Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Ich bin Generation Y

Ich gehöre zur „Generation Y“! Zumindest hab ich das für einen kurzen Moment gedacht und gespürt, wie sich meine Gesichtshaut strafft dabei. :)

Bei uns im Büro gabs nämlich im Rahmen einer ansonsten sehr trockenen Veranstaltung einen recht humorigen Vortrag eines 20jährigen Knaben, der uns als Vertreter eben jener „Generation Y“ vorgestellt wurde. Wie er sich im Internet bewegt, hat er uns erzählt. Welche Arten der Kommunikation für ihn selbstverständlich sind. Und wie das alles auf die Erwartungshaltung abfärbt, die er Unternehmen wie unserem entgegenbringt. Letzteres ist interessant, weil Unternehmen wie unseres natürlich genau diese Erwartungshaltungen einer neuen Generation befriedigen müssen, um am Markt erfolgreich zu bleiben. Aber ich schweife ab …

Wesentlich ist: Ein junger Mann erzählt von „Generation Y“ und deren Konsum- und Internetverhalten. Wir alle hören begeistert zu, und weil der Vortrag so humorig und gut gemacht ist, überhöre ich die leise Stimme in meinem Kopf, die mir ständig etwas zuflüstern will.

Einige Stunden später erst verstehe ich, was diese Stimme mir sagen wollte: Zwar hätte ichs auf der Bühne nicht so gekonnt rübergebracht, aber inhaltlich hat der Knabe nichts anderes beschrieben als mein eigenes Online-Leben! Wie ich Kaufentscheidungen treffe, mit Unternehmen kommuniziere, was ich mir für Kommunikationskanäle erwarte, wie ich Informationen aus dem Netz einhole und wieder ins Netz zurückstelle, wie ich immer und überall online bin, … das alles war für mich unterhaltsam, weil ers lustig erzählt hat. Tatsächlich aber, netto und ohne Geschenkpapier, bleibt an trockenen Fakten nur eines übrig: mein tägliches Leben.

Eine Zeit lang fand ich das unglaublich komisch und mich selbst so jung, daß sie mich bei jeder Ü30-Party rausgeschmissen hätten. Ich, Oskar Welzl, der Prototyp der „Generation Y“. Ein junger Hupfer. Geistig so fit wie der 20jährige, der den Gastvortrag gehalten hat. (Alte Leute bezeichnen den übrigens als Keynote - Stichwort Glasperlen.) Ich hab mich schon nach Skateboards und modischen Käpplis umgesehen (online natürlich). Sooo begeistert war ich von mir!

Bis ich dann nach ein paar Tagen sicherheitshalber nachgesehen habe, was „Generation Y“ sonst noch so alles bedeutet … und mit dem Wissen kam die Ernüchterung. Die „Generation Y“ wird nicht in erster Linie durch ihre online-Affinität definiert, sondern durch ihr egoistisches und pragmatisches Verhältnis zu Konsum und Karriere. Wikipedia bezeichnet sie als Egotaktiker, die alle wichtigen Lebensentscheidungen nach den unmittelbaren Vorteilen und Nachteilen für die eigene Person und ihr Wohlbefinden abschätzen. Will ich so sein? Kann ich so sein? Sicher nicht.

Irgendeinen positiven, jugendlichen Begriff mußte es ja aber noch geben, der mich mit der Welt des freundlichen 20jährigen auf der Bühne verband? Meine Nachforschungen ergaben tatsächlich etwas: „Digital Native“. Das sind Menschen, die einfach mit den heutigen Online-Technologien aufgewachsen sind und sich gar keine Welt vorstellen können, in der man in eine Bibliothek mußte, statt einfach am Handy Wikipedia aufzurufen. Zumindest die jüngeren Vertreter der „Generation Y“ sind großteils auch „Digital Natives“. Paßt also. Auch der Fokus des Vortrags auf die Online-Nutzung, die mein eigenes Verhalten 100%ig widerspiegelt, gab mir neue Hoffnung: Ich bin zwar vielleicht nicht „Generation Y“-jung, aber doch sicher „Digital Native“-jung. Geistig agil und rege wie ein Jahrgang 1995!

Fast:

Wikipedia verrät nämlich: Der mit dem Begriff „Digital Native“ assoziierte Umgang mit neuer Technik und der Online-Welt ist keineswegs altersabhängig. Es gibt 15jährige, die auch heute so technikfern leben wie ich in diesem (biologischen) Alter. Auf der anderen Seite stehen 60jährige, die ohne ihr Smartphone und ihren Internet-Zugang nicht mehr lebensfähig wären. Heißt einerseits: Daß ein 20jähriger und ich den gleichen Umgang mit Internet und sozialer Vernetzung darin pflegen, darüber hinaus auch die gleichen Ansprüche an Unternehmen daraus ableiten, ist eh lieb - aber nicht weiter erwähnenswert, weil weder er noch ich uns dadurch besonders auszeichnen. Es macht mich nicht jünger, weil Technikaffinität und die Art des Umgangs mit dem Netz keine Funktion des Alters sind. Heißt andererseits auch: Es wächst keine neue Generation von Kunden heran, an die man sich anpassen muß. Es gibt einfach nur neue Kommunikationswege, die immer intensiver genutzt werden. :)

Zack! Die Bäckchen hängen wieder nach unten. Keine Gesichtsstraffung mehr. Aber für einige Tage hat der verjüngende Effekt mir Freude bereitet. :)

 
ExExExChef (Gast) meinte am :
geh bitte...
...wie die ulli damals schon richtig gesagt hat, du bist maximal ein digital immigrant. digital native? du? *lol* 
ossi1967 antwortete am :
Das ist eben der Fehler!

Man darf den Marketingmenschen (Frau U. weiß, welches Wort ich eigentlich meine; sie hat es damals selbst geprägt) nicht die Deutungshoheit über Begriffe überlassen. Ich selbst saß diesem Irrtum ja auch lange auf. Bis Wikipedia mich eines Besseren belehrte. ;)