gebe ich dir recht. Kein SyncML ist ärgerlich. Daher: http://maemo.org/community/brainstorm/view/syncml_support_for_maemo5/ :)

Was das Mailprogramm angeht: Es ist totaler Schrott, wenn du per IMAP auf dein Postfach zugreifst und mehr als einen handvoll E-Mails dort gespeichert sind. Nagut, zwei handvoll. Jedenfalls kannst du dann keine einzige Mail angucken und musst in den Webmailerapfel beißen. Laut Bugtracker wird die in der nächsten Firmwareversion gefixed sein. 
ossi1967 antwortete am :
Da hamma halt unterschiedliche Anforderungen ;)

Ich find am Mail Client nur das mehrfach zersplitterte UI mißlungen. Da ich nur eine Inbox und einen Spam-Folder hab und beides alle 1-2 Tage komplett geleert wird (aahhh … die Freuden von POP3), hat Modest nie mit mehr als 10-20 Mails zu tun. Insgesamt. Und das schafft es locker. ;)

Bzgl. Telefonie: Mein Gott, ich kriegs halt nicht in die Jeans-Tasche. Wozu soll das dann gut sein? Und wenn Du bei „Telefonie“ ausschließlich an Sprachtelefonie denkst, hätt ich da eine Empfehlung … *evilgrin*

 
jukey antwortete am :
Lösungsansatz bei zu enger Jeans...
...du kannst so ähnlich, wie bei vielen Kameras üblich, eine Halteschlaufe anbringen und das N900 lässig, wie ein Herrenhandtäschchen durch die Gegend tragen! ;-)

Und im übrigen bin ich jetzt auf das gute alte Claws Mail ausgewichen. Stift sei dank! :) 
ossi1967 antwortete am :
Wie schon bechattet...

… die Frechheit, mir ein Herrenhandtäschchen anzudienen, wird Dich noch was kosten. Un-glaub-lich die jungen Leut heutzutag. (Und dann Deine Bemerkung im Chat über die möglichen Ursachen zu enger Jeanstaschen … Das is sehr dünnes Eis, auf dem Du da stehst! *gg*)

 
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