Oskar Welzl: Weblog zur Homepage

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Kinderbücher satt

Nöstlingers „Lillis Supercoup“ auf türkisch Was für ein lustiger Tag. Zuerst doppelte Feierlaune beim Plachutta (Uneinholbar, sagt er, uneinholbar!). Danach zeigt mein Handy eine gaaanz entzückende Mail aus dem siebten Bezirk mit drei personalisierten Cin-Ali-Hörbüchern an. (Die gibts auf der ganzen Welt nur ein Mal. Alles meins!) Und beim Heimkommen überrascht mich dann die blonde Nachbarin von gegenüber beinfrei im legeren Couch-Outfit: Ein Päckchen für mich!

Jetzt ist es so: Ich hab ja schon mal „Überraschungspäckchen” von Amazon erhalten, weil ich total vergessen hatte, daß ich dort selbst was bestellt hab. (Die Freuden des Alters: Man kann sich selbst was schenken und weiß bis zum Öffnen der Verpackung nicht, was drin ist.) In diesem Fall war ich mir aber ziemlich sicher, daß ich keine Lieferung erwarte. Was also …? Und vor allem: Wer also …?

Der Schlosser wars. Er hat einen Kommentar vor mir in seinem Blog zum Anlaß genommen, mir Christine Nöstlingers Buch „Lillis Supercoup“ zu schenken. Empfohlen für ca. 10-11jährige Kinder. Das heißt in dem Fall: Empfohlen für 10-11jährige türkische Kinder. Der Herr Schlosser hat mir die Nöstlinger nämlich in der türkischen Übersetzung geschenkt. Daß es sowas überhaupt gibt!

Ich bin sehr glücklich. Wegen allem heute. A bisserl Cin Ali hören, a bisserl Wahlberichterstattung schauen, das Pfeffersteak nochmal hochrülpsen, Nöstlinger beschnuppern (hui is das schwer!) … doch, ich glaub ich bin versorgt. ;)


Kreuzerl gmacht

Der widerwärtigste Wahlkampf hat endlich ein Ende. Ich hab mein Kreuzerl gemacht und werde mich heute Abend biedermeierlich von der gehobenen Systemgastronomie verwöhnen lassen, statt die Wahlberichterstattung im Fernsehen zu verfolgen. (Die neue Biedermeierlichkeit, der Ekel vor dem Lügenwahlkampf hat sich ja in diesem Blog schon abgezeichnet, nicht? Kein Wort zu Trump, keine Reaktionen auf die immer dreister werdenden Behauptungen aus dem Hofer-Lager.)

Die mittlerweile berühmte Frau Gertrude hat schon völlig richtig gesagt: Was ist das nur für eine Politik, die nicht das Beste, sondern das Schlechteste im Menschen zu kultivieren und als Waffe einzusetzen versucht? Nie zuvor war der rechte Mob so gewalttätig und enthemmt, waren die Lügen so unverschämt und die Vertierung so offensichtlich. Das ist Norbert Hofer und seiner Partei nicht einfach „passiert“, das wurde bewußt forciert.

Wenn da zu Beginn der Punschzeit, mitten im Wahlkampf, die Falschmeldung lanciert wurde, die Grünen würden für ein Alkoholverbot für Fußgänger eintreten, dann war das nur die harmlose Variante der Lügenmärchen. Härter waren die erfunden Vergewaltigungen von Kindern durch Flüchtlinge. (Wobei mich noch mehr als die rechte Medieninszenierung schockiert, daß es offenbar Eltern gibt, die ihren unmündigen Töchtern aus politischen Gründen im Detail erklären, was sie bei der Polizei aussagen müssen, damit die Vergewaltigung glaubhaft erscheint.)

Das wirklich Erschreckende sind aber die gefährlichen Drohungen, die Hofer-Wähler am laufenden Band gegen politisch Andersdenkende äußern. Da werden Morde durch Erschießen oder öffentliches Erhängen angekündigt, weiblichen Politikern eine Gruppenvergewaltigung gewünscht, öffentlich deklarierten Van-der-Bellen-Unterstützern eine Kastration mit zwei Ziegelsteinen angedroht …

Hätte man diese Verrohung noch 2005 bei Fischer gegen Ferrero-Waldner für möglich gehalten? Oder 1992 bei Klestil gegen Streicher? Niemals. Verantwortlich dafür sind die Strache-FPÖ und Norbert Hofer. Sie haben den Pöbel aufgepeitscht und zu dem gemacht, was er ist. Hofer als möglicher Bundepräsident macht mir Angst, Strache als möglicher Bundekanzler macht mir Angst. Am meisten aber fürchte ich mich vor dem Mob, der diese Partei wählt. Das sind einfach böse, charakterlose Kreaturen.

Früher hatte ich noch so etwas wie Mitleid mit ihnen, weil sie nicht merken, wie sie sich von einem dem Großkapital verschriebenen Machtapparat gegen ihre eigenen Interessen mißbrauchen lassen. Mittlerweile ist dieses Mitleid weg: Wer so tief gesunken ist, daß für ihn der öffentliche Aufruf zu Mord, Körperverletzung und Vergewaltigung ein selbstverständliches Mittel der politischen Auseinandersetzung geworden ist, hat weder Mitleid noch Respekt verdient. Ebensowenig hat diesen Respekt verdient, wer die entsprechenden politischen Kräfte stärkt, ohne selbst aktiv zur Gewalt aufzurufen oder Lügen zu erfinden. Es gibt eine rote Linie, ab der man sich von einer Gruppierung deutlich distanzieren muß. Diese Linie ist bei der FPÖ seit Jahren überschritten.


Jolla: Eine Smartwatch mit SailfishOS

Nein. ;) Jolla ist nicht auf die Idee gekommen, eine Smartwatch mit SailfishOS auf den Markt zu bringen. Zumindest ist da zum jetzigen Zeitpunkt nichts geplant.

Trotzdem konnten die Finnen die Smartwatch mit ihrem Betriebssystem präsentieren. Auf der Slush 2016 wurde ein Prototyp gezeigt, um die Anpassungsfähigkeit und Skalierbarkeit von Sailfish zu demonstrieren. Angeblich hat es nur wenige Wochen gebraucht, um die existierende Version auf den kleinen Smartwatch-Bildschirm anzupassen. Das Ergebnis kann sich absolut sehen lassen. Im aktuellen Blog-Eintrag von Jolla gibts Bilder und ein Video zum Prototypen.

Mich persönlich reizt dieser Gerätetyp an sich ja so überhaupt nicht. Ich bin einfach zu froh, keine Armbanduhr mehr tragen zu müssen. Ich finds aber sehr spannend zu sehen, wie Sailfish sich einerseits auf größeren Geräten (Tablet) und nun eben auch auf Mini-Displays (Smartwatch) macht. Wenn die Entwicklung wirklich nur ein paar Wochen gedauert hat, bin ich schwer beeindruckt.


