Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Geburtstagswunsch: Brexit

Keep calm and bye bye England Noch ist mein Geburtstag ja nicht vorbei. Die letzten Feierlichkeiten liegen noch vor mir. Daher interpretiere ich auch das heutige „Brexit“-Referendum als Geschenk der Briten an mich. Und daher kann das Ergebnis nur lauten:

Raus! Befreit endlich die EU von diesen Blockierern. Spätestens seit Thatcher 1984 ihre finanziellen Sonderwürschteln durchgeboxt hat, hängt das Vereinigte Königreich wie ein Klotz am Bein der europäischen Integration. Wer weiß, wie viel weiter wir schon wären, wenn die Briten 1975 bei ihrer ersten Abstimmung zu diesem Thema nicht mit so großer Mehrheit für den Verbleib in Europa gestimmt hätten.

Es gibt politische Beobachter, die bei einem „Brexit“ genau das Gegenteil erwarten: Eine Stärkung EU-kritischer Strömungen quer durch den Kontinent und eine Welle weiterer Plebiszite, an deren Ende eine deutlich geschwächte EU stehen könnte. Richtig ist, daß die Nationalisten ihre Chance wittern werden. Möglich ist auch, daß dem Austritt der Briten einer der Ungarn und Polen folgt. Die Frage ist nur: Schwächt es die auf abendländische Werte gegründete politische Gemeinschaft, wenn ausgerechnet jene Staaten sich verabschieden, die diese Werte ohnehin nicht teilen? Macht es nicht im Gegenteil stärker und handlungsfähiger, wenn interne Machtkämpfe und der ständige Zwang zum Kompromiß zwischen den Extremen wegenfallen?

Richtig ist, daß mit dem Austritt der extremen Nationalisten die unmittelbare Kriegsgefahr mitten in Europa wieder präsent ist. Nachdem uns die EU die längste Friedensperiode der Geschichte gebracht hat (gerade weil sie immer wieder Kompromisse zwischen weit auseinander liegenden Standpunkten zu finden gezwungen war), wäre ein Krieg zwischen europäischen Staate wieder denkbar. Überbewerten würde ich diese Gefahr nicht: Gerade die politisch instabilen Schurkenstaaten im Osten sind NATO-Bündnispartner. Was problematisch werden könnte ist die jahrhundertealte Bruchstelle zwischen Irland (das kein NATO-Mitglied ist) und dem Vereinigten Königreich. Gerade der Brexit könnte den alten Konflikt neu befeuern, wenn die bisher gut versteckten Grenzen wieder sichbar und Handelshemmnisse spürbar werden. Aber auch hier gilt: Wär ich gezwungen zu wetten, würd ich nicht auf Krieg setzen.

Wer mir also eine Freude machen möchte heute auf den britischen Inseln, möge dafür stimmen, daß ein geeintes Europa sich endlich vom Biritish Empire lösen kann. Rauswerfen kann Brüssel die Briten ja nicht.

 
Deep_Blue meinte am :
Ich sagte es ja
Mögen all deine Wünsche in Erfüllung gehen :-) 
ossi1967 antwortete am :
Meine kleine Wunschfee!

dicker Mann als Fee verkleidetSo hab ich das noch gar nicht gesehen. Meine Güte, ja, es stimmt! Du bist meine gute Fee! My deep blue fairy!

Da bedanke ich mich zunächst mal recht herzlich für den Ausgang des Referendums. (Man weiß ja nicht, wie's wirklich kommt. Schon wird geflüstert, daß das Unterhaus das Votum ignorieren könnte: Dort sind 70% der Abgeordneten gegen den Brexit. Noch schlimmer: Der Austrittsprozess dauert mindestens zwei Jahre und kann durch die Briten fast beliebig hinausgezögert werden. Vielleicht gibts 2020 dann eine neue Abstimmung nach dem FPÖ-Motto „So lange wählen lassen, bis das Ergebnis paßt“?)

