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ESC: Brief an die Russen

Dana International Endlich wieder ESC-Content in meinem Blog! Der Anlaß ist aber wenig erfreulich. Es geht um ein Novum in der 58jährigen Geschichte des Eurovision Song Contest: Die EBU fordert vom russischen Fernsehen eine Stellungnahme ein, wie dort die künstlerische Freiheit der Interpreten sowie die Sicherheit von Teilnehmern und Publikum gewährleistet werden kann, falls der Song Contest wieder einmal in Moskau ausgerichtet werden sollte. (Das wäre frühestens 2015 möglich, wenn Russland in Kopenhagen gewinnt.)

Die Sorge ist nicht unberechtigt. Seit 30.6.2013 gilt in Russland ein Gesetz, das positive Darstellung von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen verbietet. Was genau eine nicht-traditionelle sexuelle Beziehung ist, können Polizei und Gerichte willkürlich entscheiden - und die positive Darstellung gegenüber Minderjährigen kann nach aktueller Auslegung schon darin bestehen, daß zwei Männer sich mit einem Kuß voneinander verabschieden, wenn irgendwo in Sichtweite ein 17jähriger auf den Bus wartet.

Damit nicht genug: Die Gesetzesänderung war für die rechten Kräfte des Landes und für religiöse Fundamentalisten ein Startschuß für bisher beispiellose gewalttätige Übergriffe gegen Schwule und Lesben. Die Polizei sei weder in der Lage noch Willens, dagegen vorzugehen, berichtet tagesschau.de in diesem Artikel.

Wie unter diesen gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ein Eurovision Song Contest abgehalten werden soll, macht den Verantwortlichen jetzt berechtigte Sorgen. Der Conchita-Wurst-Faktor unter den Teilnehmern beim Song Contest war immer schon recht hoch, auch wenn das ein paar Facebook-Spinner nicht mitbekommen haben, die erst heuer unter ihrem Stein hervorgekrochen sind. Dana International, DQ, Verka Serduchka, Marija Šerifović, Sestre, … Alle dieser Künstler repräsentieren in irgendeiner Weise nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen. Selbstbewußt auf der Bühne zu stehen allein reicht jedenfalls für die Qualifikation als positive Darstellung, und daß in ganz Russland kein einziger Minderjähriger den Song Contest anschaut, ist so gut wie ausgeschlossen. Zu Recht fürchtet die EBU also, daß die Polizei Teilnehmer direkt von der Bühne ins Gefängnis prügeln könnte. (15 Tage Haft sind für Ausländer vorgesehen, danach die Ausweisung aus Russland samt Einreiseverbot für die Zukunft.)

Dazu kommt natürlich auch die Sicherheit der Gäste. Zumindest denkbar wäre es ja, daß sich das eine oder andere schwule Paar unter die Fans mischt, sogar beim Song Contest.

Ob das russische Fernsehen in irgendeiner Weise reagieren wird? Mehr als ein nichtssagendes „… tun unser Möglichstes … im Rahmen der geltenden Gesetze …“ ist realistischerweise nicht zu erwarten. Das eigentlich Berichtenswerte ist, daß die EBU überhaupt vorausschauend handelt. Hinter den Kulissen sollen bereits schärfere Geschütze in Stellung gebracht werden: Schweden und Deutschland, beide aus unterschiedlichen Gründen Schwergewichte im Wettbewerb, sollen bereits angekündigt haben, einem Song Contest in Moskau fernbleiben zu wollen. Die EBU könnte sich gezwungen sehen, das Austragungsland für das Folgejahr bei einem Sieg Russlands entgegen der langjährigen Regel nach anderen Kriterien zu bestimmen. Dafür müßte jetzt Vorsorge getroffen werden. Den Brief ans russische Fernsehen sehe ich als ersten Schritt dazu.

 
Hans-Georg (Gast) meinte am :
gut so!
Ich befürchte allerdings, dass seitens der Russen eine Antwort fabriziert wird, die wie Gummi aussieht und die EBU zufriedenstellt. 
ossi1967 antwortete am :
Gummi ja. Zufrieden nein. :)

Natürlich wird das russische Fernsehen Blabla absondern. Was sollen sie auch sonst machen? Sie können ja nicht am ESC-Gelände die Gesetze außer Kraft setzen und der Bevölkerung und der Polizei Glückspillen geben, um Szenen wie während des ESC 2009 zu vermeiden.

Vielleicht wäre das für sich allein der EBU auch wirklich egal. Wenn Schweden und Deutschland aber tatsächlich ernsthaft überlegen, in Moskau nicht mitzumachen, dann hat die EBU ein Problem. Egal ob ihnen die Sache politisch wichtig ist oder nicht: Mit Deutschland verlieren sie Geld, mit Schweden Zuseher. Das geht nicht.

Daher glaube ich, daß die Sache dem Zweck dient, sich bzgl. der Wahl des Austragungsortes gegenüber den Russen abzusichern. Die EBU wird sich nicht trauen zu sagen: „Wir kommen nicht zu Euch, wir fühlen uns da nicht sicher.“ Die brauchen was Handfestes. Eine Sicherheitsgarantie einzufordern und dann keine befriedigende Antwort zu erhalten, das ist etwas Handfestes. Auf der Basis kann man dann weiter machen.

 
Deep_Blue meinte am :
Ernstes Thema
aber macht man sich da nicht Sorgen um noch nicht gelegte Eier ?

Und bitte sag mir, dass Dana International eine Frau ist !!!!!! 
ossi1967 antwortete am :
Jaja, is eh a Frau, irgendwie

Was a Frau is, is halt immer auch irgendwie Definitionssache, nicht? Und wenn die Operation professionell gemacht ist und die Hormone gut eingestellt sind, merkt man eh kaum einen Unterschied, vor allem bei der vielen Schminke. :)

Natürlich macht man sich hier Sorgen über ungelegte Eier. Aber das muß jetzt sein, wann denn sonst? Sollte der russische Beitrag in Kopegnhagen gewinnen, muß man vorbereitet sein. Dann erst mit Überlegungen anzufangen ist zu spät. Die Organisation des Song Contest 2015 beginnt am Tag nach dem Finale von Kopenhagen, da muß schon klar sein, welches Land ihn veranstaltet.

 
ossi1967 antwortete am :
@Deep: Mein Mann sagt grad,

daß Du Deine bisherigen sexuellen Erlebnisse nochmal sehr sorgfältig und prüfend durchgehen solltest im Geiste. Vielleicht hat er ja schon viel mehr Erfahrung gesammelt, als er glaubt, wenn ers nicht auseinand halten kann, meint er wörtlich. :)

 
Deep_Blue antwortete am :
Das ist ja manchmal auch wirklich schwer.
Männer sollen ja die schöneren Frauen sein, sagt man :-))

Danke an deinen Mann, aber ich werde keinerlei Gedanken daran verschwenden, ich möchte es gar nicht wissen :-))) 
ossi1967 antwortete am :
@Deep:

Sehr vernünftige Einstellung. Man kann die Dinge auch zu Tode analysieren. :)

 
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