Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Linzer Klangwolke 2016: Ist das Kunst oder kann das weg?

Weil es sich zufällig so ergeben hat, daß wir am Klangwolken-Wochenende in Linz sind, waren wir gestern dort. Die Linzer Klangwolke 2016 mit dem Titel „Fluß des Wissens“ stand ganz im Zeichen des 50jährigen Bestehens der Johannes Kepler Universität. Aus diesem Grundgedanken hätte man viel machen können, der Titel „Fluß des Wissens“ deutete in die richtige Richtung. Die Umsetzung aber war ein entsetzlicher Reinfall.

Vorweg: Was ist die Linzer Klangwolke? Sie ist ein Spektakel, ein Volksfest. Jährlich kommen 100.000 Zuseher in den (dafür viel zu kleinen) Donaupark, um sich an einem unterhaltsamen Schauspiel aus Pyrotechnik, Lasereffekten und eingängiger Musik zu erfreuen. Das „Wow!“ steht im Vordergrund, der Gänsehauteffekt, den Musik und Feuerwerk gemeinsam erzeugen können … Wenn man sie denn läßt.

Der Dortmunder Frank-Martin Strauß, wenig bekannt unter seinem Künstlernamen FM Einheit, hats heuer verbockt. Gefühlte 50% der Zeit wurden mit gesprochenen Texten gefüllt. Obwohl das völlig unpassend war und dem Rahmen nicht gerecht wurde, waren diese Textpassagen eine Erleichterung im Vergleich zu dem, was zwischendurch als Musik ausgegeben wurde.

Die einzelnen Bilder waren lieblos aneinander gestöpselt. Es gab keine Dramaturgie, keinen Spannungsbogen, keine Erzählung in der Musik. Gelegentlich lockerten unmotivierte optische Effekte das dröge Geschehen auf, die aber in keinem Zusammenhang zum akustisch Dargeboten standen. In diesen Augenblicken hätte man sich gewünscht, daß bitte jemand die Stromversorgung der Lautsprecher unterbrechen könnte.

Peinliche Tiefpunkte der Veranstaltung:

Gleich zwei Mal wurde die Show für endlose BMW-Werbespots unterbrochen. Während die Musik unverdrossen weiterdudelte, rollte Auto um Auto mit der Aufschrift „100 Jahre BMW“ die Donau entlang. Der bewegende Moment wurde als Show-Highlight auf die Videowände übertragen.

Außerdem: Rektor Meinhard Lukas nutzte die Bühne und hob völlig unmotiviert mittendrin zu einer Rede an, in der er die Verfolgung der Wissenschaftler und die Beschränkung der Forschung in der Türkei kritisierte. Nicht falsch verstehen: Der Rektor einer Universität kann und soll zu diesem Thema seine Meinung äußern. Dies aber mitten in einem Volksfest zu tun, bei dem die Leut' eigentlich ein Feuerwerk sehen wollen, ist (um es höflich zu formulieren) unprofessionell.

Zwei Dinge waren tatsächlich gelungen:

Da war einerseits das beeindruckende Drohnengeschwader über der Donau, das für mehr als nur ein „Aaaaah“ und „Ooohhhh“ gesorgt hat im Publikum. Bezeichnenderweise kam dieser wunderschöne Formationsflug nur im Vorprogramm zum Einsatz, während der Klangwolke selbst waren die Drohnen nur in Nebenrollen zu sehen.

Andererseits natürlich das traditionell großartige Feuerwerk, das heuer von besonderer Qualität war - bzw. gewesen wäre. Jeder Vollhorst schafft es eigentlich, eine solche multimediale Show so aufzubauen, daß allles rundherum auf das Feuerwerk als erwartbaren und erkennbaren Schluß- und Höhepunkt zusteuert. Nicht so gestern: Aus den Lautsprechern drang belanglose, einschläfernde Fahrstuhlmusik, irgendwann brannte das Feuerwerk ab … Wären nicht Musik und Feuerwerk im gleichen Moment zu Ende gewesen, ich hätt geschworen, daß die Pyrotechniker am anderen Donauufer zu früh gezündelt haben. Aber nein, das war kein Ablauffehler. Das war so geplant.

Schade um den Abend. Was bei diesem finanziellen und organisatorischen Aufwand wunderschönes Theater werden hätte können, wurde zur verkopften Selbstdarstellung einiger von sich selbst zu überzeugter „Künstler“ und Nerds... und eines Rektors. Weder die Institution Klangwolke noch die Universität Linz haben diesen Dilettantismus verdient.