But: Always look on the bright side of life. Es wird schon gut gehen. Camerons Nachfolger kann, wenn er schnell ist, den Prozess nach Artikel 50 am Unterhaus vorbei in Gang setzen. Wie hat Khol so schön gesagt: Speed kills. :)

Übrigens: Ein Öxit, liebe Fee, steht nicht am Wunschzettel. Ich will ja nicht die ganzen Vorteile verlieren und in die Zeit vor 1995 zurückfallen.

 
Deep_Blue antwortete am :
Danke
Das Bild schmeichelt mir :-)

Ach ja, die ganzen Vorteile.
Wenn ich heute für ein Krügel Bier und eine Leberkäsesemmel 115.- Schillinge bezahle und das bei sinkenden Realeinkommen, vergesse ich manchmal ganz auf die Vorteile.

Sorry, da komme ich jetzt nicht ganz mit.
Das Unterhaus könnte den Volksentscheid ignorieren ?

Ist in Great Britain nicht auch das Volk der oberste Souverän ?

Da irrst du dich ein wenig, dass mit dem so lange abstimmen, bis es passt, war in Irland zum EU-Reformvertrag. :-) 
ossi1967 antwortete am :
Die Queen! Die Queen!

Erstens ham die a Königin. Auf so a oaschwoame Demokratie scheißt die gute Frau Duchessekartofferln. *LOL* Zweitens ist von „Great Britain“ bald nicht mehr so viel übrig, das war gestern der Beginn von „Little Britain“.

Ich wußte nicht, daß Dein Unwissen in Bezug auf die politischen Systeme Österreichs und der Europäischen Union daher rührt, daß Du Dich so intensiv mit dem (zugegeben komplizierten) politischen System des Vereinigten Königreichs auseinandersetzt. Ich seh Dich schon mit den führenden Juristen dort diskutieren. :)

Solange Du aber Deine wissenschaftliche Arbeit dazu nicht veröffentlich hast, gilt als herrschende Meinung: Es handelt sich um eine Volksbefragung ohne verbindlichen Charakter. Denn:

Nicht das Volk ist der Herrscher, sondern das Parlament, das aus drei Kammern besteht: dem Monarchen, dem Oberhaus, und dem Unterhaus. Der britische Monarch darf alles – aber nur in Abstimmung mit den anderen beiden Kammern.

(Ich glaub aber eh nicht dran, daß das Parlament in einer so öffentlichkeitswirksamen Frage quasi „revoltiert“. Die wahrscheinlichere Taktik wird sein: Austrittsmechanismus in Gang setzen, verhandeln, verhandeln, verhandeln … und dann, wenn sich Jahre später keiner mehr erinnern kann, nochmal abstimmen. Die Frage ist, ob Schottland, Gibraltar und Nordirland so lange mitspielen.)

 
Deep_Blue antwortete am :
Verstehe
Ich befrage also das Volk, akzeptiere den Entscheid aber nur, wenn er mit meiner Meinung zusammen passt.

Normale Politik halt.

Aber die Briten werden wenigstens gefragt.
Unserem nicht gewählten Kanzler fällt sowas ja nicht ein.

Der wird schon wissen warum. 
ossi1967 antwortete am :
Ja. Typisch Brexit-Kampagne halt.

Den an vorderster Front kämpfenden Brexit-Befürwortern (!) fallen ja heute schon alle möglichen seltsamen Dinge ein. Nigel Farage erklärt (nach ein paar Bier nicht mehr ganz nüchtern) im TV-Interview: Die fantastrilliarden Pfund pro Woche, die laut Brexit-Kampagne nach einem EU-Austritt direkt ins marode britische Gesundheitswesen (NHS) fließen werden, sind natürlich erfunden. Auf die Frage der zunächst sprachlosen TV-Reporterin, ob ihm denn klar sei, daß ein paar Millionen Briten soeben auf Basis dieser NHS-Behauptung für den Brexit gestimmt haben, meint er nur: Na egal, die genauen Zahlen haben die anderen genannt, er selbst ja nicht so.

