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Pride in der A1 Videothek

Transparent „Lesbians and Gays Support the Miners“Die A1-Videothek serviert uns mit „Pride“ einen der warmherzigsten und gleichzeitig politischsten Filme der letzten Zeit. Lachen, Tränen, Wahrheit, Schmerz und Verlust in 120 Minuten mit einer Reihe wunderbarer britischer Schauspieler, darunter Bill Nighy, Imelda Staunton und Dominic West. Das wirklich Unglaubliche an dem Film ist aber, daß die auf den ersten Blick völlig absurd und unglaubwürdig erscheinende Handlung auf wahren Begebenheiten aus den Jahren 1984/85 beruht:

Es ist die Zeit, in der Margaret Thatcher die Fundamente des Wohlstandes in Großbritannien nachhaltig demoliert und eine Politik durchsetzt, die schließlich in ganz Europa zum Ende des sozialen Friedens führen wird. Ihre Tory-Regierung läßt alles niederprügeln, was zu schwach ist sich zu wehren: ethnische Minderheiten, Lesben und Schwule, schließlich auch die streikenden Bergarbeiter. Nachdem Thatcher mit einer Reihe von Gesetzesmaßnahmen das Streikrecht zuvor nämlich so weit eingeschränkt hatte, daß es zur reinen Farce verkommen war, wollte sie die Arbeitsplätze hunderttausender Kumpel auf ihrem neugeschaffenen Hochaltar des Neokapitalismus opfern, Gruben schließen und privatisieren. An den neuen arbeitsrechtlichen Bestimmungen vorbei streikten Minenarbeiter ziemlich genau ein Jahr lang gegen diese Pläne und wurden dabei zu Opfern von Polizeiübergriffen. Zum Überleben waren sie und ihre Familien während dieser Zeit auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen … und erst hier setzt der Film ein, weil die Rahmenbedingungen beim britischen Publikum als bekannt vorausgesetzt werden.

„Pride“ erzählt die Geschichte einer Gruppe von Lesben und Schwulen, die sich unter dem Namen „LGSM“ politisch mit den streikenden Minenarbeitern solidarisieren und Geld für sie sammeln. Das Problem dabei: In der rauen Welt der Gewerkschaften findet sich zunächst niemand, der die Spenden von „solchen Leuten“ annehmen will. Also setzt sich die Gruppe in den Bus, sucht auf der Landkarte ein Bergarbeiterdorf und fährt hin, um das Geld persönlich zu übergeben. Was folgt, ist ein bezauberndes Spiel zwischen Vorurteilen, Dankbarkeit, Solidarität und Lebensfreude. Thatcher kommt nach einem kurzen TV-Auftritt am Beginn nicht wieder vor, ist aber überall präsent, wo Verfall und Trostlosigkeit eingefangen werden. Ebenso düster im Hintergrund: Die Angst vor der damals ebenso neuen wie unbehandelbaren Bedrohung AIDS.

Nur in wenigen Punkten weicht der Film von der historischen Realität ab: Er macht die Aktivistengruppe viel kleiner, als sie war. Er überzeichnet die anfängliche Ablehnung durch einige Dorfbewohner, aus der er ja einen Großteil seiner Komik schöpft. Er erwähnt nicht den (partei-)politischen Hintergrund einiger Gründungsmitglieder von LGSM. Ansonsten aber hält er sich für einen Unterhaltungsfilm erstaunlich eng an die Fakten. Das Benefizkonzert „Pits and Perverts“ mit Bronski Beat gab es wirklich und spielte nach heutigem Geldwert rund € 30.000,- ein. Der Kleinbus der Streikposten mit der Aufschrift „Donated by: Lesbians & Gay Men Support The Miners · London“ sah genauso aus wie im Film. Ebenfalls nicht nur rührende Schlußszene, sondern historische Wahrheit ist die Teilnahme der Kumpel aus Wales an der Gay Pride Demo 1985 in London, der ersten nach dem Streik. Drehbuchautor Stephen Beresford verwendet sogar einige wörtliche Zitate der damaligen Akteure in seinen Dialogen.