 
Deep_Blue meinte am :
Du Ärmster
Weilst auch immer auf so überkandidelte Bobo-Veranstaltungen gehen musst.

Heute Abend, Palais Ferstel, "Abendland beschützen. Damals wie heute".
Die FPÖ feiert den 333igsten Jahrestag des Endes der zweiten Türkenbelagerung.

Kannst mit mir mitgehen, ich sage, du bist ein Interessent :-)
Wahrscheinlich wirst vor dem Palais von einer linken Zecke angespuckt, aber da musst du durch.

Ist die letzte Möglichkeit.
Die nächsten Jubiläen werden wir nicht mehr erleben und eine Feier zum Ende der dritten Türkenbelagerung wird es leider nie geben. 
ossi1967 antwortete am :
Was Du reden?

Was hat die FPÖ mit dem Abendland am Hut? Seit wann sind "333 Jahre" ein Jubiläum? Seit wann gehen Bobos auf so was Prolliges wie die Klangwolke? Blüchen? Sei ehrlich: Hast Du wieder mal einen Korn gefunden?

 
Wolfi (Gast) meinte am :
Ach, die Künstler.
Ich 'hab das' auch manchmal... *g*
Da denke ich mir: "Wollte sich der Künstler einfach nur profilieren oder steckt mehr dahinter? Soll ich meine eingefahrenen Ganglien-Wege mal verlassen und mich gemeinsam mit dem Künstler gedankentechnisch auf neue Pfade begeben?"

"Kunst kommt von Können...wenn sie vom Wollen käme, würde sie Wunst heißen". Das hat schon die Frau Deutsch-Lehrerin Dr. Windisch gesagt.

Wenn sie mich begeistern kann, finde ich's toll.
Wenn sie mich verwirrt zurückläßt, tu ich mich immer über die verplemperte Zeit ärgern.

(Aber ich hab da wahrscheinlich einen sehr 'konservativen' Zugang 'zu. So künstlerische 'Selbst-Wixe' mag ich eher ned.) 
ossi1967 antwortete am :
@Wolfi

Mein Zugang zur Kunst ist ganz simpel: Sobald der Künstler irgendwie erklären muß, was er eigentlich ausdrücken will, hat er seinen Job nicht gemacht. Das ist so wie mit einem Koch: Wenns Essen schmeckt, ist er gut. Wenn der Koch extra mit rauskommen muß beim Servieren um mir zu erklären, daß er die Suppe absichtlich versalzen hat, damit ein interessanter geschmacklicher Kontrast zum völlig ungewürzten Hauptgericht entsteht, bis sicher der lukullische Spannungsbogen in einer unerträglich sauren Früchtekomposition entlädt … dann laß ich das Essen stehen und geh, weil der Typ nur heiße Luft produziert. (Wofür es einen Markt gibt, allerdings nicht bei mir. *gg*)

Dazu kommt, abseits solcher Überlegungen, daß bei einer Massenveranstaltung für 100.000 Menschen der Kunstbegriff nur am Rande interessiert. Da sprechen wir von Unterhaltung. Das ist RTL, nicht arte.

 
Hase II (Gast) meinte am :
Ich halte es da mit dem alten Holländer
Weil der Ioan hat einmal gesagt: Wenn die Leute Feuerwerk sehen wollen, dann sollen sie nach St. Margareten gehen. Und wenn sie Kunst sehen wollen, dann kommen sie in die Staatsoper. Recht hat er gehabt, der Ioan. :-) Wobei ich ja durchaus der Meinung bin, man kann sich ab und zu schon mal ein bisschen auf etwas einlassen. Das kann ja durchaus spannend sein. Aber wenn nach spät. 4 min. nicht der Funke überspringt, dann wird's nix mehr. Was mich wundert, ist, wie man so ein "todsicheres" Geschäft wie ein Feuerwerk verhunzen kann. Aber so ist das, wenn künstlerische Selbstüberschätzung (für die Künstler ist das ja meistens ein Selbstschutz) auch noch auf Unvermögen trifft. Schade drum! 
ossi1967 antwortete am :
@Hasi II

Ja, das mit dem „Sich einlassen“ ist schon OK. Es muß nur irgendwie situationadäquat sein. Wenn ich beim Mäcki einen Cheeseburger mit Pommes bestellt hab, möcht ich mich nicht auf experimentelle Laborküche auf Basis fernöstlicher Insektenspezialitäten einlassen müssen. :)

Ja, das mit der Feuerwerksverhunzung ist schon ein Kunststück für sich. (Vielleicht wars ja genau deshalb so geplant? Kunst auf der Meta-Ebene sozusagen?) Noch dazu, wo das Feuerwerk für sich allein, also ohne das Rambazamba der Klangwolke, wirklich abolut orgiastisch gewesen wäre. Die haben eine wirklich großartige Nummer abgezogen. Aber eben so völlig unerwartet, in einem unpassenden Moment, ohne Musikunterstützung … very strange.

