Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

MyTaxi statt Funktaxi-Zentrale: Erfahrungsbericht

MyTaxi-Icon Seit ziemlich genau einem halben Jahr verzichte ich auf die klassischen Funktaxizentralen und bestelle Taxis stattdessen über das Handy-Programm MyTaxi. (MyTaxi kurz erklärt: Fahrer und Fahrgast haben das MyTaxi-Programm am Handy laufen. Ein zentraler Server macht die Damen und Herrn am Taxifunk arbeitslos und vermittelt elektronisch zwischen Nachfrage und Angebot. Die rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich nicht von denen regulärer Taxivermittlungen.) Es ist also an der Zeit, einen kurzen Erfahrungsbericht abgzugeben.

Gleich vorweg: Ich bin zufrieden, sonst wär ich nicht so lange dabei geblieben. Deshalb sollte ich vielleicht den einzigen negativen Aspekt an den Beginn stellen, bevor ich noch ganz drauf vergesse: Bei einer Bestellung mit MyTaxi muß man - zumindest derzeit - mit längeren Anfahrtszeiten rechen. Ein über den klassischen Taxifunk bestellter Wagen steht in rund 4 Minuten vor der Haustüre, bei MyTaxi dauerts im Schnitt 7 Minuten und 15 Sekunden (das ist der exakte Wert aus dem Fahrtenbuch).

Die längere Wartezeit hat zwei Gründe: Einerseits gibt es (noch) weniger MyTaxi-Fahrer als solche mit herkömmlichem Taxifunk. Zweitens kann ein MyTaxi-Fahrer selbst entscheiden, ob er einen Auftrag annimmt oder nicht. (Beim Funktaxi wird der Auftrag dem nächsten Wagen zugewiesen.) Einige haben mir gegenüber recht freimütig erzählt, daß sie z.B. Aufträge ohne Barzahlung (zu den Zahlungsmöglichkeiten siehe weiter unten) ignorieren, selbst wenn der Kunde ums Eck wartet: Das Finanzamt muß nicht alles wissen.

Damit hätten wir die Nachteile des elektronischen Taxirufs auch schon ausführlich behandelt. Ehrlich gesagt: Damit läßt sich leben, man muß einfach nur ein paar Minuten früher bestellen (oder vorreservieren).

Wesentlich bedeutsamer sind die Vorteile:

  • Der Fahrer erhält die Adresse so, wie ich sie eingetippt habe - nicht so, wie die Tante bei der Funkzentrale sie durchs Telefon versteht. Das klingt trivial, behebt aber ein für mich bedeutsames Problem: In der Nähe meiner Wohnung gibt es eine Straße, die ähnlich klingt wie die, in der ich wohne. Es ist nicht erst einmal vorgekommen, daß Funkzentralen den bestellten Wagen dorthin geschickt haben. Als zusätzliche Hilfestellung wird ein kleines Symbol auf der Landkarte positioniert; das hilft, wenn es keine eindeutige Adresse gibt: „Vor dem Bahnhof Meidling“ zum Beispiel - diese einfache Aufgabe konnte die Dame vom Funk damals nicht lösen, was zu einem heftigen Wutausbruch meinerseitsgeführt hat.
  • Nach der Fahrt wird man aufgefordert, Fahrer und Auto mit je 1 bis 5 Sternen zu bewerten. Was mit diesen Daten genau passiert, legt MyTaxi nicht offen. Ich habe aber mitbekommen, daß in Deutschland Fahrer mit einer Durschnittsbewertung unterhalb eines Grenzwertes aus dem System geworfen wurden. Irgendwie muß diese Art der Qualitätssicherung auch in Wien funktionieren: Sowohl Fahrer als auch Wagen sind im Schnitt deutlich akzeptabler als das, was die Wiener Funkzentralen ihren Kunden teilweise zumuten.
  • Was die oben erwähnte Wartezeit deutlich entschärft: Nach der Bestellung sieht man in Echtzeit die Position des Taxis am Stadtplan und die geschätzte Zeit bis zur Ankunft. Das bringt den Fahrer nicht schneller zu mir, aber es macht einen großen Unterschied, ob ich im Regen stehe und warte … oder ob ich am Handy sehe, daß mein Wagen noch am Gürtel im Stau steht und ich noch nicht mal die Schuhe anziehen muß.
  • Ebenfalls während der Wartezeit aufs Taxi sinnvoll: Fahrer und Fahrgast können direkt aus dem MyTaxi-Programm heraus miteinander Kontakt aufnehmen, entweder per Anruf oder per SMS. Die Fahrer nutzen das auch tatsächlich: Entschuldigung, hier ist Ihr Taxifahrer. Vor mir steht die Müllabfuhr und ich kann nicht ausweichen. Möchten Sie trotzdem auf mich warten oder einen neuen Wagen suchen? Ich hab gerne gewartet und für diese höfliche Warnung Extrapunkte bei der Bewertung vergeben. Aber auch umgekehrt ist diese Möglichkeit sinnvoll: Sie müssen um den Block fahren und von oben in die Nebenfahrbahn einbiegen war eine nützliche Hilfestellung an den Taxler, der die Einfahrt zum Büro nicht gefunden hat.
  • Auf Wunsch erfolgt die Zahlung direkt über die MyTaxi-Applikation. Der Fahrer gibt den Fahrpreis auf seinem Handy ein, ich ergänze auf meinem Telefon mit einer von drei vorgegebenen Prozent-Schaltflächen das Trinkgeld (oder auch nicht) und bestätige. Das wars. Keine Scheine, kein Wechselgeld, kein Prozentrechnen fürs angemessene Trinkgeld, kein Warten auf die Rechnung (die kommt als PDF per E-Mail). Für diese Form der Zahlung muß ich meine Kreditkarte bei MyTaxi hinterlegen und den Zahlungswunsch schon bei der Bestellung mit angeben. Wie oben erwähnt: Mache Fahrer lassen sich davon abschrecken, aber die Vorteile überwiegen.
  • Mit MyTaxi läßt sich die Intelligenz der Masse nutzen: Neben diversen anderen Sonderwünschen bei der Bestellung (Umwelttaxi, Kombi, Botenfahrt, …) lassen sich auch ausdrücklich Fahrer bevorzugen, die von anderen Kunden mit 5 Sternen bewertet wurden.
  • Wer sich, wie ich, nicht auf die Bewertung anderer verlassen möchte, nimmt die Dinge selbst in die Hand: Wenn bei einer Fahrt wirklich alles perfekt war, vergebe ich nicht nur 5 Sterne, sondern speichere den Fahrer auch als „Stammfahrer“ ein. Bei der nächsten Bestellung kann ich den Sonderwunsch „Stammfahrer bevorzugen“ angeben: Der Auftrag erscheint dann 20 Sekunden lang nur auf den Displays meiner persönlichen Privatflotte und wird erst dann für andere freigegeben, wenn keiner von ihnen in der Nähe ist bzw. den Auftrag innerhalb dieser Zeit annimmt.

