Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

Blind für eine Stunde

Man zahlt € 18,- dafür, daß man eine Stunde lang in absolute Finsternis gesperrt wird und wirklich gar nichts sieht. Was zunächst nicht besonders prickelnd klingt, nennt sich „Dialog im Dunkeln” und ist eine ausgesprochen interessante Führung durch die Welt blinder und sehbehinderter Menschen.

Besucht haben wir diese besondere Form der Ausstellung heute aus Anlaß unserer ganztägigen Klausur. Ich muß sagen: absolut empfehlenswert. (Die einstündige Führung mein ich jetzt, nicht unsere Klausur.) Man darf sich nur nicht schon im Vorfeld durch die in höchstem Maße unprofessionelle, unflexible, ja fast schon unfreundlichen Art des Umgangs mit der zahlenden Kundschaft im Rahmen der Reservierung abschrecken lassen. Sobald man nämlich im zweiten Kellergeschoß unterhalb des Schottenstiftes angekommen ist, ist alles wunderbar und man wird bestens und freundlichst umsorgt.

Für den rund einstündigen Rundgang durch die wirklich pechschwarze Dunkelheit vertraut man sich einem blinden Führer an, dem man tatsächlich auch erst im Dunkeln das erste Mal begegnet. Man hat also erst nach dem Ende des Programms die Möglichkeit, der dann bereits vertrauten Stimme ein Gesicht zu geben. Allein das ist in höchstem Maße gewöhnungbedürftig, denn: Ohne diesen Führer ist man da unten rettungslos verloren. Man muß ihm vertrauen, auch wenn man nichts als seine Stimme kennt. Gottseidank sind sich die Leute dort dieser Verantwortung auch bewußt.

Alles, was Licht erzeugen könnte, gibt man zu Beginn ab: Handys, Uhren, MP3-Player … Stattdessen bekommt man einen Blindenstock in die Hand gedrückt und eine kurze Unterweisung, wie man ihn am sinnvollsten benutzt. Dann gehts los: Mit verschiedensten Effekten wird ein unglaublich realistischer Eindruck verschiedenster Umgebungen gezaubert. Der Park, eine Brücke über den Bach, ein Geschäft, eine stark befahrene Kreuzung, eine Bootsfahrt … es war alles so echt, ich hab am Boot verzückt den Oberkörper mit den Wellen mitbewegt und mein Gesicht in den Wind gehalten.

Sehr, sehr überraschend war für uns alle, wie wir auf die ganze Situation reagieren. Am Anfang wars einfach nur beklemmend. Es gab zu Beginn Situationen, da hab ich mich kaum mehr getraut den nächsten Schritt zu gehen. Das legt sich aber sehr rasch und man lernt, sich an den Geräuschen der restlichen Gruppe zu orientieren und dem Taststock und den Händen zu vertrauen. Gegen Ende hatte ich auf geraden Wegstücken fast schon wieder meine normale Schrittweite drauf. :)

Sehr schwer gefallen ist mir das Ertasten von Gegenständen, wenn so gar kein Kontext da war. Ich hatte irgendetwas zwischen meinen Händen und war außerstande zu sagen, ob es ein Küchengerät, ein Stück Unterhaltungselektronik oder ein Werkzeug aus dem Hobbykeller war. Ebenfalls extrem schwer: Der Umgang mit lauten Umgebungsgeräuschen, die das orientieren an den Geräuschen der anderen Teilnehmer sehr erschweren und kurz das Gefühl aufkommen lassen, tatsächlich völlig allein auf einem weiten Platz zu stehen.

Den Abschluß bildet eine Plauderrunde an der (ebenfalls dunklen) Bar, wo man sich bei Schartner Bombe oder Sekt Orange mit den Führern unterhalten und auch untereinander Gedanken austauschen kann. Wir haben übereinstimmend festgestellt: Die Zeit ist sehr schnell vergangen (kein Mensch hätte das auf eine Stunde geschätzt) und wir waren müde und erschöpft. Offenbar fordert die ständige Konzentration ihren Preis.

(Etwas spooky war auch, an der Bar mit echtem Geld zu bezahlen und irgendetwas zu trinken, was man nicht sehen kann. Ich hab mir einfach irgendeine Münze aus der Geldtasche gezogen, die ich für ein 2-Euro-Stück gehalten habe. Das war der genaue Preis des Getränks und die Münze war wohl die richtige. Hätte ich keine Münzen gehabt, hätte ich mit dem 50-Euro-Schein zahlen und das Wechselgeld im wahrsten Wortsinn „blind“ wieder einstecken müssen. Das ist dann plötzlich doch etwas anderes, als einige Minuten zuvor im Pseudo-Geschäft Pseudo-Waren zu ertasten …)

Ich kanns nur empfehlen. Alternativ zur bloßen Führung gibts übrigens auch Programme mit Abendessen oder Frühstück. Ich kann mir nach der heutigen Erfahrung nicht vorstellen, wie ich die Marmelade auf die Semmerl kriegen sollt … :)

 
Hans-Georg (Gast) meinte am :
Essen im Dunkeln
Die Steigerung ist das Menü im Dunkeln, kann man in Hamburg dazubuchen. 
ossi1967 antwortete am :
Ja, dürft eh die gleiche Gschicht sein

Also von den Infos her, die auf der Homepage stehen, ist das eh 1:1 die gleiche Gschicht wie in Wien. Nur, wie gesagt: Das Essen wär mir zu stressing. Allein schon deswegen, weil ich jedes Essen einer genauesten Prüfung unterziehe am Teller und alles rausfitzl bzw. stehen lasse, was nicht zu 100% meinen Vorstellungen entspricht. Einfach irgendwas in den Mund zu schieben und nicht zu wissen, was es ist … dann womöglich erst beim Kauen zu bemerken, daß da ein Stück vom Fleisch schwabbeliger ist als der Rest … Nein, nein, nein, das wär nix für mich.