Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Lügenpresse

Nicht einmal ein Viertel der Österreicher vertraut Journalisten. Damit liegt diese Berufsgruppe irgendwo am unteren Ende der Skala bei den Autoverkäufern. Außerdem ist der österreichische Wert im europäischen Vergleich besonders schlecht. Woher das nur kommen mag?

Zwei große Bouldevardzeitungen zeigten dieser Tage, was sie können. (Interessanterweise werden Scans beider Artikel ausgerechnet in der Facebook-Haßgruppe gegen den Mariahilferstraßen-Umbau veröffentlicht. Das zeigt, daß sie ihr Zielpublikum erreicht haben.)

Da ist einerseits die Zeitung „Österreich“, die ein Loblieb auf Johanna Mikl-Leitner singt. Ein neues Konzept für Sicherheit auf der MaHü, ein Sieben-Punkte-Programm habe sie offengelegt, heißt es. Implizit wird damit unterstellt: Die Kriminalität dort ist so hoch, daß man ein ganzes Bündel eigener Maßnahmen benötigt. Ich bin stutzig geworden, weil von erhöhter Kriminalität bisher nie etwas zu hören war. Drei Frauen haben in einem Geschäft Handtaschen gestohlen - für eine Einkaufsstraße mit rund 260.000 Kunden wöchtenlich ist das nicht so aufregend, daß es ein Sieben-Punkte-Programm rechtfertigt.

Gottseidank kann man im Internet nachlesen, was die Innenministerin wirklich gesagt hat - und aus welchem Anlaß. Im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage nämlich hatte die FPÖ behauptet, die (roten und grünen) Bezirksvorsteher würden gegen Polizeistreifen in der Fußgängerzone protestieren. Sie wollte wissen, mit welchen Mitteln das Innenministerium zukünftig die „Sicherheit der Wirtschaftstreibenden“ garantieren wolle. Mikl-Leitner hat in ihrer knappen Anfragebeantwortung die blauen Behauptungen ins Reich der Phantasie verwiesen und darüber hinaus aufgezählt, welche Maßnahmen die Polizei sowieso für Sicherheit und Prävention setzt. „Österreich“ macht aus der Aufzählung von Standardmaßnahmen (Streife fahren, Beratungstätigkeit) ein aufregendes Maßnahmenbündel für die Zukunft und trifft dabei genau den Nerv der dankbaren FPÖ-Wählerschaft auf Facebook. SMS Warnungen, mensch [sic] ich will nicht wissen was der ganze unnötige Scheiß wieder kostet., geifert dort einer. Trotzdem kläre ich hier auf: Die SMS-Warnungen werden seit 2006 an die Kaufleute der Wiener Einkaufsstraßen verschickt, die Kosten dafür trägt die Wirtschaftskammer. Die mysteriöse Beratungsstelle in der Andreasgasse entpuppt sich als das altbekannte „kriminalpolizeiliche Beratungszentrum Wien“, zu dem die Polizei seit Jahren die Besucher diverser Seniorenmessen karrt.

So weit, so „Österreich“. Aber auch die „Krone“ kanns. In einem Artikel über Minister Kurz schwenkt der Autor unmotiviert auf die Grünen und präsentiert eine Liste von Verboten, die die Grünen angeblich durchsetzen wollten. Kaugummiautomaten, Fiaker, heliumgefüllte Luftballons, Ölheizungen, PC-Spiele, Rauchen an Straßenbahnhaltestellen, … all das wollen die Wiener Grünen laut „Krone“ verbieten. Allein: Die Suchmaschine meines Vertrauens findet dazu nichts. Ja, ein Rauchverbot an Straßenbahnhaltestellen wurde tatsächlich verlangt - von der Ärztekammer. Ja, ein Verbot von Ölheizungen wurde diskutiert - von österreichischen Unternehmern. Ja, ein Verbot von Fiakerfahrten in der City wurde gefordert - von der FPÖ für Hitzetage mit über 30°.

Natürlich interessiert das alles niemanden, der die „Krone“ liest - und erst recht niemanden, der in der Facebook-Haßgruppe kommentiert. Die Realität wird sowieso überbewertet. Verbotspartei!, schreit man da und ist sofort mit Erklärungen zur Hand, in denen die Bilderberger und das Geld vom Rothschild eine Rolle spielen. Herr, laß es Alufolien regnen …

Wundert noch jemanden, warum der Journalismus so hoch geschätzt wird in Österreich?