Alles perfekt also bei MyTaxi? Nein, zwei kleine Wünsche hätte ich noch. Einerseits würde ich mir wünschen, einzelnen Fahrer blockieren zu können - eine negative Stammfahrer-Liste sozusagen. Die ganz schlimmen Fälle sind bei MyTaxi wirklich die Ausnahme und es ist sinnvoller, diese Negativ-Ausreißer auszusortieren, als sich aktiv eine Liste mit besonders guten Fahrern aufzubauen. Mein zweiter und dringenderer Wunsch ist eine Version des Programms, die ohne Google Play Services auskommt, also auf purem Android basiert. Die würde dann nämlich auch am Jolla Phone laufen.

 
Deep_Blue meinte am :
Klasse App
Hört sich sehr gut an.

Das Gefährliche an solchen Dingen die unser Leben enorm erleichtern ist halt nur, dass sie alle Arbeitsplätze kosten.
Bald wird niemand mehr die grantigen Damen vom Taxifunk brauchen.

Ach ja, ein neuer Anbieter ist in der Stadt für Car Sharing.
"Drive Now" ich habe die Aktion mit 0 Euro Anmeldung genutzt.
Da kann man dann Minis und BMW´s fahren, eine kostengünstige Alternative zum Taxi. 
ossi1967 antwortete am :
Jaja, die Damen vom Taxifunk

Daß ausgerechnet Du als Verfechter des rücksichtslosen Anarchokapitalismus plötzlich Krokodilstränen um verlorene Arbeitsplätze weinst, ist natürlich besonders überzeugend. :)

Ist DriveNow nicht sowas wie car2go, nur mit größeren Autos? Car2go hätt ich ja eh auch … ich finds nur nicht so komfortabel, selbst fahren zu müssen. Autofahren ist was für Leute, die sich kein Personal leisten können. (Grüße aus der U-Bahn!) *LOL*

 
Deep_Blue antwortete am :
total falsch
Du siehst das total falsch,

Ich sichere Arbeitsplätze in

der Autoindustrie
der Automobilersatzteilinsdustrie
der Automobilzulieferindustrie
der Mineralölindustrie
usw.usw.

Und was machst du ?
Du forderst die Menschen dazu auf, ein paar unterbezahlten Telefonistinnen, die sich ihr Leben gerade so leisten können, die Jobs weg zu rationalisieren.
Nur damit du ein bequemes Leben hast.