 
Davidl (Gast) meinte am :
Also Ossi....
ich muss schon bitten, Es mag dir nicht gefallen haben, es mag sogar schlecht gewesen sein (zumindest subjektiv) ABER: FM Einheit als "wenig bekannten" Menschen zu deklarieren treibt 90% der alternativszene der 90er die Wutröte ins Gesicht. Der Mann war bei den Neubauten, der Mann ist eine Institution, Hase.... <3 
ossi1967 antwortete am :
Jaja, die Alternativszene der 90er

Magst greifen, wie sehr mich die kalt laßt? Nur weil sie sich von irgendwelchen einflußreichen Musikjournalisten fi- äh, finden haben lassen, müssen so Alternativprogramme nicht notwendigerweise hörenswert sein. (Mein letzter Kontakt mit irgendwas jenseits von ABBA, Song Contest und Musicals waren Dynamo Urfahr in den späten 1980ern. *gg*)

Außerdem: 90% der Alternativszene der 90er, das sind vielleicht 0,5% der Gesamtbevölkerung. Wenn das die Leut sind, die mit dem Namen was anfangen können, entspricht das ziemlich genau meiner Vorstellung von wenig bekannt. *LOL*

 
Davidl (Gast) antwortete am :
Irgendwie...
...bin ich von dir empathischere Kommentare gewohnt. Und nein das stmmt nicht, da die Neubauten, Bargeld und eben Einhait schon so ziemlich für alles und jeden riesenprojekte entwickelt haben, von der met, louvre pipapo, und es nicht so ist dass was ossi nicht kennt folglich nur eine zu marginalisierende randgruppe zu interessieren hat. Im gegenteil kann die Klangwolke grundsätzlich froh sein wenn sich Einheit zu so einem lokalprovinziellen Traditionalistentreff herablässt, auch wenn er vielleicht möglicherweise diesmal wirklich nicht gut war.... busso 
ossi1967 antwortete am :
Empathie wird generell überschätzt

Zugegeben, Projekte entwickelt klingt gleich wahnsinnig cool. Ich glaub das macht man auch in dieser abgehobenen, im eigenen Saft bratenden „Kunst“szene. Da „entwickelt man Projekte“, statt einfach nur Musik zu spielen oder ein Feuerwerk abzubrennen. Ich habe wenig Sympathie für diese Klüngel, die sich gegenseitig die Lorbeerkränze aufn Kopp pappen.

Das alles steht aber in keinem Zusammenhang mit der von mir vertretenen Auffassung, daß Du bei einer repräsentativen Telefonumfrage kaum jemanden finden würdest, der „FM Einheit“ kennt. Nicht daß Hermann van Veen, Folke Tegetthoff, Peter Wolf oder Christian Kolonovits (frühere Klangwolken-Gestalter) einen Bekanntheitsgrad wie die Königin von England hätten. Ich denk aber doch, daß sie Frank-Martin Strauß in der gleichen Telefonumfrage übertreffen würden.

Und was das „sich herablassen“ betrifft: Drauf is, ehrlich, dünngschissen, wenn nix Vernünftiges rauskommt dabei. Was hab ich von der herablassenden Art (haha, Wortwitz!), wenns einfach schlechter ist als früher? Ach wär er doch in Dortmund geblieben …

 
Davidl (Gast) antwortete am :
geh was....
als ob man mich mit "Projekte entwicklen" noch irgendiwe hinterm ofen herauslocken könnte... ;)
aber: die Neubauten waren nunmals Protagonisten genau dieser art von Performance, die doch viele geprägt und inspiriert hat. auch Laibach war eine dieser Bands, die damals in den 80ern komplett neue wege und perspektiven geöffnet haben und sehr viel für die UNkunst entwickelt haben. mag sein dass er ein ausgebarnnter alter sack ist, das ist Rollins, neil Young, Tom waits, nick cave oder Kraftwerk auch.

Aber: Legenden bepinkelt man nicht, es sei denn sie machen Wahlwerbung für Trump, Hofer oder ähnliche Patienten! ;)

Und ach, ja scheiss auf Empathie... ;)

Bussi