Nur mehr im Nachspann kurz erwähnt ist eine der wichtigsten politischen Auswirkungen: Zum wiederholten Mal stand 1985 beim Parteitag der Labour Party der Antrag an, das Thema Schwulen- und Lesbenrechte ins Parteiprogramm aufzunehmen. Zum wiederholten Mal wollte die Parteiführung den Antrag ablehnen lassen, weil sie um Wählerstimmen fürchtete. Es war die Gewerkschaft der Minenarbeiter, die aus der vorgegebenen Parteilinie ausscherte und den Antrag schließlich mit ihren Verbündeten durchboxte.

Einen Trailer gibt es auf YouTube zu sehen. Ebenfalls auf YouTube: Ein aufgrund der optischen Ähnlichkeit einiger Hauptdarsteller mit den realen Figuren fast gruseliges Amateurvideo aus dem Jahr 1986, in dem die echten Akteure der Geschichte in VHS-Qualität zu Wort kommen.

Man kann „Pride“ als Film über den Sozialismus und die Arbeiterbewegung verstehen. Man kann ihn als Schwulen- und Lesbenfilm, als Coming-of-Age-Movie oder als Culture-Clash-Komödie verstehen. Es kommt auf den Standpunkt an. Für mich ist es ein Film über Politik in einer ihrer wichtigsten Formen: Er zeigt, was Menschen erreichen, wenn sie sich umeinander kümmern, einander nicht egal sind, füreinander einstehen. Nicht umsonst ist der Handschlag ein immer wiederkehrendes Motiv während der 120 Minuten. Im VHS-Video aus 1986 sagen es alle Beteiligten auf die unterschiedlichste Weise noch einmal: Man kann und darf in der Politik nicht (nur) für seine eigenen Interessen eintreten. Es geht um Solidarität. Es geht darum, gemeinsam auch gegen das Unrecht anzutreten, das anderen widerfährt.

 
Deep_Blue meinte am :
Erschütternd
Die Verschwulung der Welt macht auch vor Hollywood nicht halt.

Bereits 2012 versuchte das Schwulenmagazin "Queer" Daniel Craig als James Bond in einem Interview eine homoerotische Beziehung in "Skyfall" einzureden.

http://www.queer.de/detail.php?article_id=17749

Bereit 2006 verkündete das Magazin "Femalfirst" dass Bond im übernächsten Streifen eine schwule Beziehung haben werden.
Zum Glück hatten die Produzenten ein Einsehen und verschonten uns damit.

http://www.shortnews.de/id/636635/wird-james-bond-im-uebernaechsten-streifen-schwul

Wie hätte man sich das vorstellen müssen ?
James Bond weint, weil ihm ein Nagel abgebrochen ist und in den Actionszenen werfen sie mit Wattebällchen aufeinander ?

Zum Glück gibt es ja für Heteros noch einige Rückzugsgebiete. 
ossi1967 antwortete am :
Aaaaha

Einen Zusammenhang zu dem Artikel, den Du kommentiert hast, gibts zwar nicht … aber es ist auch schön, hier nach neun Jahren wieder mal was über James Bond zu lesen von Dir. :)

 
Deep_Blue antwortete am :
Selbstverständlich
gibt es den Zusammenhang.

Die geplante Verschwulung der Welt durch Film, Fernsehen, Printmedien und Conchita Wurst :-) 
ossi1967 antwortete am :
Aaaaha

Das ist wieder eine neue Art, auf die man diesen Film verstehen kann. Ich hätt ja eher gedacht, daß Du ihn in der ehrwürdigen Tradition der Gewerkschaftsbewegung interpretierst …

(Wieso eigentlich die Wurst? Die is ja doch hetero?)