Vorbeugendes Frühstück bei Gregor

Damit der Herr Gregor nicht traurig ist wegen meiner linzertörtlichen Integrationsverweigerung (der Schlosserbub hatte ja gestern diesbezüglich Sorgen geäußert), bin ich heute quasi vorbeugend zum Frühstücken hergekommen. Joghurt mit eckten Fruckten und a Eierspeis. Wie im Hotel, wo das Frühstück ja bekanntlich das Schönste am ganzen Urlaub ist. (Allerdings hätte ich das Buffet dort wahrscheinlich schneller leergeräumt. Servicetechnisch war das heut noch nicht der Höhepunkt. Dafür war das Essen ein echtes Highlight an diesem trüben Tag. So bunt und so frisch und so knackisch... Mhm! Ich könnt gleich nochmal …*gg*)

Die vom Schlosser vorgeschlagene Test-Linzertorte hab ich dann doch bleiben lassen. Irgendwie verursacht allein der Gedanke daran in der Früh Sodbrennen. (Drum hab ich auch nicht geschaut, ob es überhaupt eine gegeben hätte.)

PS: Hat der Chef des Hauses mich beim Rausgehen doch glatt abgefangen unter Bezugnahme auf mein Blog. Er meinte dann aber auch: Eine Linzer Torte (Wenn man sowas denn mag … - die Stichelei hat er nimma runterschlucken können *gacker*) ghört beim Jindrak gekauft, keine Frage. Noch dazu, wenn man selber aus Linz kommt. Mit Integrationsverweigerung hat das nix zu tun. Na eben, die Bestätigung vom Fachmann!)


SOKO Donau auf unserem Grundstück

Im April hab ich schon mal drüber geschrieben: Das Team von Soko Donau hat das Grundstück meiner Eltern am Mondsee besucht, um ein paar Szenen für die Folge „Ausgeklinkt“ zu drehen.

Ausgestrahlt wurde der Krimi gestern. Zwar konnte ich ihn nicht live sehen, weil wir ja eben zum Abendessen eingeladen waren. In der ORF-TVThek gibts das Ding aber jetzt rund eine Woche zum Nachsehen. Für mich überraschend: Es ist nicht nur eine 20-Sekunden-Einstellung geworden, sondern es gab tatsächlich gleich mehrere Schlüsselszenen, die „bei uns“ gespielt haben. Sehr lustig, Mamas Küche im Fernsehen zu sehen und zu erleben, wie die Polizei einen Tatverdächtigen bei uns abfängt.


Vier Menschen, drei Sprachen

Wundergutes und supernettes Abendessen zwischen Yayla Tarhana Çorbası und Linzer Torte, zwischen ellerine sağlık und dankeschön. Herr E. und Frau Ö. hatten zum Abendessen geladen. Allein der „Sprachkonfiguration“ wegen war ein unterhaltsamer Abend zu erwarten: Immerhin gabs drei Sprachen zur Auswahl, die mehr als einer der Anwesenden sprechen/verstehen konnte. Je nachdem, wer gerade wem was sagen wollte (und inwieweit es für die anderen bestimmt war *gg*), wurde Englisch, Türkisch oder Deutsch zur Verkehrssprache.

Großartig war das Essen - exakt mein Geschmack! Die Tarhana Çorbası (Mollich!) von Herrn E.'s Mutter war gerade der richtige Auftakt für den Winterabend. Exotisch für unsere Gaumen, aber gerade deshalb ausgesprochen begeisternd. Danach: appetitlich gebratenes Henderl mit einer knackigen Gemüsemischung, grünen Nudeln und Salat. Mjamm! Zu guter Letzt die bereits erwähnte Linzer Torte mit nach türkischer Art zubereitetem çay. (Was, nebenbei bemerkt, perfekt harmoniert. Wer hätts gedacht. *gg*) Übrigens: Die Linzer Torte wird 1653 erstmals urkundlich erwähnt. Es ist also durchaus denkbar, daß die osmanischen Gäste während der zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 in eine pastane mit dem Traditionsgebäck eingekehrt sind.

Sehr unterhaltsam auch die Gespräche zwischendurch. Da gings um den Kaffeeanbau in der Türkei (über den man sich ewig lang trefflich unterhalten kann, um dann am Ende draufzukommen, daß es ihn gar nicht gibt); um Ethanol als Gegengift bei Methanolvergiftungen (sehr tröstlich!); wieder einmal (wie letztens beim Herrn Schlosser drüben) um die Schattenseiten konventioneller Landwirtschaft, vor allem industrieller Fleischproduktion; um Übersiedlungen von mehreren tausend Büchern mit und ohne Lift; um den Unterschied zwischen „zwei Katzen“ und „eine Katze und noch eine“ (durchaus nachvollziehbar); um des Schwabl-Kellners Spaß an unserer ehelichen Kommunikationsverweigerung; leider auch um die erschreckenden Parallelen zwischen Erdoğans AKP und Straches FPÖ; … zum Ausgleich aber dann auch wieder um Shelly und Penny aus TBBT, in denen wir uns auf wunderbare Weise wiedererkennen. :)

Wir bedanken uns ganz sakrisch für diesen wirklich gelungenen Abend. Blöd gelaufen für die Gastgeber: Weils so nett war, ist unser Zeitgefühl ganz leicht durcheinander geraten. Wie wir uns so gegen 22:00 Uhr verabschiedet haben, wars ihn Wahrheit schon dreiviertel zwölf. Sorry dafür. Aber: SSKM, man muß es ja auch nicht so gemütlich machen für uns. *LOL*


Jolla: Sailfish als Betriebssystem für die Russen

SailfishOS für Putin Die zarten Bande zwischen Jolla und der russischen Regierung bestehen schon seit einiger Zeit - allerdings wußte man bisher nicht so recht, in welche Richtung die Reise gehen sollte. Heute schafft eine Presseaussendung Klarheit:

Die russische Regierung nimmt SailfishOS als bisher einziges mobiles Betriebssystem in die Liste der zertifizierten Software auf, die im Rahmen von Anschaffungen von Behörden und staatlichen Unternehmen der inländischen gleichgesetzt werden darf. Wenn ich die Quellen richtig verstanden habe bedeutet das, daß diese staatlich kontrollierten Firmen und die Verwaltung selbst bei Anschaffungen und Mobilfunkprojekten Geräte mit SailfishOS bevorzugen müssen.

Koordiniert wird die Anpassung von SailfishOS an die lokalen russischen Bedürfnisse über die Firma Open Mobile Platform, die extra zu diesem Zweck gegründet wurde.