Noch viel, viel besser der führende Brexit-Befürworter der Konservativen (und einer der wahrscheinlichsten Cameron-Nachfolger), Boris Johnson: Gleich im ersten Interview heute meint er, daß man einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU nach Artikel 50 des Lissabon-Vertrages jetzt mal eigentlich nicht anstreben sollte. Hallo?! Der Typ hat grad eine Anti-EU-Kampagne geführt, die ein Menschenleben gekostet hat, nur um Cameron zu stürzen. Und jetzt sagt er: Naja, gleich austreten, das muß ja auch nicht sein …

Naja, sind halt alles Arschlöcher, die Populisten, bei uns und in Little Britain.

Wenn Du einen gewählten Kanzler willst, mußt Du die Verfassung ändern. Ist für Dich sicher kein Problem, Du konntest ja bisher alle Deine politischen Vorstellungen klar und verständlich argumentieren und die Menschen überzeugen. Solange die Verfassung aber so ist wie sie ist, gibt es in Österreich weiterhin keinen gewählten Kanzler. Gabs noch nie.

Wie oft willst denn gefragt werden? Und was soll man alles fragen? Willst 2x pro Jahr über die Staatsform „Republik“ abstimmen? Alle drei Monate über die EU-Mitgliedschaft? Alle 14 Tage über die Abschaffung der Bundesländer? (Das wär mal eine sinnvolle Sache.) Zu Weihnachten und Ostern jeweils über den Verbleib Vorarlbergs bei Österreich? Zu Beginn der Sommerferien jeweils über die parlamentarische Demokratie? Und schließlich: 1x im Monat über die Abschaffung Österreichs und all seiner ständigen Befragungen?

 
Deep_Blue antwortete am :
Es würde reichen
wenn das Volk zu wichtigen Entscheidungen befragt werden würde.

Vorbild Schweiz - Stichwort: Direkte Demokratie

Schon klar, ist in linken Systemen nicht sehr beliebt. 
ossi1967 antwortete am :
Es wurde ja befragt

Man kann halt nicht immer so oft befragen, bis das Ergebnis paßt.

 
schlosser (Gast) meinte am :
Grüße vom Pool
Heute, beim Frühstücken auf der oleanderwuchernden Terrazza gleich neben der Pool-Landschaft hab ich zum Hasen2 gesagt: 'Glaubst, hat der Ossi schon was geschrieben zum Brexit?'
Und, da schau her, schon war es im Internetz. ;)
Ja, ganz unsere Meinung. Weg mit dem Klotz am Bein, und bitte gleich weiter mit Ungarn und Polen.
Ich vergleich' es mit einem Unternehmen: Besser ein Mitarbeiter weg, der querschießt, als mühevoll weiter wurschteln. Auch wenn der Mitarbeiter vielleicht der Firma was bringt (was von den Engländern mit ihren Extrawürschteln eh nicht behauptet werden kann...), a la longue ist es für das Betriebsklima und das solide (wirtschaftliche) Fundament nicht zuträglich.
Was haben wir mit unserer Freundin Jean-Elaine nicht schon drüber diskutiert.
Ich bin schon sehr neugierig, wie sie jetzt ergehen wird - als feurige Brexit Befürworterin.
Ganz zu schweigen von den Engländern, die in der EU gerade arbeiten.
Ich bin ja sehr gespannt, ob sich die Befürworter so leicht von allen Vorteilen lösen werden können, die Sie schon ganz selbstverständlich über die letzten Jahre genossen haben und über den Benefit, dessen sie sich gar nicht mehr bewusst sind, wahrscheinlich.

Das Ganze hat für mich eine ganz einfache Konklusio:
Die Menschen sind so lange bei einem Verein, solange sie nur Vorteile daraus lukrieren können. Kommt mal der Moment, an dem man vielleicht mal was Negatives 'durchdrucken' muss (und den Weitblick 'auf das Ganze' aus den Augen verliert), sind sie gleich mal wieder weg.
Leider halt sehr menschlich. 
Deep_Blue antwortete am :
Genau
warum auch die Statuten des Vereines überdenken.

Behalten wir nur die Speichellecker und Ja-Sager und schmeißen den Rest raus.