Ist jetzt wieder einmal typisch und muss nicht näher kommentiert werden :-)

Ja, ist fast das Gleiche wie Car2Go, nur andere Autos halt.
Habe mich nur angemeldet um im Ernstfall ein paar hundert Autos mehr zur Verfügung zu haben.
So steht dann sicher eines in der Nähe. 
ossi1967 antwortete am :
Gutmensch

Ich wußte ja gar nicht, daß Du so ein Gutmensch bist. *LOL*

 
Hase II (Gast) antwortete am :
Gestern ausprobiert und zufrieden!
Habe mir gestern nach deinem Bericht die App wieder runtergeladen (hatte ich schon mal, aber da war es noch mit Kinderkrankheiten behaftet) und es hat wunderbar funktioniert. Ich find's großartig. Mit dem Taxier haben wir dann über die arbeitslosen Damen in der Funktaxizentrale geredet. Der hat dann gemeint, es sei höchst an der Zeit, dass diese überheblichen Kreaturen alle arbeitslos werden! :-) Dann hat er erklärt, warum: Die Taxier zahlen 3000 Euro pro Jahr nur für den Funk an die Zentrale, und pro Fahrt dann nochmal extra (ich glaub 1,5 Euro, oder so). Dafür werden sie von den netten Kolleginnen behandelt wie Bittsteller. Mit MyTaxi zahlen die Taxier natürlich auch an das Unternehmen MyTaxi pro Fahrt, aber mit den ganzen programmierten Services rundherum sei das allemal besser. Und jetzt, wo 40100 und 31300 merken, dass Ihnen die Taxier reihenweise davonlaufen und zu MyTaxi gehen, wollte der 40100 Chef per Gesetz eine Zwangsfunklizenz einführen :-)) Ja, das ist Österreich. Wenn die Felle davon schwimmen, dann werden die Leute kreativ.

Schon sehr interessant, wenn man mal so hinter die Kulissen blicken kann. Es war auf jeden Fall sehr unterhaltsam und der Herr Wassermann ist jetzt schon auf meiner Stammfahrerliste. Und das Bezahlservice werde ich jetzt auch anmelden und beim nächsten Mal dann brauch ich gar kein Bargeld mehr.

Aber das beste is ja überhaupt, dass man sich jetzt nicht mehr blamieren muss, wenn man mal ein oder fünf Gläser zu viel getrunken hat und die Abholadresse nur noch ins Telefon lallen könnte … ist nicht mehr nötig :-) Der Taxier kommt per Knopfdruck und wenn man vorher schon die Zieladresse eingibt (mit Fahrpreisberechnung), dann weiß der Taxler sogar schon wohin er mich bringen soll. Ich kann also so tun, als hätte ich Zahnweh und könne nicht sprechen. Und Verarschen, in dem der Taxier 3 mal ums Eck fährt, kann er mich auch nicht, weil ich ja vorher schon weiß, wie viel es ausmachen darf. *gg* 
ossi1967 antwortete am :
@Hase II

Yup, der Taxler und seine Funkzentrale, das ist eine komplexe Geschichte. Da hab ich auch schon viele Einzelschicksale hören dürfen. *gg*

Ich hab nachgelesen: MyTaxi fährt in Wien seit 2011 - und erst seit diesem Sommer (so circa) erzählen mir die Fahrer, daß das Geschäft mit der App deutlich anzieht. Früher wars eher so ein Zubrot für funklose Taxler; vom Funk zu MyTaxi zu wechseln, dafür gabs keinen Anreiz. Dazu läuft das Geschäft mit dem Funk zu gut, da läßt man sich schon so einiges gefallen. (In dem Artikel, den ich grad ergoogelt hab, stand drin, daß Anfang 2013 nur ca. 2-3 Prozent der Aufträge in Wien über MyTaxi gekommen sind.)

Aber, wie gesagt, die Benutzerzahl steigt, es sind jetzt ein paar Hotels dazugekommen, die's nutzen, und ich bin letztens erstmals mit einem gefahren, der wirklich vom Funk auf MyTaxi umgestiegen ist, weil er sich nicht mehr pflanzen lassen will. Das ist der Punkt, an dem die Funkzentralen aufmerksam werden sollten: wenn ihnen nicht nur Kunden abhanden kommen, sondern auch Fahrer.

Übrigens, bzgl. 3x ums Eck fahren: Angeblich kann MyTaxi bei einer diesbzgl. Beschwerde sogar nachvollziehen, wie der Taxler gefahren ist, weil die GPS-Daten weiter übertragen werden während der Fahrt. Hat mir ein Fahrer erzählt. Im Gegensatz zum normalen Taxi würde es also sogar belegbar sein und sich auszahlen, wertvolles Kundenfeedback zu geben. ;)

 
schlosser antwortete am :
Ich fand's toll.
Bin ja gestern mitgefahren, mit dem Hasen2 und meinen Oldies. Wir alle haben's genossen. Und: Wir haben unseren ersten 'Fünf-Sterne-Mann'!! :-) Wer kann unter der Woche gschwind sowas kriegen? *gg*
Er hat uns jede Menge wertvolle Informationen gegeben, die wir aufmerksam und dankend angenommen haben.

Taxifahren kann *wirklich* spannend UND erholsam sein. :o)