Ein Artikel auf Techcrunch zitiert den Jolla-Chef Antti Saarnio mit der Aussage, daß der Zertifizierungsprozess für diese Liste ausgesprochen hart war und bereits im Frühjahr 2015 begonnen hat. Das paßt - rückblickend gesehen - zu den ersten Gerüchten über ein russisches Interesse an SailfishOS als Alternative zu dem von den USA kontrollierten Android. Zum ersten Mal traffen sich die Finnen nämlich schon im Februar 2105 mit einer Arbeitsgruppe des zuständigen russischen Ministeriums. Wenige Monate später, im Juni 2015, gaben die Russen bekannt: Wenn man schon in ein Betriebssystem für den lokalen Markt investiert, dann wird es SailfishOS sein. Das bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder ins Spiel gebrachte Tizen des Elektronikriesen Samsung war aus dem Rennen.

Danach aber gab es eine seltsam lange Pause. Ich war kurz davor, Jollas Russland-Strategie ins Regal der gescheiterten Pläne einzuordnen. Das einzige, was mich davon abgehalten hat: Es gab laufend unbestätigte Gerüchte über russische Hardware-Hersteller, die angeblich an Sailfish-Modellen arbeiten sollten. Jetzt paßt alles zusammen: Offenbar markierte das Ende der Berichte über eine finnisch-russische Zusammenarbeit der Beginn des Zertifizierungsprozesses für diese geheimnisvolle Liste.

Nach dem grundsätzlichen Bekenntnis zum Betriebssystem fehlt nur mehr eine Kleinigkeit: Ein Telefon, auf dem dieses Betriebssystem auch läuft. Ich bin gespannt ob die Firmen, die in den letzten Monaten in der Gerüchtebörse als Hersteller von Sailfish-Hardware genannt wurden (Oysters, Yota Devices), nun tatsächlich die Gunst der Stunde nutzen und die angeblich existierenden Prototypen auf den Markt bringen. Und: Es würd mich doch massiv interessieren, ob der Wechsel von Android zu SailfishOS beim Turing Phone in diesem Licht zu sehen ist.


Plachutta: Weihnachtssperre durchbrochen

Tja, da konnten wir nichts mehr machen: Alle Welt weiß, daß wir üblicherweise am Sonntag um 17:00 Uhr zum Schwabl gehen. Es gab also keinen glaubwürdigen Grund für eine Absage, wie Raini und Wolfi uns für eben diese Zeit an ihren Tisch zum Plachutta gebeten haben. Schlau eingefädelt von den zwei Buben! :)

Weil wir damit schon mal ein Loch in die Weihnachtssperre gesägt hatten, mußten Conny und Daniel auch dran glauben. Auch hier war nämlich ein gemeinsames Abendessen eigentlich längst fällig, es scheiterte nur am Termin. Sonntag war bei ihnen möglich, also saßen wir zu sechst beim Plachutta und hatten unsere Freude.

Es wurden Kexerln verteilt (das ist der schöne Teil von Weihnachten), Theateraufführungen besprochen, Fotos von Drew Sarich bewundert (Conny mit i), die Kellner gelobt (so talentiert!), Möbelhäuser beschimpft, Partygäste ausgerichtet, Konsumopfer in angeblich stylischen Onesies ausgelacht, junge Mädls im Zug nachgeäfft und Mäuse gezählt. Fun Story! *LOL*

Einziger drawback (sad story): Der Plachutta hat eigentlich immer ein oder zwei fleischlose Gerichte auf der Karte. Kaum geht man ein einziges Mal mit der Conny hin, wird das Lokal plötzlich zu 100% gemüsefrei. So etwas sollte in einem Gastronomiebetrieb, der ohne „Man spielt Darts“-Schild am Eingang auskommt, heutzutage eigentlich nicht mehr vorkommen. Auch wenn fleischlich Herausgeforderte für sich allein vielleicht tatsächlich andere Lokale als die Rindfleischküche bevorzugen: Als Teil einer größeren Gruppe werden sie immer wieder mal im Lokal anzutreffen sein. 10% der Bevölkerung ernähren sich vegetarisch oder vegan. Es ist also für Plachutta-Besucher nicht immer verläßlich möglich, ihren Freundeskreis ausschließlich mit Rindfleisch zu verköstigen.


XXXLutz: Kundenverschreckung

XXXLutz: Computer says no Die Idee klingt einfach: Weil der Einkauf eines wirklich hochwertigen Lattenrostes der Beratungs- und Lieferzeit wegen nicht von heute auf morgen funktioniert, besorgt man sich für die Übergangszeit in einem per Taxi erreichbaren städtischen Möbelhaus einen Rollrost um € 19,90. Man sucht im Internet, reserviert, fährt hin, holts ab und die Sache ist geritzt.

Das könnte so einfach gehen, wenn das Möbelhaus nicht XXXLutz heißen würde und auf allen Ebenen durch eine unglaubliche Unverschämtheit und Inkompetenz auffallen würde. Es ist kaum packbar, was man um € 19,90 alles geboten bekommt. Aber der Reihe nach:

Das Produkt empfohlen hat mir die Conny. Sie hat sowas seit Jahren, sagt sie, das ist billig und hält. Also auf den Link geklickt und gleich auf der Website die Option „Für 48 Stunden reservieren“ ausgewählt. Man will ja nicht umsonst in den 22. Bezirk rausgurken. Ein bißchen irritiert hat mich dann, daß ich für diese Reservierung keine Bestätigung per Mail erhalten habe. Das ist völlig normal, versichert mir eine freundliche und kompetent wirkende Dame an der Hotline, bei Reservierungen schickt unser System keine Bestätigung raus. Das machen wir nur bei Online-Einkäufen. Na dann.

Nächster Tag: große Fahrt! Conny und Daniel haben sich angeboten, mir das Taxi zu ersparen und mich zum XXXLutz zu führen. Noch halte ich das für eine rein transportorientierte Hilfestellung. Später stellt sich heraus: Die beiden sind überzeugt davon, daß ich mit der Gesamtsituation unzufrieden sein werde und wollen seelischen Beistand leisten. Im Gegensatz zu mir haben sie Erfahrung mit Möbelhäusern.

Das Drama beginnt im Erdgeschoß. Den Informationen im Internet nach sollte man mir dort sagen können, wo reservierte Ware abzuholen ist. Allein: Der entsprechende Schalter ist an einem Samstag zur Hauptgeschäftszeit unbesetzt. Die Dame an der Kasse hat keine Ahnung von einer Reservierungsmöglichkeit. Versuchen Sie es in der Bettenabteilung oben, rät sie mir. Na, soll sein.

