Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

OÖ: Schwarz und Blau schüren Haß und Neid

Es ist dies die traurige Fortsetzung des Artikels „Die dreckige Politik der ÖVP“ vom Februar: In Oberösterreich hat die ÖVP heute das soziale Netz für jene Menschen durchschnitten, die aufgrund der von der ÖVP selbst verantworteten Gesetzeslage ins Land geholt wurden. Erst Asyl gewähren, dann verhungern lassen lautet die Devise. Die Verordnung, die dazu heute im Landtag beschlossen wurde, ist dabei inhaltlich ein Sieg der ÖVP. Von der reichlich bizarren Formulierung her kann die FPÖ sie blendend an ihre Klientel verkaufen, die sich ja reichlich wenig um tatsächliche Fakten schert. (Was ich übrigens heute beim Mittagessen mit meiner Familie erleben durfte. Fremdschämfaktor 180. Es war zum Unter-den-Teppich-Kriechen.)

Was man getan hat und warum?

Was hat man gemacht? Unter dem Vorwand, die Finanzierbarkeit des Sozialsystems erhalten zu müssen, hat man die Mindestsicherung von € 914,- auf € 520,- gekürzt. (Das Argument ist hanebüchen. Ich wiederhole mich, aber einige habens noch immer nicht begriffen: Die Mindestsicherung macht 1% des Sozialbudgets aus. Sie ist ganz sicher keine Stellschraube, die aufs Gesamtsystem Einfluß hat.)

Hat man die bedarfsorientierte Mindestsicherung für alle gekürzt? (Wegen der Finanzierbarkeit des Sozialsystem warats.) Nein. Die Kürzung gilt nur für jene, die sich aufgrund eines positiven Asylbescheids in Österreich aufhalten, die also gerade erst aus der staatlichen Grundversorgung gefallen sind und exakt gar nichts haben.

Glaubt man selbst an das Märchen von Kollaps des Sozialsystems? Nein. Die Bundes-ÖVP gibt offen zu, worums wirklich geht: Die Attraktivität Österreichs als Zielland für Flüchtlinge muss gesenkt werden, sagt ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in diesem Zusammenhang. Das also ist die wahre Intention. Grundsätzlich wär das für sich allein noch nichts Verwerfliches - es ist halt einer von vielen möglichen Standpunkten in der Debatte. Verwerflich, ja geradezu grauslich ist es aber, wenn die Partei, die im Bund seit 1987 und auf Landesebene seit 1945 ununterbrochen an der Macht ist, einerseits die rechtlichen Rahmenbedingungen für die gegenwärtige Immigrationswelle verantwortet, weil sie sich willigere Arbeitskräfte verspricht, andererseits aber den ins Land geholten Billigarbeitern die Sozialhilfe verweigert.

Ein kleiner (aber für die ÖVP wesentlicher) Nebenaspekt der Neuregelung ist in der öffentlichen Diskussion völlig untergegangen: Der sogenannte „Jobbonus“. Die Rechnerei ist kompliziert, unterm Strich läuft diese Neuregelung aber darauf hinaus, daß der Steuerzahler die von Unternehmen bezahlten Niedrigstlöhne noch stärker subventioniert als bisher. Derzeit wird ein Niedriglohn-Bezieher maximal bis zur Obergrenze der Mindestsicherung „aufgestockt“. 60% aller Bezieher von Mindestsicherung sind solche „Aufstocker“. In Zukunft wird mit Aufschlägen und Deckelungen gerechnet, sodaß unterm Strich bei noch niedrigerer Lohnzahlung ein höheres Einkommen für den Arbeitnehmer herausschaut, finanziert durch den Steuerzahler. Die Wirtschaft freuts, und geht's der Wirtschaft gut, kommt uns meistens das Abendessen hoch.

Was verkauft man den Wählern?

