Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Juhu, wir wählen wieder

Wir wählen wieder. Zwei Bundespräsidentenwahlen in einem Jahr sind einfach zu wenig. Man muß die Demokratie schon wirklich auskosten, wenn man schon Zeit Gelegenheit dazu hat. :)

Ob man sich drüber freuen freuen soll? Das hängt davon ab, ob man die Frage an das Herz oder an den Verstand richtet:

Der Verstand sagt: Rechtsstaatliche Bedenken dürfen nicht leichtfertig beiseite gewischt werden, nur weil die Verletzung von Formalvorschriften in diesem einen Fall ohnehin keine konkreten Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatten. Es ist überdies wichtig, daß das von den Freiheitlichen so sehr in den Dreck gezogene politische System der zweiten Republik Stärke zeigt, indem es einfach funktioniert. Vor allem die Kritik des VfGH an der Praxis der vorzeitigen Veröffentlichung von Wahlergebnissen ist ein für mich persönlich sehr befriedigender Aspekt der Entscheidung. Es war geradezu beschämend, wie in den letzten Jahren bereits Stunden vor Wahlschluß großteils richtige Ergebnisse über SMS, Twitter und sonstige Kanäle verteilt wurden in der Absicht, Menschen bei schlechtem Abschneiden „ihrer“ Partei nochmal besonders zur Stimmabgabe zu motivieren.

Es gibt einen Punkt, in dem mein Verstand mit den Ausführungen der Verfassungsrichter nicht einverstanden ist: Das System der Briefwahl an sich findet der VfGH nicht bedenklich. In dieser Frage würde ich die Truppe um Gerhart Holzinger gern nochmal etwas besser informieren und aufklären. :)

Das Herz sagt natürlich: Himmel noch eins! Die Stichwahl im Mai war wie das Frankenburger Würfelspiel. Dieses Land ist gerade nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Eine Wiederholung wird an der grundsätzlichen Ausgangslage von 50:50 nichts ändern. Obs wieder Van der Bellen wird oder ob diesmal Hofer die Nase vorn hat, das wird dann von vielen kleinen Details entschieden: von der Wahlbeteiligung, vom Einfluß der VfGH-Entscheidung selbst, von kurzfristigen innenpolitischen Entwicklungen, … Österreich kann ein zweites Mal Glück haben. Es hat aber noch niemandem gut getan, sein Glück zu oft herauszufordern.

Die Wiederholung erscheint umso unnötiger, wenn der Verfassungsgerichtshof wörtlich sagt:

Der VfGh hält jedoch ausdrücklich fest, dass keiner, der von ihm einvernommenen Zeugen Anhaltspunkte für tatsächliche Manipulationen wahrgenommen hat.

Es geht also ums Prinzip. Mein Kopf sagt: Das ist gut so, Prinzipien sind wichtig. Mein Herz sagt: Autsch, das hätts jetzt nicht gebraucht.

Wie dreckig der Wahlkampf jetzt schon wieder von Seiten der Rechtsextremen geführt wird, zeigt ein kleines Gustostückerl aus dem Internet: Unmittelbar nach der Stichwahl hat die nationale Brut zum Mord an Van der Bellen aufgerufen und dabei seine vollständige Wohnanschrift genannt. Jetzt verteilt sie ein (gefälschtes) Schreiben im Internet, wonach er wegen Demenz unter Sachwalterschaft gestellt werden soll. Das Schreiben erweckt den Eindruck, als sei es beim Wiener Bezirksgericht Innere Stadt eingegangen. Es enthält gefälschte medizinische Diagnosen über Van der Bellens geistige Gesundheit ebenso wie die Behauptung einer Krebserkrankung und einer regelmäßigen Chemotherapie. Das ist es also, was sich das rechtsextreme Hofer-Lager unter einer demokratischen Auseinandersetzung vorstellt. Viel Spaß, wenn wir die Truppe wieder an der Macht haben.

(Ein beunruhigender Gedanke ist, daß die Wahl von jener Partei angefochten wurde, deren Vertreter durch ihr Fehlverhalten auch die Gründe für die erfolgreiche Anfechtung gesetzt haben. Wenn das Schule macht, stehen uns lustige Zeiten bevor: Bei jeder Wahl werden die Wahlhelfer von den Parteizentralen angewiesen, Formfehler zu begehen. Ist das Ergebnis knapp, benutzt man genau diese Formfehler als Vorwand für eine Anfechtung.)