Auch die Bettenabteilung glänzt durch sparsamen Personaleinsatz: Da ist einfach weit und breit niemand, nur Kunden. Ganz am Ende des Stockwerks, so weit weg wie nur möglich von Lift und Treppe, geht uns endlich eine Verkäuferin in die Falle. Wie ist Ihre Reservierungsnummer?, fragt sie mich. Ich habe keine Reservierungsnummer. Man bekommt keine Mail mit einer Reservierungsnummer. - Sie müssen eine Reservierungsnummer haben. Wie ist Ihre Reservierungsnummer? - Ich habe noch immer keine Reservierungsnummer. Das hoch repetitive Gespräch beginnt mich zu verstören. Schließlich hat sie Erbarmen und ruft einen Kollegen an. Ich arbeite hier nämlich nur am Samstag, ich kenne mich gar nicht aus mit solchen Dingen., erklärt sie dabei. Nach kurzer telefonischer Rücksprache verrät sie uns das Versteck eines weiteren Verkäufers, der angeblich nicht nur am Samstag arbeitet und sich daher auskennt.

Herr Daniel, der Kollege für die ganze Woche, verstrickt mich zunächst wieder in ein Gespräch über Reservierungsnummern. Ich habe mittlerweile beinahe vergessen, daß ich eigentlich nur einen Lattenrost will. Herrn Daniels aggressive Unfreundlichkeit verstärkt meinen Fluchtinstinkt, ich konzentriere mich auf das Wesentliche: Auch wenn die Reservierung nicht geklappt hat, ich werde den Lattenrost ja trotzdem kaufen können, oder? - Na welchen wollen Sie denn? - Den Rollrost mit 140cm Breite. - Was, das ist alles, was Sie haben? Und nach dem soll ich jetzt suchen? Na seavas. (Zur Information: XXXLutz hat exakt ein einziges Rollrost-Modell, das 140cm breit ist.) Herr Daniel tippt lustlos Daten in den Computer, der mehrfach „nicht verfügbar“ ausspuckt. Ich warte schon darauf, daß er das berühmte „Computer sagt nein“ von sich gibt. Am Ende war ich mit meiner eigenen Suche schneller und habe den gewünschten Artikel samt Artikelnummer am Handy gefunden. Man soll Möbelfachverkäufer schließlich nicht überfordern. Im Grunde könnte Herr Daniel jetzt einfach die Rechnung ausdrucken und uns zur Kasse schicken.

Er könnte, er will aber noch nicht. Er möchte seinen persönlichen Frust an seinem Job an uns auslassen. Zuerst kommt er nochmal auf die Sache mit der Reservierung zurück und erklärt mir, was ich seiner Meinung nach auf der Website machen hätte müssen. Leider erklärt er es falsch und verwechselt die Reservierung mit dem Online-Einkauf. Darauf aufmerksam gemacht besteht er darauf, daß es die von mir in Anspruch genommene Reservierungsmöglichkeit gar nicht gibt. Egal, dann hab ich das gestern wahrscheinlich geträumt, schließe ich das Thema ab. Ja, was weiß man, in welchem Zustand Leute wie Sie so sind am Abend., gibt er zurück. XXXLutz bemüht sich wirklich um aktive Kundenbindung. Daniel kann aber noch mehr. Wie die Rechnung schließlich aus dem Nadeldrucker rattert, wirft er einen gehässigen Blick auf Conny: Die Angaben über die Maximalbelastung haben Sie eh gelesen? Für Sie beide zusammen ist das nix. Conny hinter mir zu ihrem Daniel: Hat der grad gsagt, daß i fett bin? Absolut genial. Ich kann mich an kein anderes Unternehmen erinnern, das so geschäftsschädigendes Personal bezahlt.

[Kleiner Exkurs zur richtigen Einordnung der Situation: Dieser Herr Daniel ist Verkäufer. Sein Job wäre es gewesen dafür zu sorgen, daß ich statt des 19,90-Dingenses einen ordentlichen Lattenrost um € 300,- mit heim nehme, den ich ja ohnehin benötige. Bedarfsanalyse, Beratung, a bisserl Verkaufsschmäh … Stattdessen wollte er mir nichtmal das geben, wonach ich ausdrücklich verlangt habe.]

Abschließender Höhepunkt der Veranstaltung: Die Rechnung übergibt uns Herr Daniel mit den Worten Abhollager ist Gerasdorf. Zur Erinnerung: Der einzige Grund für die Anschaffung beim XXXLutz war die ausdrückliche Angabe, daß das Produkt in der Filiale im 22. Bezirk lagernd ist. Ich wollte das mit dem Taxi abholen. Gerasdorf liegt gute 20 Minuten von dieser Filiale entfernt in einem anderen Bundesland. Für die Taxifahrt dorthin hätte ich mir gleich ein neues Bett kaufen können. Ich wollte zu diesem Zeitpunkt aufstehen und schreiend das Geschäft verlassen. (Natürlich, Herr Daniel wäre um seine Provision umgefallen und das hätte mir auch unendlich leid getan. Trotzdem …) Frau Connys beruhigendem Zureden ist es zu verdanken, daß ich es nicht getan habe. Sie hat die Rechnung übernommen und mich vorsichtig zur Kasse bugsiert.

Irgendwann, zwei Stunden später, war der Lattenrost dann in meiner Wohnung. Nur € 19,90, aber die sind hart erkämpft. Eins weiß ich: Der XXXLutz sieht mich so schnell nicht wieder. (Fragt sich natürlich auch, wie lange es ihn noch gibt bei so kompetentem Verkaufspersonal.)


SailfishOS 2.0.5 Haapajoki

Haapajoki ist ein 25km langer Fluß, der etwa 7 Autostunden nördlich von Helsinki in die Ostsee mündet. Haapajoki heißt auch das neue Update 2.0.5 für SailfishOS, das Jolla heute im Rahmen des „Early Access“-Programms freigegeben hat. (Die Ankündigung findet sich am Blog von Jolla.)

Trotz eines sehr umfangreichen Changelogs halten sich die für den Benutzer spürbaren Änderungen in engem Rahmen. In erster Linie werden Sicherheitslücken geschlossen (Stichwort dirty cow) und Systembibliotheken auf einen neueren Stand gebracht. Jolla bezeichnet Haapajoki als die Basis für signifikante Architekturveränderungen in zukünftigen Updates. (In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß die nächste Version nach 2.0.5 nicht 2.0.6, sondern 2.1 heißen soll. In der Regeln gehen mit solchen Versionssprüngen auch größere Umbauarbeiten einher, die ein solides Fundament brauchen.)

Nettes Detail am Rande: Nachdem die finanziellen Turbulenzen des Unternehmens sich im ersten Halbjahr 2016 auch auf die Geschwindigkeit der Entwicklung niedergeschlagen hatten, ist Jolla mit Haapajoki nun wieder beim alten Intervall von etwa einem Update pro Monat angekommen. Fröhliches Updaten also! ;)


Erster Adventkalender

Adventkalender für HundeWeihnachten kommt mit großen Schritten auf uns zu. Ich bin in Linz und werde mit dem ersten Adventkalender des Jahres konfrontiert.