Vor allem die FPÖ, die den Schwarzen hier den Steigbügelhalter gemacht hat, nutzt die eigentümliche Konstruktion der Verordnung für massive Propaganda an „ihre Leute“. Auf nur mehr € 365,- habe man die Mindestsicherung für die pöhsen Ausländer gekürzt, jubelt der oberösterreichische FPÖ-Chef Haimbuchner. (Es ist bezeichnend für die Widerwärtigkeit seiner Anhänger, wenn man bei ihnen punkten kann, indem man sich als noch gewissenloser darstellt, als man ist.) Die Differenz zwischen den von der FPÖ verkauften € 365 und den in den Medien genannten € 520,- erklärt sich durch ein angebliches „Bonussystem“ für erfolgreich Integrationsbemühungen, das nochmal bis zu €155,- bringt. Haken an der Sache aus Sicht der betrogenen FPÖ-Wähler: Dieser „Bonus“ muß nicht erarbeitet werden. Man nimmt die Voraussetzungen einfach als gegeben an und beginnt die Auszahlung mit dem Höchstbetrag. Erst wenn der Mindestsicherungsbezieher böse war und z.B. eine ihm zumutbare Arbeit nicht angenommen hat, kann der Bonus fallen. Was natürlich niemand weiß: Schon nach dem alten System war in diesem Fall eine Kürzung auf 50% möglich, in Ausnahmefällen sogar die komplette Streichung der Mindestsicherung.

Was kommt am Stammtisch an?

Normalerweise beziehe ich mein Wissen über die Meinung an den Stammtischen ja ausschließlich aus den Facebook-Auftritten rechtsextremer Polit-Hetzer und aus den Meldungen von Herrn Blue. Heut aber hatte ich - naja, „Glück“ irgendwie. Aus quasi journalistischer Sicht. Menschlich wars ein Schlag in die Magengrube. Ich durfte nämlich auch beim Mittagessen live miterleben, wie der Stammtisch die Neuregelung beklatscht. Folgende - räusper - „Argumente“ habe ich teils hier, teils da gesammelt:

  • Für was brauchen die € 914,- im Monat, die zahlen ja nicht einmal Miete. - Ja, eh. Sobald ein Asylwerber den positiven Bescheid in der Hand hat und damit aus der staatlichen Grundversorgung fällt, werfen in ganz Oberösterreich Vermieter ihre Luxusdomizile auf den Markt und prügeln sich darum, sie gratis anbieten zu dürfen. (Kleines Detail am Rande: Im unwahrscheinlichen Fall, daß jemand wirklich keine Wohnungskosten zu tragen hat, fallen generell 25% der Mindestsicherung weg. Das gilt unabhängig vom Bundesland.)
  • Die haben ja gar keine Ausgaben, nicht einmal ihr Essen müssen sie bezahlen - Das also verstehen die Leut unter bargeldloser Bezahlung: Asylbescheid an der Billa-Kasse herzeigen und schon ist alles gratis. Mal ernsthaft: Geht's noch? Wie reimt man sich sowas zusammen?
  • Was wollen sie denn noch? Die kriegen alle gratis Handys! - Ich glaub dazu gabs vor gefühlten 150 Jahren schon eine A1-Presseaussendung. Unglaublich, wie langlebig der Facebook-Schwachsinn ist.
  • Ein österreichischer Mindestpensionist bekommt viel weniger, der kommt nie auf € 914. - Doch, kommt er. Sogar auf mehr, auf € 1030,- nämlich. Auch wenns zunächst nicht so klingt (die kleine Pension mit Ausgleichszulage wird überall mit € 882,78 angegeben): Pensionsauszahlung ist nun mal 14x pro Jahr, Mindestsicherung gibt's nur 12x. Runtergebrochen aufs Kalendermonat haben die Pensionisten um über € 100,- mehr.
  • Egal für wen, € 914,- wären sowieso zu hoch für jemanden, der nicht arbeiten will. - Die Frage stellt sich nicht. Wer nicht arbeiten will, fällt zurück auf € 457,-. 50% Abschlag bei Verweigerung einer zumutbaren Tätigkeit. Weil 60% der Mindestsicherungsbezieher erwerbstätig sind und nur „aufstocken“ müssen, liegt der durchschnittlich ausbezahlte Betrag bei € 320. Das gedankliche Festkrallen an € 914,- im Monat (was für die meisten mangels besseren Wissens bedeutet: € 914,- 14x im Jahr) ist ein Ergebnis der haßerfüllten FPÖ-Hetze, die Mindestpensionisten gegen Mindestsicherungsempfänger kämpfen läßt.

Ich zerbrech mir noch den Kopf darüber, wie Teile der hier zitierten Facebook-Propaganda bei mir zhaus zu Leuten kommt, die nichtmal Internet haben. Meine derzeitige Theorie: Die Kronen Zeitung mit ihren sogenannten „Leser“-Briefen einerseits und die stille Post im Freundeskreis andererseits. Irgendein Sohn von einem Freund der Friseurin wird ja wohl Facebook lesen … Die Antwort auf meine Frage nach der Quelle der Gratishandy-Behauptung war jedenfalls reichlich dubios. *schauder*