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ESC 2016: Semi 2 - gottseidank vorbei

Der mit dem Wolf tanzt Das zweite Semifinale des Eurovision Song Contest 2016 war nun sicher kein Ruhmesblatt für den Wettbewerb. Damit meine ich keineswegs die Gestaltung der Show oder den Ausgang. (Obwohl …) Nein: Es hat einfach kaum jemals in der Geschichte des ESC eine so passiv-aggressive Aneinanderreihung teilweise einschläfernder, teilweise unbeholfener Songs gegeben. Und das Schlimmste ist: Ein paar der allerschlechtesten werden wir am Samstag wieder hören dürfen.

Aber, wie gewohnt, die Schrecklichkeiten der Reihe nach, bevor wir uns dann den wenigen Höhepunkten („Come Together!“) zuwenden:

Wie schon im ersten Semifinale haben zu 90% die Länder den Finaleinzug geschafft, denen es von den Buchmachern vorhergesagt war. Beim Verlesen der Ergebnisse mußte ich nur die vor mir liegende Liste abhaken. Einziger Ausreißer diesmal: Litauen mit „I've Been Waiting for This Night“ ist unerwartet weiter. Dafür mußte Weißrussland („Help You Fly“) den von den Buchmachern versprochenen Platz räumen.

Auch nicht wirklich schön: Gleich drei der Songs, die ich mit nur zwei und drei Punkten abgestraft habe, sind im Finale dabei. Konkret sind das das völlig melodiefreie „Made Of Stars“ aus Israel, das nervtötende „Goodbye (Shelter)“ aus Serbien und das eintönig-laute „Sound Of Silence“ aus Australien. (Ich hasse es, wenn ein Lied so überhaupt gar keine Dynamik hat. Gesang sollte doch auch ein klein bißchen was mit Gefühl zu tun haben. Und vor allem mit Melodie. Beides fehlt hier.) Schlechter war wirklich nur mehr die Schweiz, deren Sängerin erkennbar drauf gschissen hat und drei Minuten lang einfach irgendwas getan hat auf der Bühne. Ein Punkt.

Die anderen Finalisten wurden von mir mit jeweils sieben oder mehr Punkten bedacht, insofern paßts. Weil ich auch keinen einzigen Favoriten in diesem Finale hatte, kann ich mich nicht drüber beklagen, daß irgendwer nicht weitergekommen ist. Das Ausscheiden Irlands („Sunlight“) find ich ein bißchen unverständlich, mehr aber nicht.

Wir sind beim Positiven:

Petra Mede und Måns Zelmerlöw sind die heroes of the night. Ich weiß nicht, wer denen die Texte schreibt, aber dieses Moderatorenduo ist einfach unterhaltsam. Hier wird kein noch so billiges Eurovisionsklischee ausgelassen. (Die Eröffnungsnummer hätt ich gern als Buch, bitte!) Wenn das schwedische Fernsehen so schlau war, sich die besten Pointen für Samstag aufzuheben, dann wird das nochmal ein riesengroßer Spaß. Allein wie Måns Zelmerlöw böse knurrt, weil man ihn und seinen Plüsch-Wolf nicht nackt auf die Bühne läßt … das nimmt man ihm sogar ab.

Überhaupt, Måns: Ausgerechnet zwischen Dänemarks angestaubtem Bubischlager „Soldiers of Love“ und dem von Russland so heftig kritisierten „1944“ stellt er sich plötzlich zu einer völlig unüblichen Zwischenmoderation auf die Bühne. Sein Text:

Lots of songs about love here tonight. That was Denmark with „Soldiers Of Love“ and before that we heard Bulgaria with „If Love Was a Crime“ and you know what, love still is a crime in many parts of the world and I long to see the day when that is no longer the case.

Nach so viel Meckerei muß ichs nochmal herausstreichen: Bis auf die drei oben erwähnten Haßkandidaten sind alle Finalisten bei mir persönlich im oberen Punktebereich angesiedelt, die auf meinem Voting-Sheet eher mittleren Punkteränge sind ausgeschieden. Das ist ja auch nicht so übel - selbst unter der Prämisse, daß ich mich angesichts des schlechten Starterfelds zu freundlicher Punktevergabe wirklich zwingen mußte.

Über zwei Songs freu ich mich am meisten: „Midnight Gold“ aus Georgien war schon in den Anfangswochen der heurigen Song-Contest-Saison kurz mal unter meinen Favoriten, mit einem Ausscheiden im Halbfinale hab ich aber so sicher gerechnet, daß ich den Song komplett aus den Augen verloren hatte. Ich nähere mich wieder an. ;)

Ebenfalls wieder für mich entdeckt habe ich das sperrige „1944“ aus der Ukraine. Es zeigt, daß man auch mit einer kraftvollen Stimme gefühlvoll singen kann, wenn man einen guten Song zur Verfügung hat und die Stimme auch einzusetzen weiß - sogar als Frau. (Und nein, das ist jetzt gar nicht bösartig: Es sind halt tatsächlich immer nur Frauen, die mit belanglosen Melodien drei Minuten lang das Mikrofon totbrüllen.) Im enttäuschenden Umfeld des heutigen Abends konnte sich der emotionale Song voll entfalten. Zwar versteh ich immer noch nicht, warum er als potentieller Sieger gehandelt wird - gefallen tut er mir aber schon.

Noch ein positiver Punkt: Hans-Georg hat mir den Weg gewiesen. Ich konnte endlich auf einem Sender schauen, auf dem weder der unfähige Andi Knoll noch riesengroße Twitter-Inserts die Laune vermiesen. Juhu! :)

Überraschend an diesem Song Contest ist, daß ausgerechnet die sechs Fixstarter die Schwächen des heutigen Semifinalabends am Samstag wieder ausgleichen werden. In den letzten Jahren waren diese Fixstarter eher die, die schwache Songs auf die Bühne gebracht haben. Heuer sind vor allem Schweden, Frankreich und Spanien um gute Stimmung bemüht. Da kann man einen jaulenden Gnom aus Israel schon mal wegstecken. ;)