Natürlich ist der nicht für mich. Wer das jetzt für einen Moment angenommen hat, hat die Rangordnung in unserem Rudel immer noch nicht durchschaut. Nein, natürlich ist der Adventkalender für den Hund. 😲

(Zum Trost: Das Tier bekommt jetzt nicht 24 Mal Hundeschokolade serviert im Dezember. Es sind nur fünf Kasterln, für jeden Adventsonntag eins und eins für den 24. Dezember. Dafür verstecken sich dahinter angeblich Hundespielsachen.)


Erdoğanversteher

So schnell hätts dann auch nicht gehen müssen mit dem Hörverständnis: Noch nicht ganz wach hör ich aus dem Radiowecker eine nach Schnurrbart klingende Stimme, die vor sich hin poltert: Onlar bana Diktatör demişler … - Ich höre nicht nur, nein, ich verstehe auch.

Nach diesem ersten Halbsatz hab ich nichts mehr mitbekommen, weil der Ö3-Mensch dann dazwischengequatscht hat. (Ich glaub übrigens, daß die Verbform demişler etwas geringfügig anderes ausdrückt, als Ö3 übersetzt hat.) Aber um 7:00 Uhr früh von Erdoğan geweckt zu werden - das war nicht die ursprüngliche Zielsetzung bei der Erweiterung meiner Sprachkompetenz.

Apropos „Erdoğan überall“: Auch Charlie Chaplin hatte mit dem Führer schon so seine Probleme an unerwarteter Stelle. Lustig ist dieses Vorwegnehmen feuchter FPÖ-Phantasien am Bosporus in Wahrheit natürlich keineswegs. Mir begegnen immer mehr türkische Staatsbürger, die sich darauf vorbereiten, ihren ursprünglich nur auf wenige Monate/Jahre angelegten Aufenthalt in Österreich als Dauerlösung neu zu planen. Eine Rückkehr in die faschistische Türkei sei keine Option mehr, sagen sie. Dem könnte man mit distanziertem Mitgefühl begegnen, würde sich nicht die gleiche gesellschaftliche Entwicklung auch in Österreich abzeichnen. Ich frag mich grad, wohin ich mich absetzen könnt …


Linz: Wirklich letztes Geburtstagsfinale

Aus irgendeinem Grund hab ich im September angenommen, daß mein damaliger Besuch in Linz das Ende der diesjährigen Geburtstagsfeierlichkeiten markieren würde. Weit gefehlt:

Ich verbringe wieder ein Wochenende mit dem süßen kleinen Mistvieh und bekomme schon wieder ein Packerl überreicht. Diesmal, so wird mir versprochen, aber wirklich das letzte für heuer. :)

Weils durchaus eine Empfehlung wert ist: Es handelt sich um das Buch „Denksport Deutsch“ von Daniel Scholten. Zwar weiß man nicht so ganz genau, worums darin geht (irgendwie zickzackt es von den urindogermanischen Ursprüngen des Genussystems zu gutem Stil und weiter zum doch nicht Verschwinden des Genitivs (you see what I did here?)); zwar ist es seltsam, daß Scholtens Sätze so schwer zu lesen sind, obwohl er unverschnörkelte, einfache Sprache als guten Stil anpreist; zwar schmunzelt man, wenn er den Gender Studies den Rang einer Wissenschaft mit der Begründung abspricht, daß bei ihnen die Erkenntnis der Forschung voraus geht - nachdem er 100 Seiten Genusforschung einzig zu dem (von der ersten Seite an erkennbaren) Zweck ausgebreitet hat, die Gender Studies am Schluß als Scharlatanerie zu entblößen.

Sei's drum:

Ich bin im letzten Drittel angelangt und habe bisher jede Seite mit großem Vergnügen, viele aber auch mit einigem Erstaunen gelesen. Da ist doch viel unhinterfragtes „Wissen“ in meinem Kopf, das Daniel Scholten einfach so für zumindest sinnlos, wenn nicht sogar für falsch erklärt. (Ich entschuldige mich in aller Form bei jedem, den ich mit Blicken getötet habe, weil er „wegen“ nicht mit dem Genitiv benutzt hat.) Es gibt auch mir bisher unbekannte Erklärungsmodelle für Sprachphänomene, die ich bisher für hoch mysteriös gehalten habe - eben zum Beispiel für die Frage, warum die Erfinder des Deutschen das grammatische Geschlecht so unlogisch auf die Substantive aufgeteilt haben. (Oder war es etwa gar nicht so unlogisch?)

Ob Scholten mit seinen Ausflügen ins Urindogermanische den heute anerkannten Stand seiner Wissenschaft oder eine umstrittene Hypothese widergibt, kann ich nicht beurteilen. Muß ich auch nicht: Was er schreibt wirkt schlüssig und ist hochinteressant. Noch wichtiger: Es eröffnet zumindest einen zweiten, alternativen Blick auf Dinge, die man für längst erledigt hielt … und gibt bei anderen Themen (wie eben der angeblich „gendergerechten“ Sprache) zusätzliche Argumentationshilfen.

Ich hab auch schon mal die eine oder andere Stunde am Blog des Autors verbracht. „Stunde“ ist dabei wörtlich zu nehmen: Allein an der Frage, ob es „Nach langem, schwerem Leiden“ oder „Nach langem, schweren Leiden“ heißt, reibt er sich 40 Minuten lang … zu meinem großen Vergnügen. :)

Wie gesagt: Eine Empfehlung ist das Buch auf jeden Fall. Und ich werde den Abend damit verbringen, auch noch das letzte Drittel zu lesen.


Go West

Go west
Life is dogful there
Go west
Chocolate everywhere

Frühstück, Uhrturm, Mur, Herrengasse

Uhrturm Graz Nach einer Kulturnacht ist der Hunger groß - und ein Hotelfrühstück ist sowieso immer des beste wo gibt. Also haben wir uns extra den Wecker gestellt, um nur ja nichts vom Frühstück im Parkhotel zu verpassen. :)

Ausgezahlt hat es sich! Alles, was das Herz begehrt - und sogar einen klassischen Frühstücksprinzen haben die dort. Sehr fein. (Überhaupt stellen wir immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem Parkhotel und unserem Ochsen fest. Ob die Ochsin dort ihre Hände mit im Spiel hat?)

Anschließend wollten wir nochmal ein bißchen durch die Stadt bummeln. Im Grunde hatten wir ja nichts mehr zu tun, als auf den Zug zu warten. Also gings nochmal rein in die Gegend um die Herrengasse (wo wir uns gestern Nachmittag schon wie Touristen benommen haben *gg*) und dann weiter zum Schloßberg. Der ist sich nämlich vor dem Theaterbesuch gestern nicht mehr ausgegangen und hat schon sehr, sehr laut nach uns gerufen.

Im Prinzip ist der Schloßberg sowas wie der Pöstlingberg in Linz - nur viel steiler und ganz zentral gelegen. Würde ich jetzt schreiben, daß wir die Stiegen zum Berg bezwungen haben, dann wär das nichtmal gelogen. Allerdings war das auf dem Rückweg, also bergab. Raufgefahren sind wir schön brav mit der Schloßbergbahn, gemeinsam mit Touristen aus allen Ländern dieser Erde. Wirklich sehr hübsch und beeindruckend da oben. Man muß ja bei dieser Gelegenheit auch erwähnen: Wir hatten zwei Tage lang strahlenden Sonnenschein, und der Ausblick über die vom Herbst gefärbten Bäume (Der Herbst ist ein Maler) auf die wunderschöne Altstadt von Graz hatte schon was sehr Schönes an sich.

Im Anschluß noch ein paar Schritte der Mur entlang, über den Franziskanerplatz zurück zum Hauptplatz und dann wieder ins Hotel: Die Küche dort wollte auch noch getestet werden, das Mittagessen stand auf dem Programm. Sehr fein alles, auch wenn es sich aus irgendeinem Grund beim Service gespießt hat. Das schien aber mehr kurzfristiger Engpaß als grundsätzlicher Stil des Hauses zu sein.

Doch, Graz ist nett. Ich kann mich garnicht genau erinnern, wann genau ich das letzte Mal da war. Das hatte damals wohl berufliche Gründe, ich hatte im von Grazer Schloßberg-Führern wenig respektvoll „der Telekom-Tower, des schiarche Ding da“ genannten Hochhaus zu tun. Damals war nix mit Oper, Altstadt oder Uhrturm. Schön, wenn mans nachholen kann. :)


Chess: One Night in Graz

Anthem Die Oper Graz hat seit 15. Oktober das Musical „Chess“ im Programm. (Eine kurze Einführung mit Ausschnitten aus der Produktion gibt es hier.) Seit seinem Erscheinungsjahr 1984 gehört das Stück von Benny Andersson, Björn Ulveaus und Tim Rice zu meinen Lieblingen. Die Gelegenheit, es endlich einmal in deutscher Sprache und als große, professionelle Produktion zu sehen, konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen. Also ab in die steirische Landeshauptstadt, die eine durchaus gut kritisierte Produktion der Theater Chemnitz aus dem Jahr 2015 (auch zu der gibts ein Video) 1:1 übernommen hat.

Übrigens war das gar nicht so einfach: Die Vorstellung, einfach mal kurz nach der Premiere für ein Wochenende halbwegs vernünftige Karten zu kaufen, erwies sich als zu naiv. Wir mußten schließlich getrennt voneinander sitzen. Übers Theater verteilte Einzelplätze gabs gerade noch.

Bevor sich mein Lob über Regisseur, Übersetzer und Sänger ergießt noch eine einleitende Warnung und Einschränkung. Ein sehr weiser Mann hat 2009 über „Chess“ geschrieben:

Eine konzertante Aufführung ist das beste, was man dem Musical Chess antun kann: Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf die brillante Musik und versucht gar nicht erst, der Handlung einen Rahmen zu bieten. Diese ist nämlich auch nach 25 Jahren noch verworren und lähmend uninteressant, trotz aller zwischenzeitlicher Bemühungen des Autorenteams. (Ich kenne kein Musical, an dem so viel herumgebastelt wurde. Geholfen hat alles nichts.)

Dies gilt auch heute noch uneingeschränkt. „Chess“ ist ein hervorragender Konzertabend, eine großartige CD. Ob daraus jemals echtes Musiktheater werden wird, bezweifle ich mittlerweile. Die in Graz gespielte Fassung (die sehr eng an das Konzeptalbum und die Londoner Uraufführung angelehnt ist) hat nichts dazu beigetragen, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Tim Rice hat wunderbare Texte geschrieben für dieses Stück. Die Handlung aber hat er genauso verbockt wie die Zeichnung der Charaktere. Obwohl die Hauptfiguren auf der Bühne fast von Beginn an von einer großen Emotion in die nächste taumeln („Drama, Baby! Drama!“), obwohl Beziehungen zerbrechen, neue Paare sich finden, Leben zerstört werden und Karrieren auf der Kippe stehen: Es gibt niemanden im Publikum, den das nur ansatzweise interessiert. Schlimmer noch: Spätestens in der zweiten Hälfte des zweiten Aktes hat man ohne intime Vorkenntnisse aller existierenden Bühnenfassungen keine Chance mehr zu verstehen, wer gerade was von wem will … und warum.

Tim Rice hat dem Stück die Idee zugrunde gelegt, daß Menschen im Kalten Krieg von den USA und der Sowjetunion wie Schachfiguren benutzt und gegeneinander ausgespielt werden. Damit auch jeder die Analogie mitbekommt, läßt er die Handlung in einer fiktiven (aber lose dem Duell Spasski/Fischer von 1972 nachempfundenen) Schachweltmeisterschaft spielen und macht die Strategien der Drahtzieher im Hintergrund so wirklich, wirklich komplex - komplex wie Schach eben. Dieses auf mehreren Ebenen Abstrakte, Sympolhafte überlädt das Stück hoffnungslos und ist als intellektuelles Experiment interessant, nicht aber als große Pop-Oper. Im Genre des Musiktheaters will man doch eher in großen Emotionen schwelgen und am Schluß um die Helden weinen.

Ist „Chess“ also ein schlechtes Stück? Keineswegs. Nicht umsonst versuchen mittlerweile buchstäblich Generationen von Regisseuren, eine schlüssige Neuinterpretation zu finden. „Chess“ hat zwei große Stärken: Die Musik von Andersson und Ulvaeus einerseits und die zynisch-beißenden Texte von Rice. Man will es sehen und genießen. Wenn schon nicht als perfektes Musical, dann doch zumindest so gut es eben geht … Und damit sind wir mitten in der Grazer Aufführung. Die ist, unter dem Gesichtspunkt des oben Gesagten, so gut es eben geht im positivsten Sinne.

Thomas Winter hat sich handlungsmäßig nicht lange mit neuen Ideen aufgehalten und das Stück ganz eng am Londoner Original inszeniert. Das ist einerseits ein bißchen schade, weil die Londoner Fasung vielleicht gar nicht die gelungenste von allen war. Andererseits entspricht sie noch am ehesten den Vorstellungen der Autoren und ist zumindest in Hinblick auf die großen Hits am vollständigsten. Stichwork vollständig: Einige Szenen mußten dem Reisebuspublikum zuliebe dann doch dran glauben. In der Regel hat man sie durch kurze Dialoge ersetzt. Dafür ist „Someone Else's Story“ mit drin, das erst nachträglich für die Broadwayfassung geschrieben wurde.

Die größte Leistung dieser Inszenierung ist das Bühnenkonzept, das von herrlich kitschigen Alpenszenen (in „Merano“ oder „Mountain Duet“) nahtlos in eine sehr abstrakte Formensprache übergeht. (Wenn ich erzähle, daß der Form des Quadrats in vielen Szenen eine zentrale Rolle zukommt, klingt das im Kontext von „Chess“ mäßig originell. Die Art der Umsetzung, die Art der Nutzung vor allem ist aber beeindruckend.) Die Abstraktion liegt dem verkopften Stück. Ihren Höhepunkt finden Bühne und Personenführung dort, wo auch die Musik ihn hat: Am Ende des zweiten Aktes im „Endgame“. Ein großartiger Theatermoment!

Wenn man Thomas Winter etwas vorwerfen kann, dann sind es manche nicht ganz passende Änderungen in der Reihenfolge der Szenen. Warum er zum Beispiel „Nobody's Side“ nach das „Montain Duet“ stellt, kann man zwar erahnen: Das Konfliktpotential ist in dieser Situation größer. Dennoch paßt es an dieser Stelle nicht mehr so gut. „Nobody's Side“ erzählt von Florence's beginnender innerer Ablösung von Freddie. Nach ihrem Treffen mit Anatoly ist sie emotional schon einen Schritt weiter, „Nobody's Side“ wirkt fehl am Platz.

Bezüglich der Besetzung hat die Grazer Oper alles richtig gemacht. Die weibliche Hauptrolle Florence spielt Annemieke Van Dam. Wir haben sie 2013 in „Elisabeth“ kennengelernt und waren damals nicht uneingeschränkt begeistert. Ihre Rolle in „Chess“ liegt ihr stimmlich wesentlich besser. Mit ihrem „Nobody's Side“ reißt sie das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Marc Lamberty als Freddie hat mit seiner Rolle den schwarzen Peter gezogen. Nicht nur ist er der böse Fiesling … die Komponisten geben ihm auch wenig Chancen, gesangliche Nuancen herauszuarbeiten. Freddie schreit oder („One Night in Bangkok“) rappt. Allerdings weiß man, wenn man das Stück kennt, wo Marc Lamberty scheitern hätte können: „Pity The Child“ hat der Teufel geschrieben. Ich bin verspannt im Zuschauerraum gesessen und hab drauf gewartet, daß seine Stimme bricht. Sie ist nicht gebrochen. „Sei nie ein Kind“ (so der deutsche Titel) hat er auf den Punkt serviert - und „Tauch ein in Bangkok“ auch, eh klar.

Der große Star war zweifellos Nikolaj A. Brucker als Anatoly. Ich kann mich nicht erinnern, seit dem Konzeptalbum von 1984 einen so intensiven Russen gehört zu haben. Anatoly hat im Stück - anders als sein amerikanischer Gegenspieler - viele schöne Melodien zu singen. Seine großartigste Szene ist „Anthem“, das Finale des ersten Aktes, von Thomas Winter auch gänsehautmäßig und mit aktuellem Bezug auf die Bühne gebracht. Der Schlußapplaus für Bruckners Leistung an diesem Abend war ehrlich verdient.

Von den sonstigen Rollen (Svetlana: Katja Berg; Molokov: Wilfired Zelinka; Walter: Richard Friedemann Jähnig) ist vor allem der als „Schiedsrichter“ namenlose Sven Fliege hervorzuheben. Er wird eigentlich nur benötigt, um die bockige Handlung als Erzähler voranzutreiben, wenn sich wieder einmal keiner auskennt. (Bezeichnend, daß Tim Rice die Rolle überhaupt hineingeschrieben hat.) Im Grunde hat sein Charakter kaum Profil und interagiert nur oberflächlich mit den restlichen Figuren. Sven Fliege gibt ihm nicht nur eine wunderbar rockige Stimme, sondern auch eine herrlich exzentrische Bühnenpräsenz. Bravo!

Erwähnenswert noch: Selten kommt es vor, daß eine Musicalproduktion das Opernballet im Tutu auf die Bühne holt und en pointe tanzen läßt. In „Chess“ passiert das gleich mehrfach zur Visualisierung der an sich schwer szenisch zu erzählenden Schachturniere. (Warum zum Teufel mußte Rice auch ein Musical über Schach schreiben?) Was am Anfang noch zu hörbaren Irritationen vor allem im Abo-Publikum geführt hat, war schließlich einer der Höhepunkte des Abends. Andersson und Ulvaeus haben ein wunderschönes Thema für diese Spiele gefunden, das Choreograph Danny Costello überraschend „schachmäßig“ umgesetzt hat. Auch hier werte ich den Schlußapplaus als Beleg dafür, wie gut das zunächst genrefremde Element schließlich gefallen hat: Das Ballet ist in etwa auf die gleiche Lautstärke gekommen wie einige Hauptdarsteller. ;)

Bleibt als letzter Name Kevin Schroeder: Er hat die deutschen Texte zu verantworten. In Bezug auf die Aufführung in Chemnitz habe ich für mich überraschend viele negative Reaktionen auf seine Arbeit im Internet gelesen. Er hätte die Feinheiten des Originaltextes zu sehr glattgebügelt, heißt es da. Ganz nachvollziehen kann ich das nicht: Tim Rice in einer Übersetzung gerecht zu werden ist ein harter Brocken … und vielleicht gar nicht der Anspruch, den man als Zuseher stellen sollte. Viel wichtiger ist, daß die Texte ungekünstelt und den Charakteren angemessen wirken. Bei wie vielen Musicalübersetzungen haben sich schon meine Zehennägel aufgerollt, weil ein für die Szene essentieller englischer Satz nur unter massiver Mißhandlung meiner Muttersprache auf ebensoviele deutsche Silben verteilt werden konnte. (Kann sich noch jemand erinnern an Dieser Schock bis ins Mark bei dem Anblick von ihrem Gesicht?) Schroeders Übersetzung ist zeitgemäß und wirkt natürlich, so als hätte er selbst das Stück auf Deutsch geschrieben. Das ist mir viel wichtiger als angebliche Nuancen in einem Stück, dessen Charaktere gerade mal so viel Tiefe haben wie ihre Beschreibung im Programmheft.

Ist „Chess“ in Graz eine Empfehlung wert? Jedenfalls für jeden, dem die Musik auf CD gefällt. Die Sänger sind hervorragend, die szenische Umsetzung optisch beeindruckend und durchdacht. Daß die Handlung ein Krampf ist, weiß jeder Chess-Fan ohnehin. Wer von „Chess“ nur „One Night In Bangkok“ aus dem Radio kennt und einen üblichen Musicalabend mit sterbenden Heldinnen erwartet, wird vielleicht enttäuscht nach Hause gehen - genau wie jene, die der Komponisten wegen ein Stück wie „Mamma Mia!“ erwarten.

Die „große Nummer“, die komplette Neuerfindung des Stücks, die Fassung, die jeder Fan gesehen haben muß, ist die Aufführung in Graz auch nicht. Das war wahrscheinlich eher die englische Tourneeproduktion aus dem Jahr 2010, die in dieser Form vermutlich aber eher auf kleineren Bühnen funktioniert.


Parkhotel

Nach einer gar nicht so entsetzlich langen Zugfahrt durch die übelste Gegend Österreichs sind wir wohlbehalten im Parkhotel angekommen. Doch, haben wir gut ausgesucht. Kein Designerschnickschnack, dafür 100% Gemütlichkeit. Leider hat das hoteleigene Restaurant schon geschlossen. Wir müssen uns also auf die Suche nach Futter machen. ;)

Evita! Evita! Evita! (Felix Martin! Felix Martin!)

Haben wirs also geschafft: Evita im Ronacher. Und was für ein Glück das war, daß wir doch noch den Arsch hochbekommen haben! Ich mein: Evita, das hat man ja schon gesehen. Im Theater hier, in der Tourneeproduktion da, im Kino, im Fernsehen … sogar während meines USA-Aufenthalts hab ich Evita in Traverse City erlebt. Da meint man dann immer, daß nächste Woche auch noch reicht - und irgendwann wärs dann zu spät. Was, wie angedeutet, in diesem Fall extrem schade gewesen wäre.

Fangen wir zunächst nicht mit dem unumstrittenen Star des Abends an. Widmen wir uns stattdessen der Besetzung. Der erste Blick im Foyer gilt ja immer dem kleinen Zettelchen mit „Heute Abend spielen“. Drew Sarich als Che - jawoll! Wegen dem geht man ja hin. Marjan Shaki als Evita? Ooooch. Echt jetzt? Kann die denn das? Ist die nicht zu jung? Naja, mal sehen. Und als Perón - neeeee, nö? Felix Martin! Der Marius aus Les Misérables! Der Felix Martin, den ich in einer eher bizarren Phase meines Lebens mal im Café Sperl kennengelernt habe. Kinder, wie schnell die Jugend verfliegt: Gerade war er noch fahnenschwingender Revoluzzer und mit seiner ersten Liebe auf den Barrikaden von Paris, heute schon steht er als über 50jähriger Oberst an der Spitze eines populistischen Gewaltregimes. :)

Wie hat sich das Trio geschlagen? Ein Glücksgriff. Absolut genial. Eine tiefe Verbeugung vor Marjan Shaki, die ich gleich um mehrere Größenordnungen unterschätzt habe. Wie gesagt, sie ist nicht die erste Evita, die ich sterben sehe … aber kaum eine hat je so eine gute Figur gemacht dabei, schauspielerisch und stimmlich. Evita muß eine harte Partie sein, fast jede Sängerin gerät irgendwann im Lauf des Stücks an Töne, um die sie sich herumschwindeln muß. Nicht so Marjan Shaki. Es gab, wenn ichs richtig im Kopf hab, zwei Momente, in denen sie sich zwischen „laut“ und „hoch“ entscheiden mußte, obwohl Lloyd Webber eigentlich beides wollte. Sie hat das Richtige getan: Den Ton sauber ausgehalten, ohne zu schreien. Zwei kleine Kompromisse in einer Aufführung, die ihr stimmlich, schauspielerisch und auch tänzerisch einiges abverlangt haben. Doch, auf die nächste Produktion mit ihr freue ich mich sehr.

Zu Drew Sarich kann man nichts mehr sagen. Er hat seinen Platz im Herzen der Wiener Musical-Fans verdient. Die Rolle des Che ist ihm auf den Leib geschrieben. Conny, wenn Du auf meinem Platz gesessen wärst, hättest Du nur die Hand ausstrecken brauchen. Um ein Haar hätte er mir sogar sein Rohr in die Hand gedrückt, hat die Sache dann aber doch zwei Reihen vor uns erledigt. Wer weiß, wenn Du da gewesen wärst …? ;)

Felix Martin wiederzusehen hat mich wirklich gefreut. Er ist eine perfekte Besetzung für Perón und ringt der im Grunde wenig sympathischen Figur Nuancen ab, die ihn wohltuend von der flachen Schablone in anderen Inszenierungen unterscheiden.

Wer ist jetzt der Star des Abends? Sarich? Shaki? Martin? Keiner von ihnen. Der Star des Abends heißt ohne Zweifel Vincent Paterson. Er hat für Madonna, Michael Jackson und andere Stars Videoclips und Tourneen choreographiert und zeichnet für Evita in Wien als Regisseur und Choreograph verantwortlich. Der kann was, aber hallo! Die Inszenierung ist kräftig, schwungvoll, voll knalliger Farben, an den richtigen Stellen trübe und grau … Noch nie habe ich das Stück so wild erlebt. Allein „Wach auf, Argentinien“ ist das ganze Eintrittsgeld wert. :)

Vor allem der zweite Akt ist eine atemlos komponierte emotionale Hochschaubahn, die das Publikum fester und fester in einen Schraubstock zwingt. Völlig undenkbar in anderen Inszenierungen: Es gab nach der Pause praktisch keinen Applaus mehr, nicht einmal nach „Wein nicht um mich, Argentinien“. Das Publikum hat in seiner Fassungs- und Sprachlosigkeit die Kraft der Inszenierung verstärkt und fast körperlich spürbar im Theater festgehalten. Der beklemmendste Moment war der Übergang vom „Walzer für Evita und Che“ zu „Schau in mein Herz“. Man hat im ausverkauften Theater keinen Atemzug gehört.

Erst mit dem Schlußapplaus löste sich die Spannung, wischten sich die alten Männer aus dem Kärntner Reisebus verschämt die Tränen unter den Brillen weg. Ausatmen.

Evita ist ein altes Musical, dessen Geschichte bis ins Jahr 1976 zurück reicht. Trotzdem ist das Stück auf beängstigende Weise aktuell und wird auch so empfunden: Nationalismus, Populismus, Politik als Show, Ausländerfeindlichkeit, der Einsatz von Gewalt und Drohungen gegen politische Gegner unter dem Deckmantel einer Demokratie, Machtbesessenheit … Das alles könnte auch heute spielen. Die Menschen haben sich nicht geändert und fallen immer noch auf die gleichen dummen Tricks herein. Wach auf, Argentinien … aber nicht nur Argentinien.